Die ganze Welt ist erschüttert durch die Auferstehung

Bildfenster in der Friedhofkapelle auf dem Backnanger Stadtfriedhof liefert eine dramatische Darstellung des Ereignisses – Christus als Sieger über den Tod

Die ganze Welt ist erschüttert durch die Auferstehung

Von Klaus J. Loderer

BACKNANG. Die Auferstehung Christi ist das zentrale Bildmotiv der historischen Friedhofkapelle aus dem 19. Jahrhundert auf dem Backnanger Stadtfriedhof. In dem Vierpassfenster im kleinen Chor sieht man Christus dem Grab entsteigen. Die Szene ist im Glaubensbekenntnis enthalten. „Am dritten Tage auferstanden“ heißt es dort. An Ostern feiert die Christenheit die Auferstehung Christi.

Im Zentrum des Auferstehungsbilds ist Christus im Purpurmantel zu sehen, der aus dem Grab heraustritt. Seine rechte Hand ist segnend nach oben gestreckt, in der linken hält er die Kreuzesfahne – Christus, Sieger über den Tod. Der evangelische Pfarrer Johannes Koch verweist ob dieses fürs 19. Jahrhundert typischen Triumphalismus auf ein Lied Paul Gerhardts: „Und ruft Viktoria, schwingt fröhlich hier und da sein Fähnlein als ein Held“. Für Koch ist Christus vom Tode auferstanden, „weil Gott, der himmlische Vater, ihn auferweckt hat. Allein seine Schöpferkraft, nichts sonst in der Welt, hat die Macht, Leben zu schaffen aus dem Tod und dem Nichts. Die Kraft der Auferstehung ist also Gottes schöpferische Liebe. Christus hat sie erfahren, und auch wir dürfen auf sie hoffen.“

Im Glasbild sitzt links ein blau-weiß gekleideter Engel mit Palmzweig auf der Grabplatte und weist mit der linken Hand auf Christus. Rechts nimmt ein bestürzt zurückweichender Wächter schützend den Arm vor die Stirn. Im Vordergrund liegt ein vor Schreck auf den Rücken gefallener Wächter. Der blaue Hintergrund ist mit Rankenwerk ornamentiert. Das Bild enthält aber einen kleinen räumlichen Fehler: Der rechte Soldat steht eigentlich hinter dem Grab, somit müsste der Stab Christi vor ihm sein. Der Künstler wollte wohl nicht, dass der senkrechte Stab die Figur halbiert.

Die Backnanger Darstellung entspricht einem seit dem 15. Jahrhundert in der deutschen Malerei verbreiteten Typus, bei dem Christus dem Sarkophag entsteigt – eine Alternative zum dem Grab entschwebenden Christus mit schlafenden Wächtern, die Albrecht Dürer in seinem Holzschnitt von 1510 wählte. Man würde nun annehmen, dass die Darstellung biblisch belegt ist. Man stutzt aber schon über die in der Kunst vorhandene große Zahl unterschiedlicher Varianten. Und das ist ein Unterschied zu den sich immer irgendwie ähnelnden Darstellungen des letzten Abendmahls und der Kreuzigung, die in den Evangelien detailliert beschrieben werden.

In der Bibel heißt es: „Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein von der Tür und setzte sich darauf. Und seine Gestalt war wie der Blitz und sein Kleid weiß wie Schnee. Die Hüter aber erschraken vor Furcht und wurden, als wären sie tot.“ (Matthäus 28,2 bis 4). Der sitzende Engel und die bestürzten Wächter sind also biblisch belegt, doch zeigt sich ein kleiner Unterschied zum Bild: Die Wächter erschrecken im Text vor dem Engel und nicht vor dem auferstandenen Christus. Die im Matthäusevangelium dramatisch gestaltete Szene beschreibt nämlich gar nicht die Auferstehung, sondern findet am Morgen danach statt. Keines der Evangelien schildert den tatsächlichen Vorgang. Der Engel erzählt nur davon: Jesus „ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommet her und sehet die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ (Matthäus 28,6). Die Wächter sollten aufpassen, dass die Jünger den Leichnam Christi nicht entwenden. Doch sie schliefen und bekamen nichts mit. Was für eine bemerkenswerte Lücke in den Evangelien. Das ermöglichte es den Künstlern, ihre Fantasie schweifen zu lassen. Häufig verbanden sie die Auferstehung mit den erschrockenen Soldaten. Das erlaubte eine gewisse Dramatik in der Darstellung, auch im Backnanger Fenster.

Theologisch deutet das der katholische Pfarrer Wolfgang Beck so: „Das ist ja das Anliegen des Evangelisten Matthäus, die Heilsbedeutung der Auferstehung Jesu für die ganze Welt, den ganzen Kosmos aufzuzeigen. Jesus ist der Messias der ganzen Welt, auf ihn läuft der Kosmos zu, und der Kosmos, die ganze Welt, ist erschüttert, durcheinander, ob des Ereignisses der Auferstehung. Damit ist nichts mehr, wie es vorher war.“

Die Erhaltung der historischen Glasmalerei ist ein besonderer Glücksfall, denn die Kapelle wurde viele Jahrzehnte als Geräteschuppen genutzt. Doch schützten die Friedhofsmitarbeiter die Fenster innen mit Baustahlmatten gegen Beschädigungen. Die für die Details bemalten farbigen Gläser sind durch Bleistege verbunden. Die Glaswerkstätte Waldhausen&Ellenbeck in Stuttgart stellte das Fenster 1885 her. Bei der 2009 bis 2014 erfolgten Renovierung der Friedhofkapelle wurden die Bleiglasfenster ausgebaut und im Glasatelier Gaiser& Fieber in Esslingen gereinigt und restauriert. Dies wurde finanziert durch eine Stiftung von Ruth Bareiss geb. Winter.

Auch beim Bau der Friedhofkapelle 1884/85 wurde die Anschaffung des Glasbilds durch eine private Stiftung ermöglich. Eine Inschrift im Bild erinnert daran. Das Glasbild findet Pfarrer Beck passend und tröstend: „Das ist eine Osterbotschaft für Trauernde: Hier in den Gräbern findet ihr nichts (höchstens ein paar Knochen). Geht zurück. Glaubt: Sie, die Toten, leben. Geht zurück und erwartet, dass ihr sehen werdet, verstehen, begegnen.“ Für Pfarrer Koch hat die Osterbotschaft ihren Sinn für die Gegenwart: „Dass wir heute nach wie vor von der Auferstehung reden, weil sie sich heute nach wie vor erfahren lässt in vielen täglichen kleinen Auferstehungen, ist für mich das kräftigste Zeichen dafür, dass die Botschaft wahr ist.“ Foto: K. Loderer

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Erstellt:
11. April 2020, 06:00 Uhr

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