Der Nachtwächter zieht vom Leder

Horst Klöpfer nimmt in seinen Büttenreden das Geschehen in der Welt und daheim ins Visier – Fester Platz beim BKC

Sein Auftritt bei den Prunksitzungen hat Kultstatus: Horst Klöpfer ist der Nachtwächter vom BKC und als solcher fester Bestandteil des Sitzungsprogramms. Als Büttenredner legt er den Finger auf das Geschehen in der Welt, im Kreis und in der Stadt. Sein Erscheinen leitet er traditionell mit dem alten Nachtwächterruf „Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen“ ein – in diesem Jahr zum 25. Mal.

Aus der Bütt heraus legt Horst Klöpfer bei den BKC-Prunksitzungen in seiner Rolle als Nachtwächter den Finger in wunde Punkte. Archivfoto: E. Layher

© Edgar Layher

Aus der Bütt heraus legt Horst Klöpfer bei den BKC-Prunksitzungen in seiner Rolle als Nachtwächter den Finger in wunde Punkte. Archivfoto: E. Layher

Von Armin Fechter

BACKNANG. In einen weiten Lodenmantel gehüllt, auf dem Kopf einen Hut mit Federn in den Stadtfarben, in den Händen die typischen Nachtwächter-Requisiten Hellebarde und Laterne: So betritt Horst Klöpfer immer bei den Prunksitzungen des Backnanger Karnevals-Clubs die Bürgerhausbühne. Alle Jahre seit 1995. Anfangs ging es dabei pro Kampagne nur um eine Veranstaltung, heute sind es am tollen Faschingswochenende drei – einschließlich einer Seniorensitzung.

Dass Klöpfer damals die Herausforderung in der Bütt annahm, hängt zu einem guten Teil mit der vorausgegangenen Zäsur im Verein zusammen: 1990 hatte eine Gruppe junger Aktiver um Gabi Kallfaß, die bis heute als Präsidentin agiert, die Verantwortung übernommen. Die junge Garde spürte, dass etwas fehlte: Wortbeiträge mit lokalem Bezug, wie sie etwa ein Franz Skarpil in die 70ern geboten hatte. Wohl präsentierte Detlev Reichert dem BKC-Publikum witzige Reden zu wechselnden Themen, mit denen er auch großen Erfolg hatte. Doch er verwendete Vorlagen, die allgemein angelegt waren und überall funktionierten. Örtliche Aspekte blieben außen vor.

Das Lokale sollte dann aber Klöpfers Ding werden. Der gebürtige Backnanger war durch seine Frau Elke zu den Karnevalisten gestoßen, parallel engagierte er sich aber auch noch im Liederkranz Backnang-Steinbach, wo er schon als 16-Jähriger in Theaterstücken auftrat. Mit dieser Bühnenerfahrung im Blut wagte er sich an seine erste Büttenrede heran. Die Rolle, in die er dafür schlüpfen wollte, sollte zu Backnang passen. Seine Wahl fiel auf die Figur des Nachtwächters, der einst während der dunklen Stunden nach dem Rechten sehen musste.

Missgeschick dient als Aufhänger, um die Figur einzuführen

Bei der Premiere galt es dann, die Gestalt erst einmal einzuführen und vorzustellen. Als Aufhänger diente dabei ein gespieltes Missgeschick: Präsidentin Kallfaß sucht händeringend nach Ersatz, weil der eingeplante Büttenredner ausgefallen ist. Klöpfer im Nachtwächtergewand springt in die Bresche. Und dann zog er vom Leder und nahm, wie er es bis heute tut, das Geschehen in der weiten Welt und daheim ins Visier.

Mangel an Themen gab es nie: „Man findet immer was.“ Als hilfreich erwies sich immer wieder der Jahresrückblick in der Zeitung, „erst dann wird die Rede geschrieben“. Ein dankbares Thema seien immer wieder die Landräte im fernen Waiblingen gewesen, die – im Gegensatz zum derzeitigen Amtsinhaber Richard Sigel – nie zu den Prunksitzungen kamen. So leuchtete der Nachtwächter sowohl Horst Lässing als auch Johannes Fuchs heim, nicht selten mit derber Deutlichkeit. In der Zeit beispielsweise, als Backnang um sein Krankenhaus rang, band er einmal einen Fuchsschwanz an die Hellebarde und warnte den Kreischef: Nächstes Mal könne das der seine sein.

