Qualitätsoffensive Bahn AG
Deutsche Bahn startet großen Umbau
Vorstandschefin Palla will den Staatskonzern schlanker aufstellen. Sofortprogramme sollen das Reiseerlebnis rasch verbessern – doch der Weg wird lang.
© dpa/Oliver Berg
Die Bahn soll wieder pünktlicher werden.
Von Thomas Wüpper
„Neustart Bahn“ – als Evelyn Palla im 15. Stock des Berliner Bahntowers ans Rednerpult tritt, signalisiert schon die große Leuchtschrift am Bildschirm den Medienvertretern, dass frischer Wind wehen soll beim größten deutschen Staatskonzern, der zum schweren Sanierungsfall geworden ist. Die neue Chefin will die Deutsche Bahn AG schlanker, schneller und zuverlässiger machen und hat für ihr Konzept nun vom Aufsichtsrat grünes Licht bekommen: „2026 wird das Jahr des großen Umbaus“.
Dabei fängt die Südtirolerin ganz oben in der Zentrale am Potsdamer Platz an, die seit Jahren als überdimensioniert und abgehoben gilt. Eine bessere Bahn brauche „ein radikales Umdenken auf allen Ebenen“, betont Palla. Schon ab 1. Januar wird massiv verschlankt, die rund 3500 Mitarbeiter in den oberen Leitungsebenen sollen um 30 Prozent reduziert werden und von bisher 43 Resorts unter dem Vorstand noch 22 übrig bleiben. Die Zahl der Top-Führungskräfte wird demnach halbiert, auch die fünf Konzernbeauftragten werden zum Jahreswechsel überflüssig.
Es fallen Vorstandsposten weg
Im bisher achtköpfigen Konzernvorstand werden die Ressorts Technik sowie Infrastruktur aufgelöst, auch bei den Aktiengesellschaften DB Fernverkehr und DB Regio fallen Vorstandsposten weg. „Entscheidungen werden künftig mehr dezentral vor Ort und damit näher am Kunden getroffen“, so Palla, die mit diesem Führungsprinzip bereits den Regionalverkehr erfolgreicher aufgestellt hat. Man wolle „weg von der Entschuldigungs- und hin zur Entscheidungskultur“, erklärte die Managerin mit Blick auf die bisherigen Strukturen unter ihrem Vorgänger Richard Lutz, als Verantwortung oft hin- und hergeschoben und Ziele über viele Jahre reihenweise verfehlt wurden.
Der Umbau hin zur besseren Bahn werde „kein Bigbang, sondern ein Weg der vielen kleinen Schritte“, dämpft Palla allzu große Erwartungen auch in der Politik. Zu lange sei vor allem die Infrastruktur vernachlässigt worden. Man könne den Schienenverkehr nicht über Nacht verbessern, trotz der mehr als 20 Milliarden Euro vom Bund, die nächstes Jahr dafür fließen sollen. Es gebe damit aber nun „die echte Chance, die Bahn neu aufzustellen“.
Sofortprogramme zur Qualitätsverbesserung
Damit die Reisenden schnell etwas vom Neustart spüren, sollen rund 140 Millionen Euro in drei Sofortprogramme zur Qualitätsverbesserung bei DB Fernverkehr und DB Infra-Go fließen. Damit sollen der Komfort in der ICE-Flotte, die Information der Kunden zum Beispiel über Verspätungen sowie die Sicherheit und Sauberkeit an Bahnhöfen verbessert werden. Konkret: Mobile Reinigungsteams sollen auch während der Fahrt verstärkt unterwegs sein und Toiletten sowie Zuggastronomie zuverlässiger funktionieren.
Das bisherige Aktionsprogramm 3S wird zum Jahresende eingestellt. Zu den konkreten operativen Zielen in der neuen Planung äußerte sich Palla erst auf Nachfragen. Demnach müssen sich Zugreisende auch in den nächsten Jahren auf viele Verspätungen einstellen, solange mit vielen Baustellen und teils Vollsperrungen das Schienennetz modernisiert wird. Aktuell ist fast jeder zweite ICE mit mindestens sechs Minuten Verspätung unterwegs und teils viel mehr. Palla wäre daher schon froh, wenn die miserable Pünktlichkeitsquote zunächst bei zumindest 60 Prozent stabilisiert werden könnte.
Man halte aber selbstverständlich am Ziel fest, bis 2029 zumindest wieder 70 Prozent zu erreichen und damit die Vorgabe von Verkehrsminister Patrick Schnieder in dessen Agenda zu zufriedene Bahnkunden zu erfüllen.
Die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn wird künftig Chefinnensache: Eine „Qualitäts-Drehscheibe“ ist direkt bei Palla angesiedelt und wird alle zwei Wochen prüfen, ob die operativen Einheiten ihre Vorgaben einhalten. „Am Ende zählen die Ergebnisse“, betont die Managerin, die von ihren Teams mehr unternehmerisches Handeln einfordert. Baustellen und Umleitungen sollen künftig besser geplant und rechtzeitig in den Fahrplänen berücksichtigt werden.
Die lange Verlustphase seit Corona, in der die DB AG insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro Defizite eingefahren hat, soll gemäß Schnieders Agenda ab 2027 enden. Dann soll der Konzern auch unterm Strich erstmals wieder zumindest eine schwarze Null schreiben, sagte Palla auf Nachfragen unserer Redaktion. Das operative Ergebnis werde schon in diesem Jahr positiv sein und 2026 voraussichtlich sogar über der bisherigen Planung liegen. Zum größten Verlustbringer DB Cargo soll demnächst ein finales Sanierungskonzept vorliegen, um die wichtigste Güterbahn Europas wieder in die Spur zu bringen.
Palla bittet bei Stuttgart 21 um Geduld
Beim größten Problemprojekt Stuttgart 21 bittet Palla die Partner um Geduld. Nötig sei zunächst eine „lückenlose Aufklärung“, warum sich die von der DB für Ende 2026 versprochene Teileröffnung ein weiteres Mal verzögert, sagte Palla.
Nach Informationen unserer Redaktion durchforstet die Konzernrevision die internen Problemzonen. Man könne „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, betont die Managerin, die sich kommende Woche in Stuttgart mit Vertretern des Landes und der Stadt zur Krisensitzung trifft.
Einen neuen Termin für den S 21-Start wird der Konzern dabei nicht nennen, damit ist dem Vernehmen nach kaum vor dem Frühjahr zu rechnen.
Zu klären sei vor allem das weitere Vorgehen mit Hitachi. Der japanische Konzern soll die komplexe Digitalisierung des Bahnknotens besorgen, nachdem die Sparte des französischen Unternehmens Thales übernommen wurde, das die pünktliche Umsetzung nicht schaffte. Man müsse auch die Dimensionen der Aufgaben sehen, wirbt Palla um Verständnis: Es gehe bei Stuttgart 21 nicht nur um den Bau vieler Tunnels und eines Tiefbahnhofs, sondern auch um ein Pilotprojekt für den künftig größten digitalen Bahnknoten Europas.
