Norbert Röttgen bei Caren Miosga
„Der Krieg ist das Mittel der Wahl für Putin“
Im ARD-Talk geht es um den Krieg in der Ukraine und Gaza. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen spricht sich für einen harten Kurs gegenüber Russland aus.

© NDR/Thomas Ernst
Norbert Röttgen bei Caren Miosga.
Von Christoph Link
Nach den gescheiterten Verhandlungen von Istanbul und kurz vor dem wohl entscheidenden Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erinnerte die ARD-Studiorunde von Caren Miosga am Sonntagabend schon sehr an ein Stochern im Nebel. Mehr als eine Zwischenbilanz und eine höchst vage Aussicht auf den nächsten Tag war nicht drin und in der Themensetzung von Miosga, „Putin versetzt Selenskyj – und Europa schaut zu“ fehlte ein wichtiger Name: Donald Trump. Trotzdem bemühte sich der außenpolitische Experte der CDU, Norbert Röttgen, um vorsichtigen Optimismus. „Krieg ist das Mittel der Wahl von Putin“, das habe dessen Fernbleiben gezeigt. „Wir Europäer müssen daher Druck aufbauen.“ Durch die europäische Initiative für eine 30-tägige Waffenruhe und falls Moskau da nicht einwillige für ein 18. Sanktionspaket sei „Bewegung in die Sache gekommen“.
Ob Trump wieder ausbüxt?
Ob Friedrich Merz mit anderen Europäern am Sonntag für ein Briefing für sein Putin-Gespräch nochmal mit Trump telefoniert hatte, dass wusste der CDU-Mann nicht zu sagen. „Im Moment ist Trump bei uns“, meinte Röttgen, sprich, er trägt die Ankündigung von Sanktionen mit, man wisse aber nicht, „ob er wieder ausbüxt“ oder ob er erkenne, „der Putin hält mich nur hin“. Bemerkenswert sei auch, dass unter dem Republikaner Lindsey Graham sich im US-Senat 70 Abgeordneten gefunden hätten, die ein schärferes Sanktionspaket gegen Russland vorbereitet hätten und Graham trage durchaus „zur Meinungsbildung von Trump bei“.
Eine Alternative für einen harten Kurs gegenüber Russland sahen in der Studiorunde weder Röttgen noch die Politikwissenschaftlerin Claudia Major oder Rüdiger von Fritsch, der von 2014 bis 2019 deutscher Botschafter in Moskau war. Russland habe überhaupt kein Interesse an Verhandlungen, meinte Major, es sehe Verhandlungen – besser gesagt Scheinverhandlungen – nur als Mittel um letztlich den militärischen Sieg zu erringen. „Es deutet nichts auf eine Kompromissbereitschaft Russlands hin – zumal die USA Moskau ja bereits Konzessionen gemacht haben.“ Die Gespräche in Istanbul hätten inhaltlich lediglich einen Gefangenaustausch, eine Drohung Moskaus mit einem langen Krieg und eine Erweiterung der Gebietansprüche für Russland gebracht.
Russlands Wirtschaft leidet
Die Lage ist also verfahren und über allem schwebt der unbekannte Faktor Trump: „Trump hat klar gemacht, dass er den Krieg beenden will. Meine Sorge ist, dass er über die Köpfe der Ukraine und der Europäer da mit Putin einen Abschluss findet“, sagte Major. Putin aber hänge nach wie vor seinen imperialen Zielen an. Ähnlich wie Major argumentierte von Fritsch, der aus seiner Moskauer Zeit berichtete, dass er es fünf Jahre mit Diplomatie bei Putin probiert habe und dies nichts genützt habe. Von Fritsch sieht Russland als empfindlich an für eine weitere Sanktionsrunde: die Inflation in Russland liege bei zehn Prozent, der Leitzins der russischen Zentralbank betrage investitionsfeindliche 21 Prozent und der Staatshaushalt – früher zu 50 Prozent aus Öl- und Gaseinnahmen gespeist – erhalte aus diesem Energiesektor nur noch 27 Prozent. „Das geht in die Reserven. Das hält Putin nicht mehr lange durch.“
Ein Druckmittel auf Russland und eine finanzielle Quelle für eine weitere Unterstützung könnte die Beschlagnahmung von 300 Milliarden Euro russischen Staatsvermögens sein, von dem sich zwei Drittel in der EU befinden. Es ist bereits eingefroren und dessen Zinsen werden für die Ukraine verwendet. Das Vermögen anzutasten könne eine Gefahr für die Investitionssicherheit in der EU bedeuten, meinte Claudia Major, auf der anderen Seite habe man es mit einem russischen Angriffskrieg zu tun und man müsse sich fragen, was Nichthandeln bedeute. Röttgen machte deutlich, dass er persönlich keine Bedenken gegen eine Beschlagnahmung habe, Kanzler Merz habe sich da aber offenbar noch kein Urteil gebildet.
Papst könnte vermitteln
Gegen den Chor der Stimmen, die mehr Druck aufbauen wollen gegenüber Putin, wandte sich in der Runde allein der Journalist Heribert Prantl („Süddeutsche Zeitung“). Istanbul könne ja ein Einstieg in den Einstieg für Verhandlungen gewesen sein, er sehe da den westlichen Versuch „etwas einzufädeln“, man müsse doch „etwas probieren“. Im Übrigen gebe es nur drei Möglichkeiten den Krieg zu beenden: einen unwahrscheinlichen Siegfrieden durch die Ukraine, eine Ermattung beider Gegner oder Verhandlungen.
Prantl sprach sich dafür aus, die Verhandlungen „leichter zu machen“, etwa durch den Abbau von Sanktionen statt durch deren Ausweitung. Es gebe eine psychologische Kriegsführung, es gebe aber auch eine psychologische Friedensführung die eventuell auch Putin zum einlenken bewege. Für eine Friedensvermittlung brauche man einen „stärkeren Mediator“, glaubt Prantl, da könne man auf das Vermittlungsangebot von Papst Leo eingehen. Vor allem Prantls Friedensglaube stieß auf heftige Kritik in der Studiorunde. Wo er denn Anhaltspunkte sehe, dass Putin über Frieden verhandeln wolle, fragte Claudia Major. Man müsse doch ein „Nein“ von Putin auch als „Nein“ anerkennen.
„Unschuldige Babys sterben“
So ratlos wie bei der Ukraine, so hilflos klang die Runde auch beim Gaza-Krieg. Röttgen sprach von einer „fürchterlichen, menschlichen Situation“ im Gaza-Streifen, wo „unschuldige Babys, Kinder und Mütter sterben“. Gleichwohl vermied es Röttgen, gefragt von Miosga, das Wort des französischen Präsidenten Emmanuel Macron „Schande“ zur Verurteilung der Politik Israels zu verwenden. Israel sei am 7. Oktober von der Hamas angegriffen worden, das Land sei traumatisiert.
Die Fragen und Sorgen, die Deutschland zur Lage im Gaza-Streifen und zu einer möglichen Besetzung durch Israels Armee habe, spreche der neue Außenminister Johann Wadepuhl in Israel „vertraulich“ an. Dies sei nun ein Stilwechsel in der Außenpolitik. Für Prantl war das der falsche Weg: „Unrecht kann nicht in der Stille angesprochen werden. Das Leid muss in der Weltöffentlichkeit sichtbar werden.“ Es gebe „massive Brüche des Völkerrechts“ im Gaza – das sagten ja selbst UN-Vertreter.