Der konservative Störenfried

dpa Schwetzingen. Alexander Mitsch schürt als erzkonservativer CDU-Rebell Unruhe in einer gebeutelten Partei. Er träumt von der großen Zäsur und Prozentwerten vergangener Zeiten. Seine Lösung: Merz statt Merkel.

Alexander Mitsch, Bundesvorsitzender der WerteUnion. Foto: Uwe Anspach/dpa

Alexander Mitsch, Bundesvorsitzender der WerteUnion. Foto: Uwe Anspach/dpa

Alexander Mitsch ist mit 15 in die Junge Union eingetreten, mit 16 in die CDU. Das lag auch am Nato-Doppelbeschluss, weil die Partei da klare Kante gezeigt habe. Damals sei er von Linken als Kriegstreiber beschimpft worden, erzählt er - ein wenig, als handle es sich um ein Kompliment. „Da wurde noch hart gestritten.“ Die politische Auseinandersetzung fehle ihm heute, in der Gesellschaft, aber auch in seiner Partei. Das ist wohl ein Grund, warum Mitsch selbst immer wieder für Streit in der CDU sorgt - und auch jetzt vor dem CDU-Bundesparteitag am Freitag und Samstag in Leipzig.

Denn bei dem CDU-Treffen stehen auch Anträge der Werteunion zur Abstimmung, die Zündstoff bergen. So soll der Parteitag sich etwa gegen die Zusage von Innenminister Horst Seehofer aussprechen, das Deutschland jeden vierten auf dem Mittelmeer geborgenen Migranten aufnimmt. Des Weiteren soll der Parteitag nach dem Willen der Werteunion den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fordern.

Mitsch ist Chef der konservativen Werteunion. Der Verein ist keine offizielle Vereinigung der CDU, sondern ein Sammelbecken unzufriedener Konservativer. 3600 Mitglieder habe man schon, sagt Mitsch - dreimal so viel wie noch zu Beginn des Jahres. Das sind zwar nicht viele im Verhältnis zu 400 000 CDU-Mitgliedern. Aber in Zeiten innerer Machtkämpfe und anhaltender Personaldebatten rund um die nächste Kanzlerkandidatur und die zuletzt glücklos agierende Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer findet ihre Stimme Gehör. Mitsch ist eine Art rechtskonservativer Rebell, der immer wieder Störfeuer aus der schwäbischen Provinz in Richtung Berlin schickt.

Der 51-Jährige läuft durch ein Café in Schwetzingen, immer wieder bleibt er an Tischen stehen, plauscht mit den Gästen. Man kennt ihn hier. Mitsch trägt graues Sakko, weißes Hemd. Er ist Finanzdirektor bei einer mittelständischen Firma. Auch wenn er sich über „unkontrollierte Massenzuwanderung“, über Wahldesaster und miese Umfragewerte frustriert aufregt, spricht er ruhig und bedacht. Die CDU habe kein Profil mehr, sagt er, werde zwischen Grünen und AfD zerrieben. „Der Niedergang ist in vollem Gange.“

Eine zentrale Konsequenz seiner Ausführungen lässt sich auf drei Worte eindampfen, die auch von Anhängern von AfD und Pegida seit Jahren auf den Straßen skandiert werden: Merkel muss weg. Die Kanzlerin habe konservative Wähler verprellt, sie sei verantwortlich, dass sie sich in der Partei nicht mehr heimisch fühlten, beklagt er.

Die Werteunion sieht er als Korrektiv, als „Speerspitze“ und „Meinungsmotor“. Der Verein hatte sich 2017 vor allem als Reaktion auf Merkels Flüchtlingspolitik gegründet. Der Gruppe wird Nähe zur AfD vorgeworfen. Nicht alles, was die AfD sage, sei falsch, nur weil die AfD es sage, meint Mitsch. Er will mit seiner Arbeit auch Wähler am rechten Rand zurückholen zur Union.

Er habe anfangs bei der Werteunion nur den Kassenwart machen wollen, sei da irgendwie reingerutscht, sagt Mitsch. Nun ist er Chef. Das Rebellentum hat seinen Preis: Mitsch berichtet von schlaflosen Nächten, von Drohungen und Ausgrenzung, als Spalter werde er beschimpft. Im Oktober verliert er sein Amt als Beisitzer im CDU-Kreisverband Rhein-Neckar. „Die wollten ein Exempel statuieren“, sagt er. Das passiere eben im Kampf gegen das Establishment.

Mitsch sei ein intelligenter Überzeugungstäter, sagt einer aus seinem Kreisverband. Es sei ganz gut, wenn einer mal den Finger in die Wunde lege. Aber das ständige Störfeuer gegen Merkel schade der Partei. Mitsch müsse auch mal den politischen Gegner kritisieren.

Trotzdem verfolgt er hartnäckig weiter sein Ziel einer „konservativen Wende“. Das Ende der Ära Merkel ist zwar absehbar - Mitsch zeigt sich aber auch nicht begeistert von der Arbeit der neuen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Sie hat es nicht geschafft, sich aus dem Abwärtssog der GroKo zu lösen.“

Ein Mann, der seine Karriere eigentlich schon hinter sich hat, verkörpert für ihn die Lösung: Friedrich Merz. Der Ex-Fraktionschef sei ein begnadeter Politiker und müsse Kanzlerkandidat werden. Mitsch träumt von vergangenen Tagen, wo die CDU noch mit der FDP Mehrheiten bilden konnte, den 40-Prozent-Plus-Zeiten. Mit Merz hält er das für möglich.

Dann wäre vielleicht auch sein Verein überflüssig. Die Werteunion sei kein Selbstzweck, sagt er. Nach einer Kurskorrektur könne man nachdenken, „das Engagement wieder in die reguläre Organisation zurückzuführen“. Auf dem anstehenden Bundesparteitag in Leipzig will die Werteunion den Antrag der Jungen Union zur Urwahl des Kanzlerkandidaten unterstützen. Er erwarte aber nicht, dass wichtige Beschlüsse gefällt werden, sagt Mitsch. Schließlich säßen dort nur Funktionäre, „die in die Machtstruktur des Kanzleramts und der Parteizentrale eingebunden“ seien. Deren Bereitschaft für eine Politikwende sei gering.

Klingt nicht so, als ob die Störfeuer aus Schwaben bald eingestellt werden.

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Erstellt:
19. November 2019, 08:17 Uhr

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