EU-Parlament entscheidet
Der Streit um ein Verbot des „Veggie-Schnitzels“ ist zum Kulturkampf geworden
Das EU-Parlament will Bezeichnungen wie Veggie-Schnitzel verbieten. Der Streit lenkt von den echten Problemen der Bauern ab, kommentiert unser Korrespondent Knut Krohn.

© Marijan Murat/dpa
Sieht aus wie ein Schnitzel vom Schwein, ist aber pflanzlich. Nach dem Willen des EU-Parlaments müssen solche vegetarischen oder vegane Produkte in Zukunft anders bezeichnet werden
Von Knut Krohn
Ein Veggie-Schnitzel soll in Zukunft nicht mehr Schnitzel genannt werden dürfen. Es ist eine Entscheidung von fraglichem Mehrwert, dass sich die Mehrheit der Abgeordneten im Europaparlament für ein Verbot der geläufigen Bezeichnung ausgesprochen hat. Das geschehe für die Klarheit und zum Wohle der Konsumenten, argumentieren die Befürworter eines Verbots. Allerdings haben sich in der Vergangenheit im Supermarkt vor dem Kühlregal mit den vegetarischen Lebensmitteln keine Dramen um verwirrte Kunden abgespielt. Die Bürger reagieren auf das Auftauchen von Fleischalternativen offensichtlich mit größerer Gelassenheit als manche EU-Parlamentarier.
Die bekannten Bezeichnungen wie Schnitzel oder Burger haben sogar einen Vorteil: sie bieten den Käufern vegetarischer Produkte eine Orientierung, was deren Konsistenz und Verarbeitungsweise angeht. Jeder kann sich vorstellen, was ihn im Fall einer Veggie-Wurst erwartet, bei einem Soja-Röhrling ist schon etwas mehr Fantasie gefragt. Auch deshalb halten selbst große Lebensmittelketten die Entscheidung in Straßburg für falsch.
Der Kulturkampf um das Veggie-Schnitzel
Das Problem liegt aber tiefer: Der Streit um das Veggie-Schnitzel hatte sich zu einem regelrechten Kulturkampf hoch geschaukelt. Das war keine gute Entwicklung und die konservative EVP-Fraktion im Europaparlament, zu der auch CDU und CSU gehören, haben mit ihrem überraschenden Vorstoß den Landwirten einen Bärendienst erwiesen. Denn Europas Bauern kämpfen in diesen von Krisen geprägten Zeiten mit ganz anderen Problemen als mit einer Bezeichnung auf einer Wurstpackung. Die anstehenden Entscheidungen im Agrarbereich der EU hätten die Gelegenheit geboten, die dringend gebotene öffentliche Auseinandersetzung voranzutreiben, was Politik und Bürger von der eigenen Landwirtschaft erwarten. Das alles wurde aber verdrängt von zumeist ideologiegetriebenen Scheingefechten um die Veggie-Wurst.
Viele Landwirte kämpfen um ihre Existenz. Sie beklagen nicht nur niedrige Einkommen oder die Macht großer Einzelhändler, die ihnen unfaire Geschäftsbedingungen auferlegen. Auch die überbordende EU-Bürokratie und immer strenger werdende Umweltauflagen machen das Wirtschaften schwer und kompliziert. Die EU-Kommission hat aus diesem Grund den richtigen Weg eingeschlagen und will den Landwirten die Rahmenbedingungen für ihrem Arbeitsalltag erleichtern. Es gibt viele Stellschrauben, die in diesem Sinne nachjustiert werden können: so soll es mehr Flexibilität bei den Umweltauflagen geben oder auch vereinfachte Zahlungen für kleine bäuerliche Betriebe. Die Position der Landwirte in der Lebensmittelkette soll durch verbindliche Verträge und Schutzklauseln gestärkt werden. Ein zentraler Punkt im sogenannten Omnibus-Verfahren ist das Durchforsten der bürokratischen Vorgaben. Dieser Umbau muss zudem in der Gewissheit geschehen, dass die Landwirtschaft in Zukunft weniger Geld aus Brüssel zu erwarten hat.
Die EU plant Erleichterungen für Landwirte
Die Politik leistet sich einen überflüssigen Streit
Der hochemotionale, rechthaberische Streit um die Bezeichnung Veggie-Schnitzel macht wenig Hoffnung für die Bauern. Die Konservativen können nun zwar einen symbolischen Sieg feiern, haben damit aber die politische Atmosphäre in der EU weiter vergiftet. Das macht die anstehenden, sehr komplexen Verhandlungen hin zu fairen Marktbedingungen für Europas Landwirte noch schwieriger. Das letzte Wort in der Causa Veggie-Schnitzel haben zudem die EU-Mitgliedstaaten und es ist wahrscheinlich, dass diese Entscheidung von ihnen wieder abgeräumt wird. Der Erfolg könnte sich also als politischer Pyrrhussieg herausstellen – Verlierer wären die Landwirte.