Die Ampel, eine Nullnummer?

„Zwei verlorene Jahre“: Die Abrechnung des BDI-Präsidenten mit der Regierung hätte nicht vernichtender sein können.

Von Eidos Import

Zwei Jahre Ampel. Zwei verlorene Jahre. Siegfried Russwurm stellt der Bundesregierung ein verheerendes Zeugnis aus. Und wer wollte sich trauen, ihm aus tiefster Überzeugung zu widersprechen. Die deutschen Wirtschaftsdaten, mögen sie noch so stark von weltpolitischen Turbulenzen negativ beeinflusst sein, sprechen für sich. Deutschland verliert selbst in Europa ökonomisch den Anschluss. Schlimmer: Es verliert allmählich den Glauben an sich selbst.

Natürlich blickt Russwurm, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), durch die Brille der Unternehmen auf eine zunehmend schwierige Lage. Und natürlich lässt sich für viele Fehlentwicklungen nicht immer die Politik verantwortlich machen. Natürlich ist die Marktwirtschaft darauf angelegt – und zumeist erfolgreich –, dass Unternehmen selbst ihres Glückes Schmied sind. Mit mutigen, innovativen Strategien und einem frühen Gespür für die Risiken und Herausforderungen der kommenden Jahre.

Doch ebenso natürlich muss jetzt das Aber folgen. Denn die Industrie, die Wirtschaft insgesamt, braucht von der Politik feste Leitplanken, um im internationalen Wettbewerb gute Ergebnissen zu erzielen. Sie braucht ein belastbares fiskalisches Gerüst, braucht gezielte staatliche Zukunftssubventionen, braucht arbeitsmarktpolitisches Feingefühl, braucht ein sozialpolitisches Augenmaß, braucht nicht zuletzt die Einsicht, dass Wohlstand erwirtschaftet werden muss und nicht nur verteilt werden kann. Braucht Hoffnung und Perspektiven.

Der Vorwurf der frechen Ignoranz, den Russwurm namentlich dem Bundeskanzler und seinem Wirtschaftsminister macht, fällt da – abseits aller unterschiedlichen wirtschaftlichen Konzepte und ideologischen Luftschlösser – besonders schwer ins Gewicht. Der BDI-Präsident unterstellt Olaf Scholz, den Ernst der Lage zu unterschätzen oder nicht wahrhaben zu wollen. Sollte Russwurm damit auch nur im Ansatz richtig liegen, wäre das ein Grund, dem Kanzler die Regierungsfähigkeit abzusprechen. So weit geht Russwurm nicht.

Aber die Feststellung, Olaf Scholz habe Deutschland aus Sicht der Industrie zwei verlorene Jahre beschert, wiegt fast genauso schwer. Die Ampel – eine Nullnummer: Vernichtender kann die deutsche Industrie, jener ausreisewillige Wohlstandsgarant, den Stab über die rot-grün-gelbe Bundesregierung nicht brechen. Mittendrin sitzt die FDP. Gewohnt zwischen den Stühlen. Hilflos mitverantwortlich, entschlossen mitlavierend. Ohne größeren Gewinn.

Die Liberalen schauen von unten auf die Fünfprozenthürde. Von ihren gegnerischen Partnern als Störenfried abgestempelt, von vielen Sympathisanten als wirkungsloser Bremser aufgegeben. Die FDP ist der Ampel auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Unfähig zur Wende wie 1982, an die ein paar Veteranen vor dem Bundesparteitag Ende April erinnern. Zum einen, weil kein Regierungswechsel wie damals mit der FDP möglich wäre – und am Ende für die Liberalen nur eine kärgliche Opposition oder der Auszug aus dem Bundestag stünde. Denn auch das gehörte zur liberalen Wende von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl: Die FDP konnte bei der vorgezogenen Neuwahl 1983 den Verlust jener 3,6 Prozent gut verkraften, den ihr der gewagte Koalitionswechsel bescherte (auch weil ihr viele Sozialliberale empört den Rücken kehrten). Mit sieben Prozent blieb sie in der Regierung. Davon träumt heute niemand.

Also weiter so? BDI-Präsident Russwurm jedenfalls hält der Ampel den Spiegel vors blasse Gesicht. Und niemand kann ihm die Angst nehmen, es könnten noch zwei weitere folgen.

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Erstellt:
3. April 2024, 22:07 Uhr
Aktualisiert:
4. April 2024, 22:01 Uhr

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