Zollstreit
Der Zollstreit ist beendet, die Fragen bleiben
Ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU ist abgewendet. Wie der Deal genau aussieht, ist allerdings noch immer unklar.

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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump besiegeln das Ende des Zollstreits. Doch auch danach bleiben viele offene Fragen.
Von Knut Krohn
Das Durcheinander in Sachen US-Zölle geht weiter. Deren Umsetzung wird nun überraschend noch einmal verschoben. Wie es in Washington heißt, werden die erhöhten Abgaben erst am 7. August fällig. Nach Angaben von US-Regierungsbeamten gelte dies auch für den Zollsatz von 15 Prozent auf EU-Einfuhren. US-Präsident Donald Trump hatte als Termin bisher den 1. August genannt. Nun heißt es aus dem Weißen Haus, man wolle sich mehr Zeit dafür lassen, die neuen Regeln umzusetzen.
Der Vertrag ist eher eine „informelle Übereinkunft“
Der Termin der Einführung ist nicht die einzige Unwägbarkeit bei diesem kürzlich in Schottland geschlossenen Rahmenvertrag zwischen der EU und den USA. Angesichts der vielen nicht geklärten Fragen sprechen Experten aber lieber von einer „informellen Übereinkunft“. Die Unsicherheiten beginnen bereits im entscheidenden Satz der Erklärung, die nach dem Schottland-Treffen verbreitet wurde: „Vom 1. August an werden die USA den Höchstzollsatz von 15 Prozent auf den Großteil der EU-Exporte anwenden.“
Doch was ist mit der „Großteil der EU-Exporte“ gemeint? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen räumte ein, dass noch nicht alle Details abschließend geklärt sind. Offen ist unter anderem, wie es mit den US-Stahl- und Aluminiumzöllen weitergeht, die Trump in den vergangenen Monaten auf 50 Prozent erhöht hatte. Aus EU-Kreisen wird betont, dass schnell über bestimmte Quoten für diesen Bereich verhandelt werde, die von den Zöllen ausgenommen seien. Das wird von US-Seite allerdings nicht bestätigt. Offensichtlich bleiben diese Zölle weiter in Kraft.
Viele Unsicherheiten bleiben bei den Arzneimitteln
Unklar ist etwa auch, ob es bei Arzneimitteln bei einem Zollsatz von 15 Prozent bleiben wird. Zum Problem könnte werden, dass Washington bestimmte Medikamente als bedeutsam für die nationale Sicherheit einstufen könnte. Das heißt, dass diese mit Extra-Zöllen belegt werden könnten. Donald Trump stellte für diesen Fall schon einmal die Zahl von 200 Prozent in den Raum.
Wie von Seiten der EU-Kommission erklärt wird, arbeite man an einer gemeinsamen Erklärung, in der die Unklarheiten ausgeräumt würden. Ausdrücklich betont wird allerdings, dass dieser Text kein rechtsverbindliches Dokument sein werde. Ansonsten wartet die Kommission offensichtlich schlicht ab, auf welche Produkte die USA die 15-prozentigen Zölle einführen. Wie Kommissionssprecher Olof Gill erklärt, gehe auch seine Chefin Ursula von der Leyen weiter davon aus, dass für einige Bereiche Ausnahmen gelten würden. Das seien „bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse“, Flugzeuge und deren Komponenten oder einige Chemikalien. „Der Ball liegt im Feld der Amerikaner“, sagt der Sprecher, in dieser Phase könne man nur abwarten.
Unsicherheit wegen zusätzlicher Vereinbarungen
Noch mehr Verwirrung gibt es um die Vereinbarungen, die zusätzlich zum Zoll-Abkommen verhandelt wurden. Die EU sichert nach Angaben des US-Präsidenten zu, in den kommenden drei Jahren für insgesamt 750 Milliarden US-Dollar Energie zu kaufen und zusätzlich 600 Milliarden US-Dollar in die USA zu investieren. Auch mehr Rüstungsgeschäfte soll es geben. Die Kommission hat in diesem Fall allerdings einen etwas anderen Blick auf die Dinge. Die Verpflichtungen seinen keinesfalls „rechtsverbindlich“ heißt es aus Brüssel.
Im Fall der Energie steht der Import von Flüssiggas (LNG) im Vordergrund, was einige grundsätzliche Fragen aufwirft. Der Grund: nach EU-Angaben beträgt die LNG-Exportkapazität der USA in Richtung Europa im Moment rund 90 Milliarden Dollar pro Jahr. Zweifelhaft ist, ob die USA in der Lage wären, diese Quote tatsächlich in kurzer Zeit drastisch zu erhöhen. Aus der Kommission wird betont, dass sie ihren Teil erfüllen werde. „Die EU verfügt über ausreichende Kapazitätsreserven, um zusätzliche LNG-Importe, auch aus den USA, aufzunehmen, um russische Gasimporte zu ersetzen“, heißt es in einer Mitteilung.
Negative Auswirkungen auf die US-Unternehmen
Aber auch die Aussage in Bezug auf die zusätzlichen Investitionen von 600-Milliarden-Dollar gibt Rätsel auf. Allein die Vorstellung, Brüssel könnte zum Beispiel Deutsche Unternehmen auffordern, in den USA zu investieren, ist eher abenteuerlich. Vermutet wird, dass sich die Summe etwa auf die Verteidigungsindustrie beziehen könnte, die durch bereits erteilte Aufträge und Ankündigungen dann allerdings schon zu einem guten Teil abgedeckt wäre. In diesem Bereich würde der Deal allerdings den Bestrebungen Europas entgegenlaufen, die militärische Abhängigkeit von den USA in den kommenden Jahren drastisch zu reduzieren. Denn sie war einer der Hauptgründe dafür, dass sich die EU von Donald Trump während des Zollstreits in dieser Weise erpressen lassen konnte.
Inzwischen zeigt es sich allerdings, dass die Zölle auch negative Auswirkungen auf US-Unternehmen haben. So hat der Autoriese Ford verkündet, dass ihn die Maßnahmen noch härter als erwartet treffen. Allein im vergangenen Quartal kosteten die Zölle Ford rund 800 Millionen Dollar. Ford produziere zwar rund 80 Prozent der Fahrzeuge in den USA, betonte Konzernchef Jim Farley beim US-Sender CNBC. „Aber wir importieren Teile von überall auf der Welt.“ Für die grundlegenden Materialien Stahl und Aluminium verdoppelte Trump die Einfuhrzölle zum Teil auf 50 Prozent. Ford versuche nun, das Weiße Haus zu einer Entlastung der US-Autobauer zu bewegen, sagte Farley. „Wir sind täglich in Kontakt.“ Das letzte Kapitel im Zollstreit ist also auf keinen Fall geschrieben.