Ziel der Spottreden waren auch Amts- und Würdenträger in Backnang. Den früheren Oberbürgermeister Jürgen Schmidt animierte er beispielsweise mit Erfolg, nach dem Vorbild von Burgstettens Rathauschefin Irmtraud Wiedersatz, selbst in die Bütt zu steigen – wohingegen dessen Amtsvorgänger Hannes Rieckhoff sich das närrische Spektakel nicht antun mochte. Konkurrenz in der Bütt erfährt Klöpfer auch von OB Frank Nopper, der mit diebischem Vergnügen seine karnevalistische Ader zeigt, dem Klöpfer aber auch schon mal ein Abendgebet gewidmet hat. Mitunter konnte Klöpfer Ideen und lustige Visionen anbringen, die ganz unvorstellbar erschienen und dann doch Wirklichkeit geworden sind. Als Beispiel nennt er seine Aufforderung an die Stadtoberen, Frieder Nögge und Wolle Kriwanek mit Straßennamen zu ehren. Das verknüpfte er damals mit dem Vorschlag, den „Fuchs“rain umzubenennen. „Die Leute werden bestätigt in ihren Ansichten, oder sie lachen über die Ansichten des Nachtwächters“, fasst er die Wirkung seiner Spitzen zusammen.

Der gelernte Industriefachwirt sieht sich in der Tradition der klassischen Büttenredner, die ihren Text in Reimform aus der Bütt, einem fassähnlichen Vortragspult, heraus präsentieren – ohne weitere Aktion auf der Bühne. Diese Form des Wortbeitrags verliert jedoch in letzter Zeit an Boden: „Die Büttenredner werden weniger“, beobachtet Klöpfer einen landesweiten Trend. Eine Ursache liegt sicherlich in dem engen formalen Korsett. Auch Klöpfer, der alle seine Reden selbst schreibt, hat immer wieder damit zu kämpfen, dass ihm Sätze zu lang geraten oder der Fluss fehlt. Viele Stunden, meist zu nachtschlafender Zeit, hängt er dran, um am Text zu feilen. Derweil sind in jüngster Zeit Comedy-Darbietungen, oftmals von professionellen Künstlern, im Karneval auf dem Vormarsch. Da regiert dann der Spaßfaktor, lokale Gags geraten demgegenüber ins Hintertreffen. Ein Büttenredner will, wie Klöpfer erklärt, mit seinem Beitrag etwas aussagen, er versucht, den Zeitgeist und den Nerv zu treffen, anders als dies bei den Witzen und Kalauern im Comedy-Bereich der Fall ist. Er resümiert: „Leider ist der hintergründige Vortrag anstrengender zu verfolgen und daher eher ein ausklingendes Kulturgut. Trotzdem macht es Spaß, den Leuten den politischen Spiegel vorzuhalten, und es gibt sie noch, die das gerne sehen und hören wollen.“

Neben seinen eigenen Büttenreden schreibt Klöpfer auch die Texte für Carina Häußermann. Die zwölfjährige Nachwuchsrednerin, die schon als Fee und als Weihnachtselfe aufgetreten ist, steht in diesem Jahr zum vierten Mal in der Bütt. Darüber hinaus fungiert Klöpfer als Ordensratsvorsitzender und kümmert sich als solcher einerseits um die Auszeichnungen für verdiente Vereinsmitglieder und andererseits um den jeweiligen Jahresorden. Zudem hat er die noch junge Brauchtumsgruppe der Backemer Träppler Buaba aufgebaut, die an das historische Gerberhandwerk in Backnang erinnert. Der 55-Jährige, ein Backnanger durch und durch, auch wenn er in Auenwald lebt, unterstreicht: „Was wir machen, ist ganz nah dran an der Stadt und an der Stadtgeschichte.“

Warten auf den Einsatz: Hellebarde und Laterne, die Nachtwächter-Requisiten. Foto: privat

© Horst Klöpfer

Warten auf den Einsatz: Hellebarde und Laterne, die Nachtwächter-Requisiten. Foto: privat

Info
Fasching in Backnang

Der Backnanger Karnevals-Club (BKC) lädt am Faschingswochenende zu Veranstaltungen ein. Zwei große Prunksitzungen finden am Freitag, 1., und Samstag, 2. März, jeweils um 19.33 Uhr statt.

Am Faschingssamstagmorgen werden die Karnevalisten um 11.11 Uhr auf dem Närrischen Wochenmarkt von OB Frank Nopper und dem Stadtmarketing empfangen. Anschließend ziehen sie durch die Stadt.

Am Faschingssonntag um 14.33 Uhr bittet der BKC gemeinsam mit dem Seniorenbüro zur Seniorenprunksitzung.

Am Rosenmontag, 4. März, ab 14 Uhr können die kleinen Faschingsfreunde bei der Faschingsparty der Stadt Backnang und des BKC in der Stadthalle feiern.

Am Aschermittwoch nehmen Aktive und Freunde des BKC bei der Geldbeutelwäsche am Gänsebrunnen vorm Rathaus ab 18.11 Uhr Abschied von der Kampagne.

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Erstellt:
28. Februar 2019, 06:00 Uhr

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