Streit über Richterwahl
Die grausame Debatte über Frauke Brosius-Gersdorf
Es ist hochgradig unfair, was der Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht widerfahren ist, kommentiert Tobias Peter.

© Britta Pedersen/dpa
Unter Druck: Frauke Brosius-Gersdorf.
Von Tobias Peter
Ein Schneeball kann zur Lawine werden. Die Gefahr ist größer, wenn ihm immer wieder Schneebälle hinterhergeworfen werden. Im Prinzip gilt das alles auch für Bälle, die aus Schlamm und Schmutz geformt sind. So lässt sich das, was im Internet vielfach geschieht, treffend beschreiben. Der Begriffe soziale Netzwerke führt in die Irre. Asozial trifft es oft besser.
Das alles ist fürchterlich, wenn es um Mobbing im privaten Bereich geht. Wenn es aber um eine Kandidatin für einen Posten als Richterin am Bundesverfassungsgericht geht, kommt zur persönlich zersetzenden Komponente auch noch der Schaden für die Demokratie und ihre Institutionen dazu. Das ist verheerend.
Schlecht vorbereitet
Wenn Rechtspopulisten im Internet eine unverhältnismäßige Debatte vorantreiben, dann darf das auf Demokraten keinen wichtigen Einfluss haben. Es spricht aber viel dafür, dass das beim Streit über die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, der Fall war. Unionsfraktionschef Jens Spahn hat erklärt, man sei gegen die Emotionalisierung und Polarisierung der Debatte, wie sie in den letzten Tagen von außen gekommen seien, nicht gut gewappnet gewesen. Das stimmt.
Klar ist: Niemand muss die Auffassungen von Frauke Brosius-Gersdorf teilen. Kein Abgeordneter ist gezwungen, sie zur Verfassungsrichterin zu wählen – auch wenn sie für dieses Amt hochqualifiziert ist. Es ist aber höchst bedenklich, wenn der Stab über eine Person auch unter dem Druck einer öffentlichen Debatte gebrochen wird, in der es von Verkürzungen, Halb- und Unwahrheiten nur so wimmelt. Die Haltung zum Schwangerschaftsabbruch von Brosius-Gersdorf ist viel differenzierter als das öffentliche Bild, das dazu entstanden ist. Darüber hätte die Union sich mit der Kandidatin am besten persönlich ausgetauscht. Demokratie bedeutet nicht Einigkeit – aber Dialog.