Satiremagazin am Kiosk

Der „Postillon“ startet eine Druckausgabe – und meint es ernst

Während die „taz“ ihre tägliche Printausgabe einstellt, sucht jetzt das Online-Satiremagazin „Postillon“ sein Glück am Zeitungskiosk.

Darauf haben viele gewartet: der Postillon kommt an die Kioske.

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Darauf haben viele gewartet: der Postillon kommt an die Kioske.

Von Eberhard Wein

Die Schlagzeilen der gedruckten Erstausgabe lesen sich schon einmal vielversprechend: „Irak marschiert in USA ein, um Amerikanern Demokratie zu bringen“ – „Wir müssen mehr arbeiten: Merz fordert Acht-Tage-Woche!“ Und sein Unionsfraktionschef Jens Spahn hat sogar einen sehr anrührenden Gastbeitrag verfasst – angeblich jedenfalls: „Wer noch nie 3,1 Milliarden Euro Steuergeld verschwendet hat, der werfe den ersten Stein.“

Das bisher nur im Internet zugängliche Satiremagazin „Postillon“ lügt neuerdings also wie gedruckt. Seit dieser Woche ist es deutschlandweit an den Kiosken erhältlich. Die Nachricht klingt selbst wie Satire. Denn eigentlich läuft der Trend auf breiter Front in die gegenteilige Richtung. Gerade erst hat die Berliner „taz“ als erste überregionale Tageszeitung ihre Printausgabe aus Kostengründen eingestellt. Nur am Samstag gibt es noch ein Exemplar im Papierformat, ansonsten werden die Inhalte im Internet verschenkt. „Seitenwende“ heißt das Projekt, was durchaus passend auf den tiefgreifenden Wandel auf dem weltweiten Zeitungsmarkt anspielt.

Klappt das? Der Postillon hat keine Ahnung

Die „taz“ hat sich den Schritt gut überlegt. Als linke Zeitung hofft sie, dass ihre Leserschaft sie schon aus Solidarität nicht hängen lässt und eifrig spendet. Der „Postillon“ hingegen hat keine Ahnung, ob sich die künftig monatlich erscheinende Printausgabe rechnen wird. Marktforschung habe man jedenfalls nicht betrieben, räumt Chefredakteur und Gründer Stefan Sichermann ein. Doch die Gelegenheit sei günstig. Druckereien suchten händeringend nach Aufträgen. 5000 Interessenten haben bereits ein Abo für 4,98 Euro pro Heft abgeschlossen. Das ist ein Cent günstiger als am Büdchen. Beim „Postillon“ ist man sicher: Print lebt. Und das Internet? Ist nur ein vorübergehender Trend, der allen längst auf die Nerven geht.

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Erstellt:
29. Oktober 2025, 12:28 Uhr

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