„Die Luft in Backnang ist viel besser“

Das Interview: Oberbürgermeister Frank Nopper will Dieselfahrverbote verhindern – Beim B-14-Ausbau bleibt er Optimist

Im Februar ist der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper mit 87,1 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Doch es gab 2018 auch unerfreuliche Momente für den OB, etwa den Streit ums Kaelble-Areal mit Investor Hermann Püttmer. Im großen BKZ-Interview spricht der 57-Jährige über das abgelaufene Jahr und die Herausforderungen in seiner dritten Amtszeit.

„Die Luft in Backnang ist viel besser“

© Pressefotografie Alexander Beche

Von Kornelius Fritz

Am Ende eines Jahres blickt man gerne zurück. Welcher Moment im Jahr 2018 wird Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Viele Momente sind mir in bester Erinnerung: So etwa die Nachricht vom Landeszuschuss für die Karl-Euerle-Halle, die Feierlichkeiten zum 650. Jubiläum in Steinbach, der Sieg der TSG-Judo-Frauen bei den Deutschen Meisterschaften in Backnang, das Konzert mit Vanessa Mai auf dem Stiftshof und auch die mit gewissen Verzögerungen dann doch erfolgte Freigabe des B-14-Abschnitts durch das Regierungspräsidium. Aber es gab natürlich auch Tiefschläge: Ich denke zum Beispiel an die Veruntreuung von mehreren Hunderttausend Euro durch einen Mitarbeiter der Stadtwerke.

Was Sie jetzt interessanterweise nicht aufgezählt haben, ist die OB-Wahl. Sie sind im Februar für acht weitere Jahre gewählt worden. Damit können Sie im Amt bleiben, bis Sie 65 sind...

Nein, nein, nein, Sie haben nicht recht. Bis ich 64 bin (lacht).

Entschuldigen Sie, dann habe ich mich verrechnet. Trotzdem die Frage: Können Sie jetzt freier agieren? Eigentlich sind sie ja nicht mehr auf das Wohlwollen der Wähler angewiesen.

Man sollte als OB immer so handeln, als ob am nächsten Tag Wahl wäre. Im Übrigen könnte ich nach dem neuen Dienstrecht ja theoretisch noch eine volle vierte Amtszeit machen. Wer weiß, was noch alles kommt.

Backnang hat es in letzter Zeit häufiger in die Tagesschau geschafft, nämlich immer dann, wenn eine Liste der Städte mit der höchsten Stickoxidbelastung gezeigt wurde. Das dürfte nicht die Art von Publicity sein, die Sie sich als OB wünschen.

Stimmt.

Sie haben zuletzt Kritik am Standort der Messstelle in der Eugen-Adolff-Straße geübt. Aber das Land setzt hier doch nur EU-Recht um. Dazu ist es verpflichtet.

Gerade weil es EU-Recht ist, müssen wir es auch EU-einheitlich umsetzen. