Verteidigungsminister unter Druck

Die fünf Baustellen des Boris Pistorius

Der Verteidigungsminister ist zwar noch immer der beliebteste Politiker im Land, doch politisch hakt es derzeit nicht nur bei Wehrpflicht und Haushalt.

Boris Pistorius hat ein paar Baustellen.

© dpa/Kay Nietfeld

Boris Pistorius hat ein paar Baustellen.

Von Tobias Heimbach

Am Dienstag ist Verteidigungsminister Boris Pistorius nach Lettland gereist. Es dürfte einmal mehr ein angenehmer Besuch gewesen sein, denn im Ausland erhält der SPD-Politiker häufig Zuspruch. Sein Bekenntnis zur Hilfe für die Ukraine und für höhere Verteidigungsausgaben kommt gut an im Baltikum oder in Washington. Zu Hause hat sich das Bild etwas eingetrübt. Zwar ist er weiter der beliebteste Politiker im Land, doch politisch hakt es gleich an mehreren Stellen.

1Wehrpflicht

Boris Pistorius hat einen neuen Begriff in die politische Debatte eingebracht: „Kriegstüchtigkeit“. Das soll laut dem Minister nicht allein für die Bundeswehr, sondern für die gesamte Gesellschaft gelten. Nach Pistorius‘ Vorstellung kann man das mit einer neuen Wehrpflicht erreichen.

In den nächsten Wochen will Pistorius ein Konzept dazu präsentieren. Doch selbst unter Experten, die einer Wehrpflicht aufgeschlossen gegenüberstehen, heißt es, sie sei rechtlich und praktisch schwierig umzusetzen. Das trifft auch auf das vom Minister favorisierte „schwedische Modell“ zu. Dabei sollen alle jungen Menschen eines Jahrgangs gemustert werden, aber nur ein Teil auch zum Dienst eingezogen werden.

Ein weiteres Problem: Pistorius fehlt die politische Unterstützung für das Projekt. Kanzler Olaf Scholz ging erst kürzlich auf Abstand, ebenso Parteichef Lars Klingbeil. Die Koalitionspartner FDP und Grüne halten von dem Vorhaben ebenfalls nichts.

2 Zustand der Bundeswehr

Die Bundeswehr ist nach wie vor in keinem guten Zustand. Es fehlen etwa Panzer und Schiffe um die Truppe auszustatten. Viel wurde bestellt, doch der Zulauf dauert lang. Das gilt für neue Projekte, aber auch für Material, das an die Ukraine abgegeben wurde. Aus dem Krieg in der Ukraine weiß man, dass kleine Drohnen und die Drohnenabwehr eine entscheidende Rolle spielen. Doch hier ist die Bundeswehr nach Ansicht von Experten nicht gut aufgestellt.

Hinzu kommt: Der Truppe fehlt das Personal. Die Zahl der unbesetzten Dienstposten ist im vergangenen Jahr noch einmal gestiegen. Die Truppe soll von rund 181 000 Soldaten auf 203 000 im Jahr 2031 anwachsen. Wie das angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels gelingen soll, ist völlig offen.

3 Brigade Litauen

Deutschland hat zugesagt, eine Brigade, also etwa 4800 Soldaten, dauerhaft in Litauen zu stationieren. Die Soldaten sollen nicht wie in Afghanistan oder Mali einige Monate dort im Einsatz bleiben, sondern dauerhaft die Ostflanke der Nato schützen. Daher müssen nicht nur Kasernen gebaut werden, sondern auch Kindergärten und Schulen, denn die Soldaten sollen dort auch mit ihren Familien hinziehen. Dies aufzubauen und zu organisieren ist Neuland für die Bundeswehr. Zehn Milliarden Euro Anfangsinvestition sind dafür nötig, bezifferte das Ministerium kürzlich. Und für den Unterhalt eine weitere Milliarde pro Jahr. Auch die Kostenteilung mit den Litauern ist noch nicht abschließend geklärt.

4 Haushalt

Für das kommende Jahr einen Haushalt aufzustellen, wird für die Bundesregierung ein Kraftakt. Eine der größten Herausforderung gibt es beim Verteidigungsetat. Pistorius forderte zuletzt 6,5 Milliarden Euro mehr. Ohne diese zusätzlichen Mittel drohe ein „Rüstungsstopp“, hatte Pistorius gewarnt. Im vergangenen Jahr hatte Pistorius 10 Milliarden Euro mehr gefordert, unter dem Strich bekam er 1,7 Milliarden mehr. Möglich, dass der Zuwachs erneut hinter seinen Forderungen zurückbleibt.

5 Unterstützung von Partei und Fraktion

Pistorius Forderungen hätten sicher mehr Gewicht, wenn er mehr politische Unterstützung vorweisen könnte. Doch viele Sozialdemokraten fremdeln mit seinen politischen Vorhaben und in Teilen mit seiner Rhetorik. Die SPD ist zwar die Partei der „Zeitenwende“, aber sie sieht sich selbst eben nach wie vor auch als „Friedenspartei“. Insbesondere SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und Pistorius stritten mehrfach öffentlich, etwa über den Begriff „Kriegstüchtigkeit“. Unterstützung gab es lediglich von Verteidigungspolitiker Florian Hahn. Der forderte kürzlich, dass Pistorius Etat anwachsen müsse. Der Haken dabei: Hahn ist Mitglied der CSU – und damit Teil der Opposition.

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Erstellt:
21. Mai 2024, 16:39 Uhr

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