„Der Nervenkitzel nimmt zu“

Abituraufgaben müssen künftig an den Gymnasien ausgedruckt werden – Schulleiter bereiten sich auf mehr Aufwand vor

Die Haltung der Direktoren an den Gymnasien im Raum Backnang reicht von Gelassenheit bis Nervosität, wenn es um das Abitur in diesem Jahr geht. Die Abiaufgaben in manchen Fächern sollen die Schulen per USB-Stick zum anschließenden Selbstausdrucken erhalten. An den Gymnasien löst diese Neuerung unterschiedliche Reaktionen aus.

Ein mannshoher Tresor für einen USB-Stick: Wenn der Datenträger das Backnanger Tausgymnasium wenige Tage vor Prüfungsbeginn per Post erreicht, sperrt ihn Schulleiter Udo Weisshaar bis zum Prüfungstag hier ein. Selbst wenn der Tresor aufgebrochen würde, kämen die Diebe nicht an die Daten, da diese verschlüsselt sind. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Ein mannshoher Tresor für einen USB-Stick: Wenn der Datenträger das Backnanger Tausgymnasium wenige Tage vor Prüfungsbeginn per Post erreicht, sperrt ihn Schulleiter Udo Weisshaar bis zum Prüfungstag hier ein. Selbst wenn der Tresor aufgebrochen würde, kämen die Diebe nicht an die Daten, da diese verschlüsselt sind. Foto: A. Becher

Von Nicola Scharpf

BACKNANG. In dieser Woche haben 40 Gymnasien in Baden-Württemberg die elektronische Übermittlung der Abituraufgaben getestet – eines davon ist das Murrhardter Heinrich-von-Zügel-Gymnasium, an dem dieses Jahr voraussichtlich 47 Schüler ihr Abitur schreiben. Direktor Henning Zimmermann sieht nach dem Probelauf keine Probleme. Es habe alles gut geklappt. „Ich bin tiefenentspannt und möchte das Signal senden, dass wir das selbstverständlich hinbekommen.“ Beim Testlauf hat die Schule per Post einen USB-Stick mit den verschlüsselten Abituraufgaben zugeschickt bekommen. Anschließend wurden die Codes entschlüsselt und die Aufgaben ließen sich in der Schule ausdrucken. Der Probedurchgang soll unter anderem Aufschluss darüber geben, was es für einen zeitlichen Aufwand bedeutet, die Dateien zu entschlüsseln. Das HvZG hat für den Versuch klare Handreichungen bekommen und im Nachgang die Möglichkeit, Rückmeldung zu geben.

Das Selbstausdrucken der Aufgaben sieht das Kultusministerium in diesem Jahr für die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch vor. Wenige Tage vor dem Prüfungsbeginn am 30. April bekommen die Gymnasien den Datenträger – anstelle, wie bisher, bereits ausgedruckter Prüfungsaufgaben. Das Ziel dieser Neuerung ist für Zimmermann klar: Man will einen anderen Weg beschreiten, um das Risiko, dass Prüfungsaufgaben durch Unbefugte schon vor Prüfungsbeginn zugänglich gemacht werden, zu verringern. „Das minimiert das Risiko, Opfer widriger Umstände zu werden“, sagt der Schulleiter und erinnert an Fälle in den zurückliegenden zwei Jahren, als Aufgaben kurzfristig ausgetauscht werden mussten, weil in Schulen in Stuttgart und Goslar (Niedersachsen) eingebrochen worden war.

