Vermittlung im Ukraine-Krieg
Der türkische Vermittler
Der türkische Außenminister Hakan Fidan vermittelt im Ukraine-Krieg. Sein Ziel ist ein Gipfeltreffen in der Türkei.

© IMAGO/ITAR-TASS
Allein in den ersten sieben Monaten als Außenminister traf Hakan Fidan mehr als 70 Amtskollegen
Von Susanne Güsten
Es gibt nur wenige internationale Spitzenpolitiker, die innerhalb weniger Tage von Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj empfangen werden. Für den türkischen Außenminister Hakan Fidan nahmen sich der Kremlchef und der ukrainische Präsident vorige Woche beide Zeit. In Moskau und Kiew warb Fidan für eine Fortsetzung der Friedensverhandlungen in Istanbul. Russland sagte für Montag zu, die Ukraine zögerte am Sonntag noch mit ihrer Antwort. Der 58-jährige ist erst zwei Jahre im Amt, doch er hat großen Anteil am gewachsenen geopolitischen Gewicht der Türkei.
Für Präsident Recep Tayyip Erdogan ist Fidan schon seit Jahrzehnten unersetzlich. Fidan war lange Chef des türkischen Geheimdienstes MIT und ist einer der wenigen Politiker, die alles über Erdogan wissen. Seine Stärken liegen in seiner Loyalität zum Staatschef und seiner Diskretion – Erdogan nannte ihn einmal seine „Blackbox“.
Loyal an der Seite Erdogans
Der in Ankara geborene Fidan studierte Politik und begann seine Karriere bei der türkischen Armee, für die er zeitweise mit einer Nato-Einheit in Deutschland stationiert war. Nach Erdogans Machtantritt 2003 wurde er Chef der türkischen Organisation für Entwicklungshilfe und Berater des damaligen Ministerpräsidenten. Er beobachtete für die Türkei UN-Gespräche über das iranische Atomprogramm. Aus dieser Zeit stammten seine ersten internationale Kontakte, sagt Murat Yetkin, politischer Analyst in Ankara und Autor des Blogs „Yetkin-Report“.
Spätestens seit 2010 gehört Fidan zum engsten Kreis um Erdogan. Damals stieg Fidan zum MIT-Chef auf und behielt den Posten bis zu seinem Amtsantritt als Außenminister am 4. Juni 2023. Wie sehr Erdogan, inzwischen Staatspräsident, seinen Berater brauchte, zeigte sich 2015, als Fidan als Geheimdienstchef zurücktrat, um sich um ein Parlamentsmandat zu bewerben. Erdogan lehnte den Rücktritt ab und setzte Fidan wieder als MIT-Leiter ein.
Beim Putschversuch von unzufriedenen Offizieren und Anhängern des Predigers Fethullah Gülen gegen Erdogan im selben Jahr spielte Fidan eine Schlüsselrolle. Er bekam offenbar Wind von den Vorbereitungen und beriet sich mit dem damaligen Armeechef. Der Putsch scheiterte. Was Fidan genau wusste, ist bis heute unbekannt. In den Jahren darauf ließ er Dutzende Gülen-Anhänger im Ausland ergreifen und in die Türkei bringen. Ins Zwielicht geriet Fidan 2014 im Syrien-Konflikt. Gülen-Anhänger veröffentlichten den angeblichen Mitschnitt eines Gespräches, in dem der MIT-Chef anbot, mit fingierten Raketenangriffen auf türkisches Gebiet den Vorwand für eine türkische Intervention in Syrien zu liefern.
Diskreter Verhandler
Als Geheimdienstchef besorgte Fidan im 2018 nach der Ermordung des Dissidenten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat von Istanbul abgehörte Gesprächsmitschnitte des Killerkommandos, die Erdogan im Dauerstreit mit der saudischen Führung halfen. Vor drei Jahren brachte ein Vorschlag Fidans nach Medienberichten den Durchbruch im Streit um den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden.
Als MIT-Chef war Fidan nur selten in der Öffentlichkeit zu sehen, doch 2023 trat er mit seiner Ernennung zum Außenminister ins Rampenlicht. Für internationale Diplomaten sei Fidan schon damals kein unbeschriebenes Blatt mehr gewesen, sagte Yetkin unserer Zeitung. Der Minister, der perfekt Englisch spricht, konnte im neuen Amt viele ältere Kontakte auffrischen.
Gelegenheit dazu hat Fidan mehr als genug. Allein in den ersten sieben Monaten als Außenminister traf er mehr als 70 Amtskollegen und legte laut staatlichen Medien bei Auslandsreisen mehr als 200 000 Kilometer zurück – genug für fünf Erdumrundungen. Aus seiner Zeit als Geheimdienstchef hat sich Fidan ein zurückhaltendes Auftreten bewahrt. Er spricht relativ leise, was bei türkischen Politikern selten ist, und zeigt selten Emotionen.
Eigene politische Ambitionen sind bei Fidan nicht erkennbar. Türkische Medien und Oppositionspolitiker spekulieren hin und wieder darüber, dass der Außenminister eines Tages möglicherweise nach dem Präsidentenamt streben werde, doch weder Fidan noch Erdogan äußern sich dazu.
Der Minister ist dem Präsidenten treu ergeben und will mit seiner Ukraine-Initiative dazu beitragen, einen Traum des Staatschefs zu erfüllen: Bei seinen Gesprächen in Moskau und Kiew vorige Woche nannte Fidan als Ziel seiner Bemühungen ein Gipfeltreffen von Erdogan, Putin, Selenskyj und Donald Trump in der Türkei.