Die Freibäder warten auf das Startsignal

Für Backnang, Murrhardt, Oppenweiler und Erbstetten gilt: Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, aber wie 2020 verhindert Corona einen pünktlichen Beginn des Badevergnügens. Die Geduld aller Wasserratten wird erneut auf eine harte Probe gestellt.

Tim Seibold (links) und Johannes Guthardt bringen das Schwimmerbecken im Backnanger Mineralfreibad auf Vordermann.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Tim Seibold (links) und Johannes Guthardt bringen das Schwimmerbecken im Backnanger Mineralfreibad auf Vordermann.Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

BACKNANG. Egal ob in Backnang, Erbstetten, Murrhardt oder Oppenweiler: In allen Freibädern wird „ausgewintert“, wie Fachleute sagen. Die kaputten Fliesen werden getauscht, die beschädigten Fugen gerichtet, die technischen Anlagen gecheckt, die Becken und die Sanitärräume geputzt, die Hecken gestutzt oder der Rasen gemäht. Was halt alles so zu tun ist, wenn sich viele Menschen auf den Badespaß freuen.

„Alles läuft wie geplant“, sagt Markus Dechand, neuer Wonnemar-Betriebsleiter in Backnang. Sogar der TÜV hat sich zum Rutschencheck angekündigt. Es wäre fast alles angerichtet für den pünktlichen Saisonstart am 1. Mai, wenn nicht wie schon im Vorjahr die Pandemie ihr Veto einlegen würde. Am Samstag bleiben die Pforten an der Martin-Dietrich-Allee zu, daran wird sich wohl so schnell noch nichts ändern. Immerhin wird die Zeit genutzt, um den großflächigen Austausch von Fliesen am Nichtschwimmerbecken vorzuziehen. 2020 ging es am 8. Juni los, und nun? „Wir hoffen, dass wir spätestens bis Mitte Mai eine Perspektive haben und bis Mitte Juni öffnen dürfen“, betont Dechand und setzt auf die Impfungen sowie auf die Möglichkeit, negative Testergebnisse vorzuzeigen.

Helfen würde auch ein stark sinkendes Infektionsgeschehen, obwohl der Experte davor warnt, den Daumen bei den Freibädern allein anhand der Inzidenz zu heben oder zu senken, „weil sie zu schwankend ist“. Vom Moment, in dem das herbeigesehnte Startsignal der Politik vorliegt, bis zur Öffnung „brauchen wir etwa zehn Tage, um das Wasser auf die richtige Temperatur zu bringen“. Auf Verdacht vorzuheizen mache keinen Sinn, weder ökologisch noch ökonomisch. Schon gar nicht in diesen ohnehin schwierigen Zeiten, in denen weiter rund 90 Prozent der Mitarbeiter in Kurzarbeit sind und nicht absehbar ist, wann wieder Normalbetrieb herrscht.

Backnang plant für diesen Sommer ohne den Verkauf von Dauerkarten.

Vom benachbarten Hallenbad mitsamt Sauna noch gar nicht zu reden, preist Dechand auch im Freibad bereits die zweite Saison mit heftigen Einschränkungen ein. Hauptsache, sie fällt nicht völlig aus. Wie im Vorjahr rechnet er mit Hygieneregeln wie der Maskenpflicht bis zum Platz oder der Einbahnregelung im Sportbecken sowie mit begrenzten Gästezahlen. „Wir arbeiten wieder mit zwei Slots“, kündigt der Betriebsleiter an, die 2020 zunächst praktizierten drei Zeitfenster hätten „nicht so gut funktioniert“. Vor allem beklagten sich viele Besucher über die gesalzenen Preise, der Kompromiss sah einen Euro weniger und damit sechs Euro für Erwachsene und vier Euro für 5- bis 15-Jährige für fünfeinhalb Stunden vor. Dabei bleibt es, verspricht Dechand. Für 3,50 Euro gibt es das Frühschwimmen am Mittwoch und Freitag und für 40 Euro die Sportschwimmerkarte, die den Eintritt halbiert. Saisonkarten sind nicht geplant, „in normalen Zeiten aber durchaus wieder denkbar“.

In Murrhardt gibt es Jahreskarten auch in der Pandemie, wie üblich aber nur für Fördervereinsmitglieder. Um die 1000 sind es laut dem Vorsitzenden Ralf Wallau derzeit. 100 Euro im Jahr hat etwa eine Familie mit allen Kindern unter 18 zu berappen, die Saisonkarten sind inbegriffen. 3,30 Euro bezahlt ein erwachsenes Nichtmitglied für eine Tageskarte. Dieses Jahr wird nicht an der Preisschraube gedreht, so Rainer Braulik. 2022 nach langer Zeit vielleicht mal wieder, was der Erste Beigeordnete der Stadt mit den umfangreichen Sanierungen nach der anstehenden Saison erklärt. 700000 Euro werden investiert, davon gibt’s 40 Prozent als Zuschuss.

Jetzt richtet sich der Blick aber darauf, wann dieses Jahr der Startschuss fällt. Braulik rechnet Anfang bis Mitte Juni damit, weil man dann erkennen werde, „dass es besser ist, die Menschen ins Freibad zu lassen“, als dass es sie in Scharen an Seen zieht. Er könnte sich die aus dem Vorjahr bewährte Obergrenze von 650 Gästen vorstellen, obwohl mehr erlaubt gewesen wäre. Zwei Schichten á fünf Stunden sind bei gutem Wetter geplant. Bei Regen und Kälte dürfen die hartgesottenen Besucher rein, so lange sie wollen. „Die Slots werden drei Tage vorher zum Verkauf freigegeben“, erklärt Braulik. Für alle, auch für Fördervereinsmitglieder, gilt wohl auch in diesem Jahr: Vorab muss im Internet gebucht werden und wenn voll ist, ist voll.

