Die Kunst des schönen Schreibens
Für Kalligrafie und Handlettering gelten unterschiedliche Regeln. Doch innerhalb dieser ist viel Raum für künstlerische Freiheiten. Für die Lehrerin Susanne Conrad aus Rietenau ist die Kalligrafie nicht nur ein Hobby, sondern eine Erfüllung.

© Alexander Becher
Susanne Conrad aus Aspach-Rietenau beschäftigt sich schon seit über zwei Jahrzehnten mit Kalligrafie und Handlettering. Fotos: A. Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
Aspach. Höchst konzentriert sitzt Susanne Conrad an ihrem lichtüberfluteten Arbeitstisch. Die Feder gleitet mit Leichtigkeit über das dicke Papier, durstig saugt es die Farbe auf. Wie gedruckt sieht das Ergebnis aus.
Für die Englisch- und Deutschlehrerin aus Rietenau ist die Kalligrafie nicht einfach nur ein Hobby. Es ist vielmehr eine Erfüllung. Das sieht man schon, wenn man ihre Wohnung betritt. Überall finden sich mit Buchstaben gestaltete Kunstwerke, auf unterschiedlichsten Untergründen mit verschiedenen Techniken gezaubert.
„Für mich ist auch viel Spiel dabei“, erklärt Susanne Conrad. Die Arbeiten entwickeln sich und auch aus einem Werk, das zunächst misslungen schien, erschafft sie schließlich ein Objekt, das vor ihren Augen doch noch Gefallen findet. „Ringen um etwas Schönes“, nennt sie das.
Schon immer hat sie sich gern mit Farben beschäftigt, erzählt sie. Doch irgendwie fehlte etwas, ein Rahmen, innerhalb dessen man sich ausdrücken kann. 1999 machte sie ihren ersten Kalligrafiekurs an der Volkshochschule Backnang bei Renate Mildner-Müller und war „vollkommen beseelt heimgekommen“, wie sie sich erinnert. Es sei ihr ein Herzensbedürfnis gewesen, sich damit weiter zu beschäftigen. Sie fand ihre Berufung. Der Fernseher wanderte damals in den Keller, ein großer Zeichentisch nahm seinen Platz ein. Conrad besuchte weitere Kurse und nahm auch Privatstunden bei Mildner-Müller. „Sie hat mir alles beigebracht, was sie wusste.“ Und hat Susanne Conrad auch als Dozentin für die VHS empfohlen. Seither gibt sie ihr Wissen weiter. Und lernt ebenfalls immer mehr dazu, seit etwa 2010 bei Sigrid Artmann aus Ludwigsburg und auch bei weiteren Kalligrafen. Was fasziniert die Lehrerin so an der Kunst der Kalligrafie? Die Kunst des schönen Schreibens bildete sich im mittelalterlichen Abendland vor allem deshalb heraus, um Literatur lesbar weiterzugeben. Aus diesem Grund gelten für die kalligrafischen Alphabete strenge Normen und Regeln, denn die Texte sollen stets klar lesbar bleiben. „Sobald man sich durch die Norm durchgearbeitet hat, darf man jedoch auch interpretieren“, erklärt Susanne Conrad. Auch in anderen Weltgegenden hat sich die Kunst der Kalligrafie herausgebildet, selbstverständlich mit den ihnen eigenen Schriftzeichen.
Im Gegensatz dazu ist man beim Handlettering in der Gestaltung der Buchstaben komplett frei. Man kann verschiedene Ausprägungen untereinander mischen, neue erfinden, variieren. Doch dafür gelten explizite Gestaltungsvorschriften. „Es gibt bestimmte Layouts, die ein Schriftstück zum Handlettering machen“, so Conrad. Für die Aspacherin hat die Kalligrafie etwas Meditatives. „Die Schrift ist nie gleich“, ist ihr aufgefallen. Je nachdem, was sie gerade beschäftigt, wirkt sich das auf die Ausprägung ihrer Buchstaben aus: „Was man mit der Schrift nach außen trägt, hat was mit innen zu tun.“ Und während zu Beginn ihrer Schreibkunstlaufbahn der Text im Vordergrund stand, den sie zu Papier gebracht hat, ist das in der Zwischenzeit etwas in den Hintergrund geraten. Allerdings mache sie nie Schriftbilder ohne bedeutsame Worte, auch wenn die Gestaltung der Buchstaben mehr im Vordergrund stehe.
In den letzten Jahren sind Kalligrafie und Handlettering bekannter geworden. „Durch die sozialen Medien sind immer mehr Menschen in der Lage, sich das selbst anzueignen“, hat sie beobachtet. Vor allem in den letzten beiden Jahren ist ihr ein Boom aufgefallen. „Es ist etwas Ästhetisch-Schönes und man kann sich sehr mit eigenen Ideen einbringen – innerhalb eines festgelegten Rahmens.“ Vielleicht senkt das auch die Hemmschwelle für Menschen, die sich eigentlich nicht für so kreativ halten, sich aber gern künstlerisch ausdrücken würden. Weil hier die Möglichkeit besteht, unter Anleitung kreativ zu sein und sich so selbst weiterzuentwickeln. Manch einer mag sich auch überlegen, ob Kalligrafiekenntnisse sich positiv auf die eigene Handschrift auswirken. „Eine Handschrift neu zu lernen, das muss man echt wollen“, sagt Susanne Conrad. Anregungen von außen nützen da nicht viel, wenn man nicht selbst den Willen dazu hat. Um die Handschrift zu ändern, sei tägliches Üben notwendig, ähnlich wie bei den Kindern in der Schule, die das Schreiben lernen. „Es kann nur von einem selbst ausgehen.“
Einen Tipp hat sie aber doch. Um sich beim Schreiben wohlzufühlen, solle man Werkzeuge verwenden, „die einem wirklich Freude machen“. Für Interessierte empfiehlt Susanne Conrad, einen Einführungskurs zu besuchen, um sich unter fachkundiger Anleitung mit verschiedenen Techniken, Materialien und Werkzeug vertraut zu machen. „Sonst tut man sich schwer“, hat sie festgestellt. In ihren Kursen bietet sie den Teilnehmern verschiedene Federn zum Ausprobieren an. Schreibflüssigkeiten und Schreibutensilien können bei ihr zudem zum Einkaufspreis erworben werden, damit man zu Hause das Gelernte gleich umsetzen kann. Mit ihren Grundschülern hat sie auch schon kalligrafiert, denn: „Kalligrafie ist für alle geeignet.“

© Alexander Becher
Formal streng und doch frei gestaltet.

© Alexander Becher
Edles Schreibwerkzeug im Einsatz.
Susanne Conrad Weitere Informationen und Kursangebote zu Kalligrafie und Handlettering bei Susanne Conrad findet man online unter www.schnoerkel-los.de.
Die nächsten Kurse Am 26. März findet in der VHS Winnenden der Kurs „Bold Beauty“ statt, am 2. April in der VHS Backnang ein Kurs zu „Elegant Beauty“ und am 9. April gibt es in Rietenau den Kurs „Was tun mit meiner Handschrift“.