Der Kessel tanzt und kocht
Er ist eine schweißtreibende Angelegenheit, der Aufbau auf dem Wasen. Am Freitag muss alles fertig sein, dann beginnt die mittlerweile fünfte Auflage des Kessel-Festivals.

© Lichtgut - Ferdinando Iannone
Am ersten Juliwochenende steigt wieder das Kessel-Festival auf dem Wasen.
Von Frank Rothfuß
Stuttgart - Der Platzhirsch liegt am Rande. Verräumt, unbeobachtet, aus dem Weg. Auf einem Parkplatz. Noch wird die Fruchtsäule nicht gebraucht. Das Wahrzeichen des Volksfests hat seinen großen Auftritt erst wieder Ende September, jetzt im Sommer ist nicht die Zeit für Lederhosen und Dirndl, sondern für T-Shirt und Sportklamotten – für das Kessel-Festival.
Die Fruchtsäule musste weichen, das Zelt von Festwirt Marcel Benz durfte stehen bleiben. Nicht nur, weil Hofbräu das Bier ins Zelt und aufs Festival liefert, sondern weil Ostern und damit der Beginn des Frühlingsfestes sehr spät waren. Hätte Benz abgebaut, hätte er kurze Zeit später schon wieder mit dem Aufbau fürs Volksfest beginnen müssen. Weil man sich im Kessel gut kennt, die Wege kurz sind, einigten sich Benz sowie Christian Doll und Tobias Reisenhofer, die Geschäftsführer der Festival GmbH, darauf, das Zelt stehen zu lassen. Man hat einige Meter von den sechs Kilometer Bauzaun abgeknappt, um das Zelt einzufrieden.
Das Palastzelt wurde auf 5000 Quadratmeter erweitert Wer über das 170 000 Quadratmeter große Gelände geht, begegnet also auch einem Bierzelt. Blasmusik gibt es allerdings woanders, nämlich im 5000 Quadratmeter großen Palastzelt. Am Freitag spielen dort Meute Techno mit Saxofon, Posaune, Querflöte, Sousafon und Trommeln. Auch Bosse oder Paula Hartmann treten auf. Und vorausschauend haben die Macher das Zelt auf 5000 Quadratmeter erweitert.
Nachdem man im Vorjahr wegen der EM vom gewohnten Termin weichen musste, wurde man für die gute Tat auch noch vom Wettergott mit Dauerregen bestraft. „Trotzdem hatten wir 15 000 bis 20 000 Besucher je Tag“, sagt Reisenhofer. Nun kalkuliert man mit besserem Wetter und der gewohnten Gästeschar, also um die 50 000 Menschen.
Damit die sich wohlfühlen, arbeiten seit gut zehn Tagen 250 Menschen auf dem Wasen. Und wer dort nur mal eine Stunde von der Sonne geröstet wird, kann sich kaum vorstellen, wie man da acht Stunden schleppen und schrauben kann. Reisenhofer: „Das ist schon anspruchsvoll, was die Leute da leisten.“ Und zu viele Pausen kann man nicht machen, denn am Freitag um 11 Uhr geht es los. Die große Bühne mit ihren 36 Metern Breite und 20 Metern Tiefe steht schon da, sie wird nun mit Technik ausgestattet. Modell TVG1 Megaforce, sie wirkt so groß, wie der Name klingt. Und weil es nicht allzu viele davon gibt, muss man sie anderthalb Jahre vorher ordern. Bis 2030 haben Doll und Reisenhofer die Bühne reserviert.
Der Übermorgen-Markt wächst wieder Apropos Zukunft. Die Messe Futuromondo gönnt sich einen eigenen musikalischen Ableger beim Kessel-Festival. Und gleich nach übermorgen schaut man schon seit der Gründung im Jahr 2019. Der Übermorgen-Markt war seit jeher Teil des Festivals. Aber in den letzten Jahren ist er gerupft worden, unter anderem durch Corona. Voriges Jahr hatte man nur noch 45 Aussteller. Deshalb müssen sie dieses Jahr keine Gebühren zahlen, dafür ihre Stände selbst aufbauen. Der Anreiz funktioniert, knapp 100 Aussteller zeigen ihre Produkte: Viel Schmuck, Kleidung. Doch nicht nur das: Es präsentieren sich auch Unternehmen aus dem sozialen Bereich.
Begegnungen zu schaffen, war die Idee. So gibt es nicht nur verschiedene Bühnen, etwa für Kleinkunst auf der Kulturbühne oder für elektronische Musik auf dem Sattelplatz oder für Newcomer im Reitstadion. Zahlreiche Sportvereine präsentieren sich, der VfB ist dabei, die Footballer der Scorpions und Silver Arrows, die Handballer des TVB, die Eishockeyspieler der Rebels, die Baseballer der Reds, der Tennis- und Tischtennisverband laden zum Spielen ein, ein Beach-Volleyball-Turnier gibt es und 3x3-Basketball. Man kann Räder ausprobieren – und lernen, dass die Slackline eine Stuttgarter Erfindung ist. Robert Käding hat jenes fünf Zentimeter breite und mit einer Rätsche gespannte Band entwickelt und vor 18 Jahren die Firma Gibbon gegründet, seitdem gruppiert sich die Szene um das Stuttgarter Geschäft. Gibbon hat die erste Trickline-WM im Jahr 2010 mit aus der Taufe gehoben und unterstützt viele Athleten – die er mit auf den Wasen bringt zur Weltmeisterschaft, eine spektakuläre Luftshow.
Wer es eher mit Wasser hat, der kann an den Neckar. Dort darf man SUP fahren, Drachenboot oder Wakeboard, also auf der Bugwelle eines Motorbootes surfen. Auf dem Gelände gibt es drei Zapfstationen für kostenloses Wasser.
Das Programm ab 16 Uhr ist nur für die Großen Wer was anderes will, soll auch nicht dürsten. Jede der 20 Getränkestation hat einen eigenen Kühllaster, sagt Reisenhofer. Die Versorgung sollte also klappen. Wenn aber 30 000 Menschen vor der großen Bühne sind, Deichkind, Max Herre und Joy Denalane, Kontra K., Ski Aggu oder die Donots zu sehen, wird man trotzdem ein bisschen aufs Bier warten müssen.
In der Vergangenheit standen etliche Eltern mit ihren kleinen Kindern ganz vorne vor der Bühne und beschwerten sich hernach massiv, dass das dort ja so eng, Toiletten und Getränke so weit weg gewesen seien, das Ganze null kindergerecht sei. Andere Besucher wiederum beschwerten sich über die umher tobenden Kinder. Die Organisatoren haben ihre Konsequenzen gezogen und darauf reagiert: Nun dürfen Kinder unter sechs Jahren nach 16 Uhr nicht mehr aufs Gelände der großen Festivalbühne.
Platz genug gibt es anderswo. Nur für die Fruchtsäule nicht. Die ist verräumt und liegt am Rande. Doch bald darf sie ja wieder die Hauptrolle spielen.
Das Kesselfestival
Tickets Karten gibt es noch für fast alle Kategorien. Sie kosten zwischen 14,90 und 99,90 Euro. Der Preis hängt vom Zugang zu den Bühnen ab. 14,90 Euro kostet das Basisticket für einen Tag mit Zugang bis 15 Uhr zur Palastbühne und 16 Uhr zur Hauptbühne. 99,90 Euro ist der Preis für zwei Tage mit dem kompletten Programm.
Öffnungszeiten Das Festivalgelände auf dem Wasen ist am Freitag und Samstag jeweils von 11 Uhr bis 23 Uhr geöffnet.