Gesellschaft
Deutschland braucht einen neuen Generationenvertrag
Ob bei der Rente oder anderswo: Junge und Alte sollten überlegen, was sie selbst einbringen können – und nicht nur die anderen, kommentiert Tobias Peter.

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Die Generationen haben zum Teil unterschiedliche Interessen – aber das Land braucht gemeinsame Lösungen.
Von Tobias Peter
Ein Rucksack kommt einem dann am leichtesten vor, wenn man ihn selbst nicht tragen muss – sondern ihn rasch an einen anderen weiterreicht. Ein Beispiel: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat kürzlich einen „Boomer-Soli“ vorgeschlagen. Die Idee dahinter: Reichere Rentner sollen für ärmere zahlen. Es gab bundesweit viel Kritik – auch, weil sich berechtigte Fragen stellen lassen, ab wann ein Rentner zu den Reicheren gehört. Doch zumindest für manch Jüngeren mag die Idee verführerisch sein zu sagen: Sollen doch die Alten das Problem unter sich lösen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hofft auf ausreichend viele Freiwillige für den Wehrdienst. Gleichzeitig ist es angesichts der sicherheitspolitischen Lage denkbar, dass eine Wehrpflicht am Ende unvermeidbar ist. In der Debatte über dieses Thema ist ebenso wie in der über ein soziales Dienstjahr aber eines auffällig: Die Zustimmung für eine solche Pflicht ist am größten bei denen, die ihn nicht mehr selbst leisten müssen – bei den Älteren.
Alternde Gesellschaft im Multitasking
Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Es muss sich zurück auf den Wachstumspfad kämpfen und darf dabei den Klimawandel nicht aus den Augen verlieren. Viele Familien haben es schwer, trotz zweier Einkommen über die Runden zu kommen. Die Sozialbeiträge steigen. Der Staat muss unfassbare Summen für Verteidigung aufbringen. Kurz: Eine alternde Gesellschaft befindet sich im Multitasking. Mit mehreren unaufschiebbaren Problemen.
Also was tun? Deutschland braucht einen neuen Generationenvertrag. Notwendig ist eine offene Debatte darüber, welche Generation welchen Beitrag leisten kann. Und zwar eine, in der es nicht immer zuerst darum geht, was die jeweils anderen beitragen können, sondern man selbst. So, wie es in einer funktionierenden Großfamilie ist oder auch in einem gut durchdachten Mehr-Generationen-Wohnprojekt: Man unterstützt sich gegenseitig. Jeder bringt sich ein.
Viele, die selbst Wehr- oder Zivildienst geleistet haben, können dieser Zeit im Nachhinein etwas abgewinnen. Die ökonomische Realität ist aber: Solange es sicherheitspolitisch geht, ist es besser, auf eine Dienstpflicht zu verzichten. Gerade wegen des demografischen Wandels sollten möglichst nicht ganze Jahrgänge verspätet auf den Arbeitsmarkt gehen. Die jüngere Generation kann Deutschland vor allem auf einem Weg helfen, seine Probleme zu bewältigen: indem sie bei der Work-Life-Balance das Pendel etwas stärker Richtung Arbeit schlagen lässt. Die hohen Kosten für Verteidigung und den Sozialstaat kann das Land sich dauerhaft nur mit mehr Wirtschaftswachstum leisten.
Arbeit im Ehrenamt – gegen die Vereinsamung
Die ältere Generation wird im Ehrenamt gefordert sein wie nie. Von der Hausaufgabenhilfe für Kinder und Jugendliche bis hin zum Einkaufen für die Nachbarin, die selbst nicht mehr so gut zu Fuß ist: Der Gesellschaft muss es besser gelingen, das Potenzial derer auszuschöpfen, die nicht mehr im Arbeitsleben, aber noch fit sind. Das ist auch das beste Mittel gegen Vereinsamung im Alter. Alle gewinnen.
Auch in der Rente sollte ein erneuerter Generationenvertrag kein unmögliches Projekt sein. Vielen Älteren ist klar: Für Wahlgeschenke wie eine Ausweitung der Mütterrente oder auch für besonders frühen Renteneintritt ist eigentlich kein Geld da. Kein junger Mensch kann wollen, dass die Rente nicht zum Leben reicht. Mit Elementen einer Aktienrente ließen sich die langfristig guten Renditen an den Kapitalmärkten für die Menschen nutzen. Der Staat sollte das Geld klug vermehren. Wenn der Rucksack für alle leichter ist, lässt sich der Generationenkonflikt am besten vermeiden.