Von Online-Reservierungen gehen auch die Verantwortlichen in Oppenweiler aus. Dauerkarten gibt’s nicht, sagt Marisa Littmann von der Gemeindeverwaltung. Details zum Kartenerwerb und zu Öffnungszeiten folgen, sobald sich der Start konkret abzeichnet. „Unser Freibad ist bereit“, sagt sie: „Wir stehen in den Startlöchern und wollen es unseren Bürgern auch gönnen können.“ Littmann hofft, dass der Badespaß im Juni oder spätestens Juli möglich ist, eine Deadline gebe es nicht. Wie viele Gäste gleichzeitig planschen, Bahnen ziehen oder sich sonnen können, bleibt abzuwarten und wird noch einmal besprochen, wenn die entsprechende Coronaverordnung auf dem Tisch liegt. 2020 waren es anfangs 100 und am Ende 150 Besucher, „das war recht restriktiv“, weiß Littmann. Aber: „Wir wollen, dass die Leute, die da sind, auch ins Wasser dürfen.“

Erbstetten hebt sich von den anderen Bädern in zwei wesentlichen Punkten ab. Zum einen gibt’s keine Online-Buchungen, zum anderen in Coronazeiten keine Tageskarten. Es werden nur Zehner-Karten (Erwachsene 34 Euro/Kinder, Jugendliche 17 Euro) und Jahreskarten (50/25) verkauft. Dazu kommen Familien-Jahreskarten für 65 Euro (ein Elternteil, alle Kinder) oder 90 Euro (beide Elternteile). Überregionaler Badetourismus soll die Ausnahme sein, betont Kämmerin Manuela Klabunde.

Vor allem die Einheimischen sollen ihr „Bädle“, wie sie es nennen, nutzen können. Wie 2020, als das Freibad nach der Generalsanierung am 1. August noch für knapp zwei Monate wiedereröffnet wurde. Drei Zeitfenster pro Tag mit jeweils maximal 300 Gästen gab es, „alles hat gut funktioniert“, sagt Klabunde. Niemand musste an der Kasse abgewiesen werden, zumal das Personal Strichlisten führte, wie viele Besucher das Bad verließen. 2021 bleibt alles beim Bewährten, sobald es losgehen kann. Wann es wohl so weit ist? „Schnellstmöglich“, hofft die Kämmerin, „aber wir gehen davon aus, dass es im Mai nichts wird. Es hängt von den Inzidenzen und den Vorgaben der Politik ab.“ Wie so vieles derzeit.

Ein privater Betreiber, drei Bäder in voller Verantwortung der Gemeinden und zwei Fördervereine

Backnangs Freibad wurde am 15. Juni 1930 mit einem 1000-Quadratmeter-Becken und einem Planschbecken eröffnet. 1979/1980 wurde es generalüberholt. Fortan gab es ein Schwimmer- und ein Nichtschwimmerbecken und einen Springerbereich. Mit dem Hallenbadneubau verpachtete die Stadt ihre Bäder an die Interspa-Gruppe. Seit 2012 gilt: Der Betreiber erhält die Eintrittsgelder und trägt die laufenden Kosten, die städtische Bädergesellschaft zahlt Instandhaltungen und Investitionen. 2020 meldeten die Interspa Holding und einige Tochtergesellschaften Insolvenz an. Große Teile des Unternehmens, auch die Betreibergesellschaft der „Murrbäder Backnang Wonnemar“, wurden an die AIM SPA Deutschland Betreiber-GmbH in Passau verkauft.

In die Dreißiger des 20. Jahrhunderts reicht Erbstettens Badgeschichte zurück. Im Feuerlöschteich am aktuellen Standort lernten Schüler das Schwimmen. 1939 wurde das Freibad eröffnet. Dass die Bürger ihr Bädle lieben, zeigte sich, als 2017 klar wurde, dass es nur mit einer Generalsanierung eine Zukunft haben würde. Mit vielen Aktionen steuerte der Förderverein etwa 240000 Euro zu den Kosten von über 2,5 Millionen Euro bei.

Das Freibad in Murrhardt wurde 1952 eingeweiht. 2004, als die Krise der deutschen Kommunalfinanzen auch Murrhardt erfasst hatte, war ein Sparvorschlag die Freibadschließung, erinnert sich Murrhardts Erster Beigeordneter Rainer Braulik. Es kam zu einer Demonstration in der Fußgängerzone und es gründete sich ein Förderverein, dessen Mitglieder sich seit 17 Jahren stark engagieren – sei es, indem sie Reparaturen übernehmen, den Rasen mähen oder an Wochenenden an der Kasse sitzen.

Den Erdaushub erledigte weitgehend eine amerikanische Pionier-Einheit, ehe am 8. Juli 1956 das stets in Gemeindehand gebliebene Freibad in Oppenweiler eingeweiht wurde. 1989/1990 gab es die erste große Sanierung mit neuem Becken. Das Alleinstellungsmerkmal ist die idyllische Lage mit Blick auf die Burg Reichenberg. 1100 Quadratmeter misst das Mehrzweckbecken mit verschiedenen Wassertiefen. Ein Planschbecken und zwei Rutschen erfreuen Kinder und Jugendliche.

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Erstellt:
29. April 2021, 06:00 Uhr

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