Deutschland hat eine Gleichstellungsstrategie

dpa Berlin. Der Staat ist laut Grundgesetz verpflichtet, die Gleichberechtigung zu fördern. Frauenministerin Giffey feiert es als Erfolg, dass sich dazu mit einer Gleichstellungsstrategie nun die ganze Bundesregierung bekennt. Doch mit einem konkreten Plan kommt sie noch nicht weiter.

Familienministerin Franziska Giffey präsentiert die Gleichstellungsstrategie „Stark für die Zukunft“. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Familienministerin Franziska Giffey präsentiert die Gleichstellungsstrategie „Stark für die Zukunft“. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Die Chancengleichheit von Männern und Frauen soll künftig Aufgabe der ganzen Bundesregierung sein - und nicht mehr nur Sache der Frauenministerin.

Dazu bekennt sich das Kabinett in der ersten nationalen Gleichstellungsstrategie, die die Ministerinnen und Minister der schwarz-roten Koalition in Berlin verabschiedeten. Gesetze und Förderprogramme sollen das Thema stärker als bisher berücksichtigen. Familienministerin Franziska Giffey sprach von einem Meilenstein, räumte aber auch ein, dass es keine Sanktionen gebe, wenn Kabinettskollegen sich nicht daran hielten.

Die Strategie hat zum Ziel, was das Grundgesetz eigentlich ohnehin vorschreibt: die „tatsächliche Durchsetzung“ der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern. Es habe Jahrzehnte gedauert, bis sich das gesamte Kabinett dazu bekenne und das Thema nicht mehr dem Frauenministerium überlassen werde, sagte Giffey. Ihre Vorgängerin im Amt, Katarina Barley, sieht in der Strategie auch „ein wichtiges Signal“ für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft - die SPD-Politikerin ist inzwischen Abgeordnete im EU-Parlament.

Zu den Zielen der Strategie gehört, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und die Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen gerechter zu verteilen. Neue, überraschende Vorhaben der Regierung sind auf den 124 Seiten eher nicht zu finden. Es werden hauptsächlich Projekte genannt, die bereits vereinbart waren - etwa das Rückkehrrecht in Vollzeit oder schnelles Internet und mehr öffentlicher Nahverkehr auf dem Land, um auch dort Familie und Beruf besser vereinbar zu machen.

Zweck der Strategie sei auch, die vielen Dinge, die passieren, zusammenzubringen, erklärte Giffey. Es bleibe aber noch viel zu tun. Dafür sei die Strategie eine „wichtige Grundlage“. Sie sei ein „Meilenstein“, der für künftige Bundesregierungen Maßstäbe setze.

Und was, wenn die anderen Ministerien das nicht so sehen? Alle hätten sich selbst verpflichtet und müssten sich daran politisch messen lassen, betonte Giffey. „Wir haben das hier jetzt schriftlich.“ Wenn andere sich nicht daran hielten, könne man das über die Strategie auch „thematisieren“, auch in der Öffentlichkeit. Sanktionsmechanismen für die Ressorts gebe es aber nicht.

Kritik an der Strategie kam unter anderem vom Frauenrat, einem Dachverband von Frauen-Organisationen. Es fehlten konkrete Zielsetzungen und verbindliche Ziele über die nächste Bundestagswahl hinaus, beklagte die Frauenrats-Vorsitzende Mona Küppers.

Mit einem konkreten Vorhaben kommt die SPD-Politikerin Giffey beim Koalitionspartner noch nicht voran, nämlich mit der Ausweitung der Frauenquote für Aufsichtsräte und der Vorgabe, dass in rein männliche Unternehmens-Vorstände mit mindestens vier Mitgliedern künftig eine Frau nachrücken soll, wenn ein Platz frei wird. Die Ressortabstimmung habe ergeben, dass es von den unionsgeführten Ressorts - dazu zählt das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) - keine Zustimmung gebe, sagte Giffey.

Giffey hofft auf eine Einigung im Sommer, nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zuletzt Sympathie für die Überlegungen signalisiert hatte. Christiane Benner vom Vorstand der Gewerkschaft IG Metall forderte „Siebenmeilenstiefel“ für die Ausweitung der Quote.

Bei einem anderen Thema macht Giffey sich dagegen keine Hoffnungen: beim Ehegattensplitting im Steuerrecht, das aus ihrer Sicht die „klassische Einverdiener-Familie“ bevorzuge, in der meistens der Mann der Hauptverdiener sei. „Das ist nichts für diese Legislatur“, sagte sie, werde aber im Wahlprogramm der SPD stehen.

© dpa-infocom, dpa:200708-99-720057/2

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Erstellt:
8. Juli 2020, 16:28 Uhr

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