Der Ruf nach Tempo 100 bleibt ungehört
Behörden sehen keine Notwendigkeit für eine strengere Geschwindigkeitsbegrenzung auf den vierspurigen Bundesstraßen

© Pressefotografie Alexander Beche
Tempo 100 auf der vierspurigen B14 wie vor dem Leutenbachtunnel reicht allemal: Das findet die SPD-Kreistagsfraktion. Für ein generelles Limit auf den komfortabel ausgebauten Bundesstraßen im Kreis gibt es aber bislang keine Veranlassung, sagen dagegen die Behörden. Foto: A. Becher
Von Armin Fechter
WAIBLINGEN. Die SPD-Kreistagsfraktion ist mit ihrer Forderung nach Tempo 100 auf den vierspurigen Bundesstraßen gescheitert. Zumindest vorerst: Für eine entsprechende Geschwindigkeitsbegrenzung sehen die Behörden keine Notwendigkeit. Eine Ausnahmesituation, die dies rechtfertigen würde, liege nicht vor, beschied Landrat Richard Sigel gestern die Sozialdemokraten. Die sind jedoch nach wie vor davon überzeugt, dass man mit einer etwas gedrosselten Fahrweise den Umweltzielen ein gutes Stück näher käme – und das ohne allzu große Zeitverluste, wenn man beispielsweise die Strecke von Plüderhausen bis Fellbach ansetzen würde, wie dies SPD-Fraktionschef Klaus Riedel jetzt tat. Ihm blieb nach dem jüngsten Vorstoß die lapidare Erkenntnis: „Man will halt nicht.“
Die Fraktion hatte das Thema in ihrer Stellungnahme zum Kreishaushalt 2019 angebracht: Auf den vierspurig ausgebauten Strecken von B29 und B14 solle ein generelles Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde eingeführt werden. Zudem plädierte die Fraktion dafür, auch in den Tunnels die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu reduzieren, nämlich auf 80 Kilometer pro Stunde, und regelmäßige Kontrollen durchzuführen. Klaus Riedel erklärte dazu in seiner Haushaltsrede: „Zu einer Verkehrs- und Energiewende gehören aus unserer Sicht auch Tempolimits auf unseren Bundesstraßen. Wir wollen die Anliegerkommunen in ihrem Wunsch nach mehr Verkehrssicherheit, nach weniger Lärm und besserer Luft unterstützen und fordern die Landkreisverwaltung auf, sich entlang der B14 und der B29 für Tempo 100 einzusetzen.“
Die Kreisverwaltung hat diese Aufforderung, die von der Fraktion mit einem Antrag untermauert wurde, aufgegriffen und das Anliegen ans Regierungspräsidium Stuttgart weitergeleitet. Dies, weil bei der Entscheidung über eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Bundesstraßen das RP zu beteiligen ist. Denn dieses ist die „höhere Verkehrsbehörde“ und die Fachaufsicht für den Landkreis als „untere Verkehrsbehörde“.
Weiter führt das Landratsamt dazu grundsätzlich aus: Für die Planung einer Bundesfernstraße werde eine Entwurfsgeschwindigkeit zugrunde gelegt. Sprich: Für das Fahren mit diesem Tempo soll die Strecke am Ende taugen. Und in der Regel werde die Entwurfsgeschwindigkeit nach dem Ausbau einer Strecke auch verkehrsrechtlich angeordnet. Abweichungen davon seien nur in Ausnahmefällen zulässig. Im Fall der vierspurig ausgebauten Abschnitte der B14 und der B29 beträgt die Entwurfsgeschwindigkeit 120 Kilometer pro Stunde. Das entspricht bis heute auch den bestehenden Limits auf weiten Streckenabschnitten.
Eine weitere Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeit ist laut Landratsamt dann möglich, wenn beispielsweise aufgrund örtlicher Verhältnisse eine besondere Gefahrenlage besteht. Das ist der Fall, wenn die Gefahr das allgemeine Risiko im Straßenverkehr „erheblich übersteigt“. Um dies zu prüfen, hat die Kreisverwaltung beim Polizeipräsidium Aalen ein aktuelles Unfalllagebild entlang der B14 und der B29 angefordert. Die Auswertung ergab dann keine Auffälligkeiten in den auf 120 Kilometer pro Stunde beschränkten Teilabschnitten im Vergleich zu den stärker reduzierten Streckenstücken. Fazit: „Es besteht somit keine besondere Gefahrenlage.“
Grenzwerte für Lärm oder Luftschadstoffe nicht überschritten
Eine andere mögliche Grundlage, die zulässige Geschwindigkeit herabzusetzen, bietet das Immissionsschutzrecht. Werden die gesetzlich definierten Grenzwerte für Luftschadstoffe oder Lärm überschritten, muss der Straßenbaulastträger – das ist bei Bundesstraßen im Prinzip der Bund – Abhilfe schaffen. Dazu ist er gesetzlich verpflichtet. Aber für die fraglichen Abschnitte der B14 und der B29 liegen dem Regierungspräsidium derzeit keine Erkenntnisse vor, dass Grenzwerte überschritten würden.
In den Ohren des SPD-Fraktionsvorsitzenden klangen diese Ausführungen freilich „wenig ambitioniert“. Klaus Riedel gab sich sichtlich enttäuscht, er hatte da anderes erwartet. Er zeigte sich überzeugt, dass die Ziele im Umwelt- und Klimaschutz mit einer anderen Straßenverkehrspolitik eher zu erreichen wären – ganz abgesehen davon, dass er es unsinnig findet, wenn Autofahrer „alle paar Kilometer eine andere Geschwindigkeit“ vorgeschrieben bekommen.
Jürgen Hofer (FDP/FW) sah sich derweil an Diskussionen erinnert, die auch vor Jahrzehnten schon geführt wurden. Ihn ärgert besonders, dass je nach politischer Abgrenzung zwischen Landkreisen, Regierungsbezirken und Ländern andere Regelungen praktiziert werden: „Man braucht eine einheitliche Rechtsgrundlage“, forderte er – ganz im Sinne auch von Albrecht Ulrich (Freie Wähler), der ebenfalls Einheitlichkeit anmahnte: „Wir sind aber nicht zuständig. Wir können nur hoffen, dass es die Politik mal ändert.“