Der Rote Mond über Schöntal

Auf dem Biohof Adrion in Mittelschöntal werden auf herkömmliche Weise mit viel Zeit und Beobachtungsgabe Äpfel gezüchtet. Seit etwa fünf Jahren gibt es eine außergewöhnliche Züchtung von robustem Charakter auf dem Hof.

Seit etwa fünf Jahren gibt es den Roten Mond auf dem Hof Adrion. Die alte und robuste Sorte hat einen recht säuerlichen Geschmack und wird gewöhnlich erst im Oktober geerntet. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Seit etwa fünf Jahren gibt es den Roten Mond auf dem Hof Adrion. Die alte und robuste Sorte hat einen recht säuerlichen Geschmack und wird gewöhnlich erst im Oktober geerntet. Fotos: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

BACKNANG. Zahlreiche Reihen mit Apfelbäumen und auch einigen Birnbäumen erstrecken sich über das 15 Hektar große Gelände. Man ist schon mitten in der Ernte, die Helfer sind eifrig dabei, die rotbackigen Früchte zu pflücken. Drei- bis viermal wird ein Erntedurchgang gemacht, erklärt Biobauer Georg Adrion, damit auch nur Früchte, die kurz vor der optimalen Erntereife stehen, abgeerntet werden. Inmitten der säulenförmigen Bäumchen von Malus domestica, wie der allgemeine wissenschaftliche Name des Kulturapfels lautet, sticht eines besonders hervor. Denn seine Früchte haben nicht nur rote Bäckchen, sondern leuchten in einem tiefen dunklen Schneewittchenrot. Adrion schneidet ein Exemplar auf – das Fruchtfleisch ist ebenfalls rot gefärbt. Außergewöhnlich! Selbst das Holz leuchtet rötlich-violett, wie der Längsschnitt durch einen Zweig zeigt.

„Der Roter-Mond-Apfel ist eine russische Züchtung“, erklärt der Landwirt und führt aus, dass im früheren Ostblock im Gegensatz zu westlichen Züchtern bei Obstzüchtungen nicht so großer Wert darauf gelegt worden sei, ob das entwickelte Obst weltmarkttauglich sei, sondern dass man die eigenen Länder im Fokus gehabt habe. Dadurch wurden ganz andere Sorten kultiviert, wie beispielsweise der Topaz, ursprünglich in Tschechien entwickelt, der mittlerweile auch in Deutschland sehr bekannt ist. Adrion baut diesen ebenfalls an und lobt die guten Eigenschaften dieser Sorte, die saftig, knackig und süß-säuerlich schmeckt.

Georg Adrion offenbart das Innere des Roten Mondes.

© Alexander Becher

Georg Adrion offenbart das Innere des Roten Mondes.

Doch zurück zum Roten Mond. Die alte und robuste Sorte hat einen recht säuerlichen Geschmack und wird gewöhnlich erst im Oktober geerntet. Für Adrion ist er durch die schöne Farbe und Zeichnung des Fruchtfleischs perfekt für Apfelchips. In seinem Ursprungsland wird er auch als Mostapfel und für Saft genutzt. Verantwortlich für die rote Farbe sind die Anthocyane, die für die Reife des Obsts zuständig sind. Je mehr Sonne die Äpfel bekommen, desto kräftiger die Farbe. Seit etwa fünf Jahren gibt es den Roten Mond auf dem Hof. „Ich spiele gern rum“, erklärt Georg Adrion, warum er sich so intensiv mit dem Thema Apfel- und auch Birnenzüchtung befasst. Alles ohne Gentechnik, selbstverständlich. Sein Hof ist Mitglied des Vereins Apfel-Gut und auch beim Projekt EIP (europäisches Innovationsprojekt) des Landes Baden-Württemberg dabei. Ziel ist es, neue Sorten zu finden, die ökologisch einfacher anzubauen sind. Das Besondere dabei ist, dass dies nicht in abgeschirmten Laboren unter künstlichen Bedingungen stattfindet, sondern dass Praktiker, die Landwirte, gemeinsam mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten und sich somit praktisches Wissen und jahrelange Erfahrung mit theoretischen Erkenntnissen ergänzen.

