Deutsche BIG-Bobby-Car-Meisterschaft beim Bikepark in Großerlach

Ein völlig abgefahrenes Spektakel steht am Wochenende an: Beim Bikepark in Großerlach findet die deutsche BIG-Bobby-Car-Meisterschaft statt. Der amtierende Weltmeister ist auch dabei. Jeder kann mitfahren. Kinder ab drei Jahren starten auf verkürzten Strecken.

Das hohe Tempo von Steffen Lindemann ist wegen der kurzen Verschlusszeit, die Alexander Becher an seiner Kamera eingestellt hat, kaum zu erahnen. Und sein Visier hat der Profifahrer auf der Rennstrecke in Großerlach nur fürs Foto nach oben geschoben. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Das hohe Tempo von Steffen Lindemann ist wegen der kurzen Verschlusszeit, die Alexander Becher an seiner Kamera eingestellt hat, kaum zu erahnen. Und sein Visier hat der Profifahrer auf der Rennstrecke in Großerlach nur fürs Foto nach oben geschoben. Fotos: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Großerlach. „Die Karosserie des beliebten Kinderautos ist ergonomisch perfekt auf die Bedürfnisse der kleinen Fahrer und Fahrerinnen abgestimmt“, schreibt der Rutschautohersteller BIG über seinen Topseller Bobby-Car-Classic. Und über dessen Nachfolger Nero heißt es im Firmenkatalog: „Für kleine Fahrerinnen und Fahrer im Alter von ein bis fünf Jahren.“

Steffen Lindemann ist die Altersvorgabe wurscht. Der fast 40-Jährige legt sich waagerecht drauf auf seine Kinderrutsche, klemmt die Beine unters Lenkrad und donnert nur 20 Zentimeter über dem Asphalt flach wie ein Brett liegend den Hang hinunter. „So versuche ich, eine aerodynamische Lage hinzubekommen.“ Der nicht vorhandene Tacho würde jetzt etwa Tempo 80 anzeigen. „Mein Rekord sind 87 Stundenkilometer“, sagt der gelernte Schreiner stolz. Fügt aber noch hinzu: „Mein Ziel ist, mal die 90 zu knacken oder sogar die 100.“

Zugegeben, sein Downhill-Rutscher entspricht nicht mehr dem Original. Lindemann hat ihn den Wettbewerbsregeln entsprechend getunt. Allerdings nicht den Motor. Den gibt es beim „umweltfreundlichsten Auto des Jahres“, wie die Tageszeitung taz einst schrieb, gar nicht. Aber das Fahrwerk und die Achsen hat er modifiziert beziehungsweise verstärkt. Und wie bei Rennautos üblich kamen auch breite Schlappen für extreme Kurvenfahrten drauf. Profis nehmen dafür entweder Longboardrollen aus Vollgummi oder Luftreifen, die mit acht bis zehn bar Luftdruck gefahren werden. Wichtiger Unterschied zum Original: Die Räder verfügen alle über Kugellager.

Bobby-Cars haben keine Bremsen, gebremst wird nur mit den Füßen

Auch die Lenkung ist für die viel größere Belastung entsprechend umgerüstet. Und ganz wesentlich: Lindemann hat sein Bobby-Car aufgelastet. Durch montierte Bleiplatten wiegt es jetzt über 30 Kilogramm; zulässig sind in der Profiklasse 40. Andere gießen das Plastikauto mit Beton aus. Jeder hat seine Vorlieben und Tricks.

Kämpfen am Wochenende um Punkte (von links): Matteo Amend (9, startet in der Kinderklasse), Steffen Lindemann (38, Profiklasse) und Cleo Lindemann (14, Jugendklasse).

© Alexander Becher

Kämpfen am Wochenende um Punkte (von links): Matteo Amend (9, startet in der Kinderklasse), Steffen Lindemann (38, Profiklasse) und Cleo Lindemann (14, Jugendklasse).

Ob Profi- oder Kinderklasse – in einem Punkt sind alle Rutschautos gleich: Bobby-Cars verfügen über keine Bremsen. Gebremst wird ausschließlich mit den Füßen. Dafür hat er sich extra alte Lkw-Reifen so zuschneiden lassen, dass er diese per Klettverschluss unter seine Schuhe montieren kann. Das macht allerdings nicht nur er so, sondern auch seine Tochter Cleo. Die 14-Jährige ist amtierende Weltmeisterin in der letzten Kinderklasse, weil in den vergangenen zwei Jahren keine Wettbewerbsrennen veranstaltet worden waren, und derzeit Zweite in der Weltrangliste in der Jugendklasse. Am Wochenende wird sich entscheiden, wer am Ende ganz oben auf dem Treppchen stehen wird. „Hier die Bahn in Großerlach mag ich, weil’s hier nicht so sehr aufs Bobby-Car ankommt sondern besonders aufs fahrerische Können“, sagt Cleo und man spürt ihren Ehrgeiz, ihre stärkste Rivalin am Wochenende hinter sich zu lassen.

