Der schwäbische Dialekt als Kulturgut

Bürgerpreis 2023 Die schwäbische Mundart muss bewahrt werden und braucht eine Bühne, sagt Albert Dietz. Darum organisiert er in Backnang für junge oder unbekannte Künstler Veranstaltungen mit Kabarett, Musik oder Schauspiel.

Johannes F. Kretschmann und Elena Seeger gaben ihre Mundartkünste bei einem Auftritt im Juli in der Ölmühle in Backnang zum Besten. Organisator Albert Dietz (hinten links im grauen Poloshirt) freut sich über ein volles Haus. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Johannes F. Kretschmann und Elena Seeger gaben ihre Mundartkünste bei einem Auftritt im Juli in der Ölmühle in Backnang zum Besten. Organisator Albert Dietz (hinten links im grauen Poloshirt) freut sich über ein volles Haus. Foto: Tobias Sellmaier

Von Carolin Aichholz

Backnang. Vom Endaklemmer bis zum Lällabebbl kennt das schwäbische Wörterbuch für jeden Charakterzug und jede Lebenslage mindestens einen zutreffenden Begriff. Diesen wunderschönen Dialekt zu schützen und weiterzutragen, hat sich der Backnanger Albert Dietz zur Aufgabe gemacht. Dazu lädt er unter der Flagge des Schwäbischen Albvereins Backnang verschiedene Künstler ein, deren künstlerische Darbietungen mit der hiesigen Mundart in all ihren unterschiedlichen Ausprägungen zu tun haben.

Die Vielfalt der Dialekte hat Albert Dietz schon immer fasziniert, doch bereits als junger Mensch hat er die Erfahrung gemacht, dass der Dialekt die Menschen zwar verbinden, aber ebenso auch ausgrenzen kann. „Ich komme selbst vom Mainhardter Wald, mein Dialekt grenzte darum schon ans Hohenlohische. Dafür habe ich mich hier dann schon fast ein bisschen geschämt“, gibt er heute zu. Also war er stets bemüht, sich anzupassen, erst Jahre später bemerkte er, dass es keinen Grund dafür gab. „Man darf doch ruhig hören, woher ein Mensch kommt, das ist doch toll.“

Viele Ortsgruppen der Schwäbischen Albvereine pflegen die Tradition der Mundartstammtische schon lange. Als Vorsitzender der Backnanger Ortsgruppe startete auch Albert Dietz 2003 eine Reihe an Veranstaltungen mit Mundartkünstlern. „Mein Ziel war es schon immer, unbekannteren Künstlern, die am Anfang ihrer Karriere stehen, im kleinen Rahmen ein bisschen Starthilfe zu geben.“

Für die Auswahl seiner Künstler scheint er ein Händchen zu haben, auch wenn er sie selten live sehen konnte, bevor er sie bucht. „Es kam wirklich noch nie vor, dass ich selbst von den Künstlern enttäuscht war oder schlechtes Feedback von Zuschauern bekommen habe.“ Er weiß mittlerweile auch, worauf er bei der Auswahl achten muss. „Mundart hört sich manchmal derb an, aber es muss ein gewisses Niveau haben, also nichts unter der Gürtellinie, das ist schon mein Anspruch.“

Für jeden soll etwas dabei sein

Um verschiedene Geschmäcker zu bedienen, achtet Albert Dietz stets auf eine gute inhaltliche Mischung der Veranstaltungen. „Mundart kann ja nicht nur durch Sprache oder Musik, sondern auch durch Schauspiel ausgedrückt werden und hat einfach sehr viele Facetten. Auch die Themenauswahl ist wahnsinnig breit gefächert.“

Im Mai reiste man in der Heininger Dorfscheuer mit dem Duo Tanja Weiss und Robert Kast auf „Schwäbisch durch die 80er-Jahre“. Viele Popsongs wurden im Dialekt umgedichtet. Das war ein rundum gelungener Abend, erinnert sich Albert Dietz. Die Heininger Landfrauen haben für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt.

Das Vereinsjubiläum wurde im letzten Jahr in einem Festzelt in Strümpfelbach gefeiert, da trat dann auch die Kabarettistin Helga Becker vor rund 400 Zuschauern auf. „So viele Menschen damit zu begeistern, ist natürlich auch eine tolle Sache“, sagt Albert Dietz, der trotzdem immer noch die kleineren und persönlichen Auftritte zu schätzen weiß. „Da beeinflusst das Publikum direkt die Show und es entstehen tolle und spontane Interaktionen.“

Bei der letzten Abendveranstaltung im Juli landete er gleich zwei Volltreffer: Johannes F. Kretschmann (Sprachwissenschaftler und Sohn des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann) und Elena Seeger waren zu Gast. Beide Künstler sind keine Unbekannten mehr, Elena Seeger bekam 2020 mit dem Sebastian-Blau-Preis eine Auszeichnung für schwäbische Mundartkünstler verliehen. Der Abend fand zur großen Freude von Albert Dietz Anklang, alle Plätze in der Ölmühle waren besetzt.

Abendveranstaltungen in der renovierten Ölmühle

Während seines Umzugs nach Backnang hat Albert Dietz die Ölmühle 1982 selbst renoviert und nutzt die Räumlichkeiten auch gerne für seine Abendveranstaltungen. „Dort ist allerdings nur Platz für maximal 40 Gäste, für große Veranstaltungen brauchen wir andere Räume und die Unterstützung anderer Vereine oder Lokale.“

Kooperationen mit anderen Vereinen in der Umgebung habe laut Albert Dietz dabei immer stets Vorteile gebracht. So wurde 2015 gemeinsam mit dem Verein Schwäbische Mundart ein Buch mit den Necknamen rund um Backnang herausgegeben, das auf humorvolle Art und Weise die Eigenheiten und geschichtlichen Hintergründe der verschiedenen Dörfer herausstellt. Wie etwa die „Ebersberger Kreuzköpf“, eine Anspielung auf die nach der Reformation evangelische Konfession der Bewohner, die dann jedoch durch einen Verkauf des Gebiets wieder per Gesetz Katholiken wurden, was einen langen Konflikt der Anhänger beider Konfessionen und dementsprechende Spottnamen zur Folge hatte.

Aus den Necknamen entstand 2020 ein Jahreskalender und das Theater Rietenau hat viele der Sketche szenisch dargestellt. Diese Videos sind auch heute noch auf Youtube und auf der Website des Backnanger Albvereins zu finden.

Der Gewinn des Bürgerpreises würde Albert Dietz mehr finanziellen Spielraum bei den Gagen der Künstler ermöglichen. „Momentan geht bei den Auftritten der Hut rum und wir verlangen keinen Eintritt.“

Damit hat er auch stets gute Erfahrungen gemacht, aber er erhofft sich natürlich auch weniger zahlungskräftige Menschen anzusprechen, wenn die Finanzierung gesichert wäre. Für ihn ist es der größte Lohn, wenn diese Abende bei den Zuschauern gut ankommen und alle eine gute Zeit haben. „Mir liegt die Mundart einfach am Herzen, es macht mir Spaß und ist mein Beitrag zum Erhalt der Kultur.“

Leserpreis In einer Serie stellen wir die zehn Kandidaten aus unserem Verbreitungsgebiet vor, die beim Bürgerpreis Rems-Murr für den Leserpreis der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung nominiert sind. Abstimmen für den eigenen Favoriten kann man vom 8. bis 17. September.
Der schwäbische Dialekt als Kulturgut

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Erstellt:
17. August 2023, 11:30 Uhr

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