Bundesparteitag

Die Linke will wieder eine traditionelle linke Klassenpartei sein

Die da oben – wir da unten: Der Vorsitzende Jan van Aken schwört seine Partei auf den Kampf gegen „die Superreichen“ ein.

Der linke Parteichef Jan van Aken schwört seine Partei auf den Kampf gegen „die Superreichen“ ein.

© JENS SCHLUETER/AFP

Der linke Parteichef Jan van Aken schwört seine Partei auf den Kampf gegen „die Superreichen“ ein.

Von Norbert Wallet

Zwei Tage lang haben sich die Linken zu ihrem Bundesparteitag in Chemnitz versammelt. Es war das erste linke Familientreffen nach dem sensationellen Comeback bei der Bundestagswahl, das der Partei ein überraschend gutes Wahlergebnis von 8,8 Prozent und sechs Direktmandate beschert hatte. Die Partei hatte sich darüber zu verständigen, wie sie sich nun neu aufstellen möchte. Wir fassen die wichtigsten Lehren aus dem Parteitag kurz zusammen.

Ein neuer Umgangston

Der Auszug des Wagenknecht-Flügels aus der Partei hat nicht nur inhaltliche Konsequenzen. Vielleicht noch prägender sind die Auswirkungen auf die Stimmung in der Linken. Der Umgangston ist wieder freundlicher. Die Härte und Giftigkeit, die im Konflikt zwischen dem ausgetretenen Lager und dem Mainstream der Partei an der Tagesordnung war, sind einer neuen Sachlichkeit gewichen. Gestritten wird immer noch, aber auch konfrontative Beiträge gehen heute mit gleichzeitiger Versicherung linker Solidarität einher. „Revolutionäre Freundlichkeit“ hat Parteichefin Ines Schwerdtner das genannt.

Wie werden die neuen Mitglieder integriert

Der Zulauf zu den Linken ist eine der erstaunlichsten Trends im deutschen Parteienwesen. Die Partei hat binnen weniger Monate ihre Mitgliederzahl verdoppelt. Von aktuell rund 113.000 Mitgliedern sind nach Angaben der Partei rund 55.000 seit Anfang 2025 neu eingetreten. Viele davon sind junge Menschen, oft mit akademischem Hintergrund. Die Parteiführung möchte verhindern, dass die Neuen nur ein kurzes Gastspiel in der Partei geben. Deshalb soll es gezielte Strategien geben, sie einzubinden. Dazu gehören Schulungsprogramme. Die Linke hat die Hoffnung, dass mit den neuen Mitgliedern vor allem der Charakter der Kümmerer-Partei wieder gestärkt werden kann, der vor allem im Osten lange Zeit ein Markenkern der Partei war. Politik ist Organisation – das ist ein sehr aktueller linker Grundsatz.

Das größte innerparteiliche Problem

Die Parteiführung möchte die Linke wieder ganz klassisch ausrichten: das Wort von der „Klassen-Partei“ ist wieder ganz groß in Mode. Das Vertreten der Interessen der arbeitenden Klasse, wie es im Chemnitzer Leitantrag heißt, muss aber vor allem getragen werden von den vielen neuen Mitgliedern, die aus jungen akademischen Milieus kommen und Links sein durchaus nicht so klassisch verstehen: für sie stehen eher Themen wie Post-Kolonialismus, Feminismus oder Flüchtlingsarbeit im Vordergrund. Ob das gutgehen kann, ist eine offene Frage.

Was ist der inhaltliche Schwerpunkt

Die Linke will sich stark fokussieren: nicht zu allem etwas, sondern zu ihr wichtigen Themen vieles sagen. Ines Schwerdtner hat die Linke als „die soziale Opposition“ positioniert. Soziale Gerechtigkeit soll der große Markenkern sein. Faire Löhne, bezahlbare Mieten, höhere Steuer für Reiche – das wird man in den nächsten Monaten immer wieder von den Linken hören. Oder wie es der Vorsitzende Jan van Aken am Samstag formulierte: „Die Grenze verläuft nicht zwischen Menschen mit oder ohne deutschen Pass. Die Grenze verläuft immer von oben nach unten.“ Und er schwört die Partei auf den Kampf „gegen die Superreichen“ ein.

Wo lauern Konflikte?

Wirklich spaltende Themen gibt es nach dem Austritt des Wagenknecht-Flügels nicht. Ein klassisches heißes Eisen wird inzwischen ziemlich entspannt behandelt: Regieren oder nicht? Irgendwann wird die Linke klären müssen, ob sie strategisch doch wieder die rot-rot-grüne Machtperspektive auf Bundesebene reaktivieren will. Immerhin dürfte die Partei ohne Wagenknecht aus der Sicht von SPD und Grünen bündnisfähiger geworden sein. Hier scheint derzeit die Haltung mehrheitsfähig zu sein: Wenn es unserer Klientel nützt, machen wir es.

Zündstoff hat derzeit das Thema Israel/Palästina. Der Parteivorstand hat eine sehr harte Erklärung verabschiedet, die sich vehement von einem Post der linken Politikern Ulrike Eifler, selbst Vorstandsmitglied, distanziert. Der Post zeigte eine stilisierte Landkarte, die den Staat Israel nicht auszeichnete. Die Darstellung war mit dem Text „All united for free Palestine“ versehen: Alle zusammen für ein freies Palästina. Manche sahen darin die Leugnung des Existenzrechtes Israels. Eifler hat auf dem Parteitag durchaus auch Unterstützung erfahren. Das Thema köchelt weiter. Dagegen ist die Partei beim Thema Ukraine/Russland/Rüstung ziemlich einig. Waffenlieferungen an die Ukraine werden abgelehnt, in der Beurteilung des autoritären Charakter des Putin-Regimes gibt es wesentlich weniger Dissens als früher. Die Aufrüstung der Bundeswehr wird fast einhellig abgelehnt.

Das neue politische Gewicht

Die Parteiführung hat erkannt, dass die Merz-Regierung die Linke bei einigen Fragen braucht: etwa bei der Reform der Schuldenbremse, aber auch bei Richterwahlen. In diesem Jahr sind drei Stellen am Bundesverfassungsgericht neu zu besetzen. Kostenlos wird es die Mithilfe der Linken nicht geben. „Augenhöhe“ ist das nun oft gebrauchte Zauberwort. Die Linke sieht die Chance, die Union zu einem respektvolleren Umgang zu bewegen. Da geht es auch um dem Unvereinbarkeitsbeschluss, der in der Union noch gilt, aber neu diskutiert wird. Das gäbe der Linken auch neue strategische Möglichkeiten, weil sie so auch vielleicht politisch gemäßigtere Milieus ansprechen könnte.

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Erstellt:
10. Mai 2025, 13:02 Uhr

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