Steffen Lindemann hat allerdings nicht nur seine älteste Tochter mit dem Rennvirus angesteckt, sondern auch seine beiden sechs Jahre alten Zwillinge Romy und Lotte und auch seine Frau Jasmin. Die 37-Jährige, die im Alexander-Stift in Aspach arbeitet und dort Referentin für Ausbildungsqualität ist, hatte nie was mit Bobby-Cars am Hut. Auch bei Rennen ihres Mannes oder ihrer Tochter Cleo, die sie zu den Wettkampforten begleitete, kam sie nicht auf den Gedanken, sich auch mal auf so einen Kinderflitzer zu hocken. „Erst als das andere Frauen gemacht haben, hat sie das auch mal probiert. Und Gefallen daran gefunden“, erinnert sich ihr Mann. „Jetzt beim letzten Rennen in Göppingen war sie die schnellste Frau bei den Amateuren und insgesamt Vierte in dieser Klasse“, so der dreifache Familienvater weiter.

Mit 80 Sachen auf der getunten Kinderrutsche

Steffen Lindemann selbst, der mit seiner Familie in Steinheim an der Murr wohnt und vom Schreiner zum Lagerarbeiter umgesattelt hat, kam vor acht Jahren durch einen Kollegen zu diesem Sport. Er war zu einem Rennen mitgefahren, hatte an einem Preisausschreiben mitgemacht und gleich den ersten Preis gewonnen: eine Freifahrt. Den Preis hat er gleich nach zwei Wochen bei einem weiteren Rennen eingelöst. Und war sofort vom Rennvirus selbst angesteckt. Von da an bretterte er immer schneller die Hügel hinab.

Vom Höchsttempo ist der 38-Jährige allerdings noch weit entfernt. Den Geschwindigkeitsweltrekord auf einem modifizierten Bobby-Car hat sich Marcel Paul aus dem Taunus Ende Mai dieses Jahres im hessischen Schotten geholt. Der damals 29-Jährige raste mit 130,7 Kilometer pro Stunde den Berg hinunter. Mit 106,0 Stundenkilometern erreichte Paul außerdem einen Geschwindigkeitsrekord auf einem klassischen, original BIG-Bobby-Car. Er, wie auch der amtierende Weltmeister Dominik Rivola, wollen jetzt am Wochenende in der Profiklasse mitfahren, sagt Lindemann. Egal ob es regnet, windet, schneit oder die Sonne scheint. „Wir fahren bei jedem Wetter.“

Infos rund um die deutsche BIG-Bobby-Car-Meisterschaft in Großerlach

Termin die deutsche BIG-Bobby-Car-Meisterschaft findet am Samstag und Sonntag, 24. und 25. September, auf dem Freizeitgelände beim Bikepark in Großerlach statt.

Klassen Gestartet wird in drei Kinderklassen (3 bis 6,

7 bis 9 und 10 bis 12 Jahre) jeweils auf original Bobby-Cars, in der Jugendklasse (12 bis 16 Jahre) auf modifizierten Bobby-Cars bis 20 Kilogramm, in der Amateurklasse (ab 16 Jahre) bis 30 Kilo und in der Profiklasse (ab 18 Jahre) bis 40 Kilo.

Maße Für alle Klassen gelten folgende Maximalwerte: Raddurchmesser 24 Zentimeter, Breite und Höhe jeweils 50 Zentimeter und Länge 74 Zentimeter.

Ablauf Es fahren immer zwei Teilnehmer gegeneinander. Der Sieger kommt in die Gewinnerrunde, der Zweitplatzierte in die Verliererrunde. Bis Platz acht werden alle Platzierungen ausgefahren. So fährt jeder Teilnehmer mindestens viermal.

Zeitplan Am Samstag starten die Jugendklasse (12.30 Uhr), die Amateurklasse (14.30 bis 18 Uhr) und das Original-Bobby-Car-Rennen (18 bis 19 Uhr), am Sonntag die drei Kinderklassen (10.30 bis 13.30 Uhr) und die Profiklasse (14 bis 17 Uhr).

Historie 1972 rollte der erste rote Flitzer in Fürth vom Band. Seit Beginn der 90er-Jahre erfreuen sich Bobby-Car-Rennen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene steigender Beliebtheit.

Rennen Während der Rennsaison von Mai bis September finden unter der Lizenz des Bobby-Car-Sport-Verbands (www.bobbycarclub.de) um die zehn Weltmeisterschaftsläufe in Europa statt, bei denen bis zu 10000 Zuschauer gezählt werden. Nach vorrangig deutschen Rennen wurden 2010 erstmals auch Bobby-Car-Meisterschaften in Österreich und Luxemburg ausgetragen.

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Erstellt:
22. September 2022, 11:30 Uhr

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