„Wir bringen die Vitalität alter Sorten in die modernen Sorten ein.“

Obstsorten werden auf herkömmliche Weise weiterentwickelt, gekreuzt, veredelt, selektiert. Das dauert natürlich seine Zeit. Ähnlich ist es beim Verein Apfel-Gut. Auch hier werden neue Sorten entwickelt, die geeignet sein sollen für den ökologischen Landbau und bei denen weitgehend auf Pflanzenschutzmittel, selbst wenn es ökologisch ist, verzichtet werden kann – unabhängig von den großen Saatgutkonzernen. Das Konzept nennt sich „partizipative ökologische Züchtung“. Dabei werden verschiedene Sorten miteinander gekreuzt und die entstandenen Pflanzen je nach Aussehen weiterentwickelt oder selektiert. Der Anspruch von Apfel-Gut: „Wir bringen die breite genetische Basis und die Vitalität alter Sorten in die modernen Sorten mit ein, die durch den hohen Inzuchtanteil einiger weniger Sorten zum Teil sehr krankheitsanfällig geworden sind. Damit wollen wir durch unsere Züchtung Biodiversität erhalten und erhöhen, denn nur diese schafft langfristigen Züchtungsfortschritt.“

Die neuen Äpfel, die die vorigen Selektionsstufen überstanden haben, werden schließlich verkostet. „Das muss man sich vorstellen wie bei einer Weinprobe“, erläutert Adrion. Fachleute, sogenannte Pomologen, begutachten die Früchte, beurteilen Farbe, Größe, Geschmack.

Diese Neuentwicklung findet Adrion spannend und er probiert Verschiedenes aus. So werden etwa bei einigen „Versuchsreihen“ Heckenpflanzen dazugesetzt, um neue Impulse zu geben. Oder auch der Wildapfel Malus floribunda, der sich durch hohe Resistenzen auszeichnet. „Wildformen haben sehr gute und leistungsstarke Pollen“, erläutert er. Zwischen den Baumreihen erkennt man – mittlerweile abgemulchte – Blühstreifen.

Die Blumenpollen bieten vielen Insekten ein abwechslungsreiches und lange verfügbares Nahrungsangebot, was die Biodiversität in der Obstanlage fördert. Besonders wichtig ist, dass man der Neuentwicklung Zeit lässt. „Heutzutage soll innerhalb kürzester Zeit ein wirtschaftliches Ergebnis erzielt werden, dabei gibt es in der Landwirtschaft ganz andere Zeitdimensionen“, kritisiert der überzeugte Biolandwirt. „Zudem orientiert sich die Wertschätzung für Nahrungsmittel meistens am Preis.“ Und das gehe auf Kosten von Erzeugern und Verarbeitern.

Denn die Regionalität werde so wenig berücksichtigt. „Die Landwirtschaft ist ein Kulturgut, man weiß, dass die alten Hochkulturen genau darauf aufgebaut haben. Und heutzutage ist das eher umgekehrt. Dabei braucht man immer Nahrungsmittel“, gibt er zu bedenken. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Georg Adrion sich, wenn auch leicht schmunzelnd, als Kulturschaffenden sieht.

Rheingauer Riesling-Torte

Rezept aus: Eckart Brandt. Mein großes Apfelbuch. Alte Apfelsorten neu entdeckt. Geschichten, Anbau, Rezepte... Bassermann, München, 2008

Für den Mürbteig

125 Gramm Butter

125 Gramm Zucker

250 Gramm Mehl

1 Ei

1 Päckchen Backpulver

Für den Belag

1 bis 1,5 Kilogramm Äpfel

0,75 Liter Riesling

250 Gramm Zucker

2 Päckchen Vanillezucker

2 Päckchen Vanillepuddingpulver

500 Gramm Sahne

Einen Mürbteig herstellen und etwa eine halbe Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Danach Boden und Rand einer Springform damit belegen. Die Äpfel schälen, entkernen, würfeln und auf den Teig geben. Vom Wein etwa 100 ml abnehmen und das Puddingpulver darin einrühren. Den übrigen Wein mit dem Zucker und dem Vanillezucker aufkochen. Von der Kochstelle nehmen, das eingerührte Puddingpulver hineingeben und unter Rühren kurz aufkochen lassen. Die fertige Masse heiß über die Äpfel geben. Bei 175 Grad (Umluft) 50 bis 55 Minuten backen. In der Kuchenform gut auskühlen lassen, die Apfelfüllung sinkt noch etwas ein. Sahne sehr steif schlagen und über den Kuchen streichen.

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Erstellt:
8. Oktober 2020, 06:00 Uhr

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