Debatte um Abtreibungen

Die Ampelparteien verraten sich selbst

Die Ampelkoalition traut sich nicht, die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen zu überarbeiten – trotz klarer Empfehlung einer Kommission. Das offenbart die Mutlosigkeit der einstigen Fortschrittskoalition, findet unsere Korrespondentin Rebekka Wiese.

Aktuell sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter bestimmten Bedingungen straffrei – aber nicht legal.

© dpa/Bernd Weißbrod

Aktuell sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter bestimmten Bedingungen straffrei – aber nicht legal.

Von Rebekka Wiese

Es hätte eine kleine Revolution werden können. Am Montag legte die von der Bundesregierung eingesetzte Fachkommission das Ergebnis ihrer Arbeit vor. Ein Jahr lang hatten Juristinnen, Ethikerinnen und Medizinerinnen untereinander beraten, ob die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch noch zeitgemäß ist. Nun steht fest: Sie ist es nicht. Der Eingriff sollte in der Frühphase der Schwangerschaft rechtmäßig sein, raten die Expertinnen.

Es ist eine eindeutige Empfehlung. Und die Bundesregierung? Will jetzt prüfen, auswerten und eine Debatte anregen. Mit anderen Worten: Der Empfehlung folgen und etwas ändern möchte sie nicht. Zu groß ist die Angst davor, sich unbeliebt zu machen und weiteren Streit innerhalb der Koalition zu entfachen. Es mag die Regierung grundsätzlich ehren, dass sie den gesellschaftlichen Frieden mitdenkt. Und doch offenbart sich nun, wie mutlos die Koalition zur Halbzeit ihrer Legislatur geworden ist. Es ist eine schlechte Nachricht für alle, die in den kommenden Jahren auf etwas Fortschritt gehofft hatten.

FDP macht sich unglaubwürdig

Dass die Ampelkoalition sich nicht traut, die Empfehlung der Fachkommission umzusetzen, ist mit Blick auf die Profile der jeweiligen Parteien besonders peinlich. „Schwangerschaftskonflikte gehören nicht ins Strafrecht“, stand im Wahlprogramm der SPD, ähnlich klang es bei den Grünen. Die FDP fürchtete schon damals, konservative Wähler zu verschrecken – obwohl sie sich in ihrem Grundsatzprogramm doch als „Hüter der Selbstbestimmung“ feiert. Mit ihrer Haltung machen sich die Liberalen unglaubwürdig.

Rückblickend hat die Bundesregierung eine Fachkommission ein Jahr lang umsonst arbeiten lassen. Vor einem Jahr hieß es noch, die Kommission sei eine einmalige Chance. Die Bundesregierung hat sich offenbar dafür entschieden, diese verstreichen zu lassen. Damit alles bleibt, wie es ist.

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Erstellt:
15. April 2024, 15:58 Uhr
Aktualisiert:
15. April 2024, 16:29 Uhr

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