Ärger in Konstanzer Kita
Die Kinder fliegen raus, weil der Papa tobt
Können Kinder mit Kita-Rausschmiss bestraft werden, weil die Eltern sich daneben benehmen? Jedenfalls nicht so einfach, wie ein Fall aus Konstanz zeigt.
© Ralf Hirschberger/dpa
Eltern, Erzieherinnen und Erzieher wissen: die Abgabe der Kleinen in der Kita-Garderobe kann nervlich herausfordernd sein.
Von Eberhard Wein
Haben Kinder ein Recht auf einen Kindergartenplatz, auch wenn das Verhältnis zwischen ihren Eltern und der betreuenden Einrichtung zerrüttet ist? Um diese Frage geht es in einer Petition an den Landtag von Baden-Württemberg, die unserer Zeitung vorliegt. Man wolle sicherstellen, dass in jedem Fall das Kindeswohl im Vordergrund steht, heißt es sinngemäß in dem Schreiben eines Elternpaares aus Konstanz. Es gehe auch um Familien, die sich juristisch weniger gut wehren könnten. Der Petitionsausschuss bestätigte den Eingang der entsprechenden Petition, verwies aber auf ihren nichtöffentlichen Charakter.
Im vorliegenden Fall war es bei der nicht immer einfachen Eingewöhnung eines dreijährigen Kindes in seine neue Kindergartengruppe offenbar zur Eskalation gekommen. Der Vater, der den kleinen Buben abgeben wollte, fühlte sich wiederholt nicht ernst genommen und bei der tränenreichen morgendlichen Abgabe allein gelassen. Immer wieder sei die eigentlich eingeteilte Bezugsperson nicht da gewesen.
Sogar die Polizei muss eingreifen
Wie heftig die Beschwerden des Mannes ausfielen, ist zwischen den Parteien umstritten. Jedoch lässt sich aus den Schilderungen der beiden Seiten herauslesen, dass sie über das angemessene Maß schon hinausgingen. So sah sich das Personal durch die aggressive Art des Vaters regelrecht bedroht. Die Situation entglitt derart, dass die Kitaleitung schließlich die Polizei rief, die den Mann wohl nicht zur Einsicht, aber wenigstens zum Einlenken brachte. Eine Mitarbeiterin sei derart mitgenommen gewesen, dass sie von Sanitätern behandelt werden musste. Zu einem gewaltsamen Übergriff sei es allerdings nicht gekommen, räumte der Leiter des Konstanzer Sozial- und Jugendamtes, Alfred Kaufmann, auf Anfrage unserer Redaktion ein. Die Einrichtung habe im Vorfeld auf verschiedene Weise versucht, die Situation zu klären. „Wir haben für so etwas unsere Formate.“ Jedoch habe bei dem Mann die Bereitschaft zur Selbstreflexion gefehlt. „Ich bin überzeugt, dass wir richtig gehandelt haben“, sagte Kaufmann. Er bestätigte allerdings auch, dass ein gegen den Vater verhängtes Hausverbot nicht schriftlich, sondern zunächst nur telefonisch über die Mailbox übermittelt worden sei. Weil der Mann die Mailbox nicht abgehört hatte, war er ahnungslos, als er morgens mit seinem Sohn vor der Kindertagesstätte stand.
Eltern ziehen vor das Verwaltungsgericht
Kurz darauf kündigte die Stadt die Betreuungsverträge mit der Familie und setzte sowohl den Buben als auch seine drei Jahre ältere Schwester, die kurz vor dem Übergang in die Grundschule stand, fristlos vor die Tür. „Es geht nicht nur ums Kindeswohl, sondern auch um das Wohl unserer Mitarbeiter“, sagte Kaufmann. Zudem hätten womöglich auch andere Kinder den Streit mitbekommen und seien dadurch geängstigt worden. Die Eltern klagten beim Verwaltungsgericht in Freiburg gegen den Rauswurf. Zu einem Urteil kam es nicht. Allerdings lenkte die Stadt schnell ein und musste in dem vom Gericht vermittelten Vergleich ihre Kündigungen wieder zurücknehmen. Obendrein erhielten die Eltern einen finanziellen Ausgleich für den Verdienstausfall zugesprochen, den sie wegen der fehlenden Betreuung ihrer Kinder geltend machten.
„Juristisch waren die Eltern im Recht“, sagte Kaufmann. Der Bub wird mittlerweile in einem anderen städtischen Kindergarten betreut, die Tochter ist in die Grundschule gewechselt. Ärger hat es an der neuen Einrichtung nicht mehr gegeben. Allerdings versucht die Stadt durch die Umstellung ihrer Betreuungsverträge für künftige Fälle vorzubauen. Dann müssen Verträge nicht mehr gekündigt werden, sondern es genügt eine Auflösung – was juristisch einen Unterschied bedeuten könnte, wie Kaufmann glaubt. Auch dies will die Petition nun verhindern.
