„Die Bücherei ist völlig ausgereizt“
Kapazitäten in der Kronenscheuer in Unterweissach reichen für neue Angebote nicht aus – Leiterin Döttling im Gemeinderat
Die Ortsbücherei in Unterweissach arbeitet erfolgreich. Es gibt Aktionen, Lesungen und andere Programme. Kindergärten und Schulklassen nicht nur aus Weissach, sondern auch aus Auenwald sind regelmäßige Gäste. Gern würde Büchereileiterin Regina Döttling noch mehr anbieten, doch die Kapazitäten in der Kronenscheuer geben das nicht her.

© Pressefotografie Alexander Beche
Die Ortsbücherei in der Kronenscheuer in Unterweissach stößt an ihre Grenzen. Neue Angebote können nicht mehr untergebracht werden. Es gibt auch keine Arbeitsflächen für Schülergruppen, die eine Aufgabe bearbeiten, kein Büro für interne Arbeiten und keine Plätze für Besucher, um Medien vor Ort nutzen zu können. Die Aufenthaltsqualität ist eingeschränkt. Foto: A. Becher
Von Armin Fechter
WEISSACH IM TAL. Im Gemeinderat legte Regina Döttling nach dreijähriger Pause jetzt wieder einen Bericht vor – und dabei ging es insbesondere darum, dass die Grenzen des Machbaren erreicht sind.
Bei Kindern und Jugendlichen die Lust am Lesen zu wecken und zu erhalten und ihnen einen kompetenten Umgang mit Medien aller Art zu vermitteln, das sind die wesentlichen Aufgaben einer Bücherei, wie dies auch die Fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen Stuttgart festhält.
Vieles macht die Ortsbücherei in der Friedensstraße schon jetzt möglich. Sie hält ein ansehnliches Angebot an Medien bereit, entsprechend den räumlichen Kapazitäten: 8800 Bücher, DVDs, Spiele und Zeitschriften – das sind bei derzeit 7234 Einwohnern 1,22 Medien pro Kopf. Jedes Medium wird im Jahr 5,3-mal ausgeliehen, ein Wert, der laut Döttling über dem Durchschnitt liegt. Untergebracht ist die Sammlung auf einer Fläche von 110 Quadratmetern. Was allerdings deutlich unter den Empfehlungen der Fachstelle liegt: Die Experten in Stuttgart legen für eine Gemeinde in der Größenordnung von Weissach im Tal zwei Medien pro Einwohner zugrunde und gehen ferner davon aus, dass der Flächenbedarf pro 1000 Medien bei 30 Quadratmetern liegt. Die Ortsbücherei sollte daher rund 14500 Medien vorweisen können und würde dafür eine Fläche von fast 434 Quadratmetern benötigen.
Kein Platz mehr für
neue digitale Medien
Hinzu kommt, dass Weissach derzeit rasch wächst. Rombold-Areal, Fuchsklinge und die Schließung diverser Baulückenschließungen sorgen für Zuwachs. Die Bevölkerungszahl dürfte daher über kurz oder lang auf 8000 Einwohner steigen. Dann sollte die Bücherei nach den Empfehlungen der Fachstelle einen Bestand von 16000 Medien bereithalten, für die dann eine Fläche von 480 Quadratmetern vonnöten wäre.
„Die Anforderungen haben sich verändert“, sagte Döttling im Gemeinderat. Es besteht beispielsweise eine Kooperation mit den Grundschulen in Weissach und Auenwald, wonach alle Klassen jedes Jahr einmal in die Bücherei kommen. Die Bedingungen dafür sind jedoch nicht gerade optimal: Die Kinder müssen auf dem Boden sitzen – und damit sie wenigstens diesen Platz haben, müssen erst Regale beiseitegeschoben werden. Es gibt auch keine Arbeitsflächen, auf denen die Schüler kleine Aufgaben erledigen könnten. Rappelvoll ist es in der Bücherei während der Sommerferien bei der Leseclub-Aktion „Heiß auf Lesen“, bei der im vergangenen Jahr insgesamt 196 Teilnehmer gezählt wurden: Da stehen die Kinder in zwei Schlangen und müssen beim Warten viel Geduld aufbringen, bis sie an die Reihe kommen. Mit ihrem Angebot erreicht die Ortsbücherei die Mehrheit der Schüler in den beiden Gemeinden. Immerhin sind laut Döttling 38 Prozent der Nutzer Auswärtige. Auch die Kindergärten haben sich den Besuch der Bücherei zur Regel gemacht, damit die Kleinen schon früh den Kontakt zu der Bildungseinrichtung finden. Ganz unterschiedliche Zielgruppen werden mit den Veranstaltungen erreicht, die das Jahr über stattfinden – im vergangenen Jahr waren das immerhin 99 einzelne Termine.
Grenzen tun sich für die Bücherei bei neuen und digitalen Medien auf: „Nicht unterzubringen“ seien diese, sagte Döttling. Denkbar und wünschenswert wären beispielsweise Führungen mit dem Tablet, die Workshop-Charakter haben und bei denen die Teilnehmer in kleinen Gruppen zusammenarbeiten. Schwächen gibt es in puncto Aufenthaltsqualität: Es gibt keine Plätze für Besucher, um Medien vor Ort nutzen zu können, keine Leseecke, kein Lesecafé, aber auch keinen Büroraum für die Büchereikräfte zu internen Arbeiten. Und: Barrierefreiheit ist nicht gewährleistet. „Wir haben eine Bücherei, die völlig ausgereizt ist“, fasste Döttling die vielen Punkte zusammen.
„Die Situation ist nicht ganz so dramatisch“, fand derweil Irmgard Hestler (SPD): „Die räumliche Enge macht die Bücherei zu etwas Besonderem.“ Überdies stimmen die Zahlen, die sich aus den Empfehlungen der Fachstelle ergeben, ihrer Meinung nach nur bedingt. Denn ein Großteil des Medienverkehrs werde am Bildungszentrum abgewickelt, das über eine eigene Bibliothek verfügt, die nicht nur dem Bedarf an der Schule, sondern auch der Öffentlichkeit dient. Hestler empfahl, mit den bescheidenen Möglichkeiten umzugehen. Alternativ könnte alles ans Bize ausgelagert werden.
Ganz so einfach ist es mit dem Bize allerdings nicht. Da sei der Zweckverband zuständig, nicht die Gemeinde selbst, merkte Döttling an, und dann müsse man von dessen Einzugsgebiet mit 23000 Einwohnern ausgehen.
„Bibliotheken rechnen sich nicht, aber sie zahlen sich aus“, zitierte Jan Hutzenlaub (Weissacher Bürger) den renommierten Bibliothekar Georg Ruppelt. Dessen Aussage aus dem Jahr 1995 hat inzwischen Sprichwortstatus erlangt. Man dürfe nicht von vornherein eine pauschale Absage erteilen, gab Hutzenlaub zu bedenken, sondern müsse überlegen, was man tun könnte: „Vielleicht möchte sich Auenwald ein bisschen beteiligen“, sprach er die monetäre Frage an. Sein Fraktionskollege Luciano Longobucco sekundierte: „Mit dem Bevölkerungswachstum muss auch die Infrastruktur wachsen.“ Man müsse die Empfehlungen ja nicht 1:1 umsetzen.
Dass Döttlings Wunschliste recht lang sei, befand Wilhelm König (UBL). Sie möge daher Prioritäten benennen, „dann können wir uns unterhalten“.