Die Verantwortung belastet den HvZG-Rektor nicht

Zimmermann versteht nicht, warum das Thema zum Aufreger wird. Es ärgert ihn, dass durch die Diskussion die Gefahr entsteht, dass die Abiturienten verrückt gemacht werden. „Was ist denn die Alternative?“, fragt er. Aus Sicht der Schüler betrachtet, stelle das Ausdrucken durch die Schule selbst sicher, dass auch die Aufgaben, die für die geeignetsten befunden wurden, die Schüler erreichen. Die Verantwortung des Selbstausdruckens belastet den Direktor nicht: „Klar kann mal ein Gerät defekt sein. Aber es ist extrem unwahrscheinlich, dass alle ausfallen.“ Auch das Argument, das Kultusministerium würde Kosten für Papier und Druck an die Schulen abgeben, lässt er nicht gelten. Zimmermann hat ausgerechnet, dass an seiner Schule durch das Ausdrucken der Abituraufgaben 0,3 Prozent mehr Kosten beim jährlichen Papieraufkommen entstehen.

Einen Plan B haben die Schulleiter sich schon zurechtgelegt

Ähnlich unaufgeregt sieht Karl Hansmann vom Bildungszentrum Weissacher Tal, wo 37 Schüler kurz vor ihren Abiprüfungen stehen, die Debatte. Ja, durch das Ausdrucken entstehe ein gewisser Mehraufwand. Ja, ein Teil der Arbeit und Kosten werde vom Land auf die Schulträger abgegeben. Und ja, die Neuerung bringe einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor mit sich. „Aber das ist nichts, was mich belastet. Es ist Aufgabe der Schulleitung und des Sekretariats, das hinzubekommen.“ Wenn es am Prüfungstag morgens zeitliche Verzögerungen gibt, „dann fangen wir eben 15 Minuten später an“. Plan B für den Fall, dass die Drucker am Bize am Prüfungstag streiken, seien die Backnanger Gymnasien. Der Interimsschulleiter betrachtet es allerdings als Nachteil für die Schüler, dass sich der Prüfungsbeginn insgesamt um eine Stunde nach hinten verschiebt – auf 9 Uhr. Vor allem im Fach Deutsch, der längsten Prüfung, schreiben die Abiturienten dann noch stärker in die Mittagspause hinein. Hansmann rät den Jugendlichen, das in der Abiturvorbereitung zu trainieren, um zur Mittagszeit eben nicht in ein Konzentrationsloch zu fallen.

Udo Weisshaar vom Backnanger Tausgymnasium stellt sich darauf ein, dass es am Prüfungstag „morgens ziemlich hektisch“ werden wird. Ab 6 Uhr werden er, seine Stellvertreterin und die drei weiteren Mitglieder des Schulleitungsteams die Codes zum Entschlüsseln der Aufgaben entgegennehmen und mit dem Ausdrucken sowie Zusammenstellen der Unterlagen für die rund 45 Abiturienten beginnen. Was passiert, wenn am Tausgymnasium die Drucker nicht funktionieren, ist schon entschieden: Dann wird in der Gemeinschaftsschule in der Taus gedruckt. Andere Fragen sind laut Weisshaar noch nicht geklärt – zum Beispiel, wer befugt ist, die Aufgaben zu heften, ob das etwa das Sekretariat übernehmen darf; oder wie das Prozedere mit der Waldorfschule Backnang sein wird, wo jedes Jahr ein Vertreter der Taus-Schulleitung beim Abitur anwesend ist. Abgesehen davon, dass das Selbstausdrucken ein „wesentlich höherer Aufwand“ ist, sieht der Schulleiter auch, dass das Kultusministerium die Verantwortung für den Druck auf die Schulen verlagert. „Der Nervenkitzel nimmt zu“, sagt Weisshaar. Besser wäre, die Aufgaben schon am Vortag ausdrucken zu können. Aber dann? Müsste der Direktor als Wachmann vor dem Schultresor nächtigen? Ein Urteil, ob das neue Verfahren besser ist als das alte Vorgehen, möchte der Schulleiter noch nicht abgeben. „Dafür müssen wir es erst einmal durchexerzieren.“

Eine Einschätzung vom Backnanger Max-Born-Gymnasium liegt nicht vor, da sich die Schule auf Anfrage nicht geäußert hat.

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Erstellt:
8. Februar 2019, 06:00 Uhr

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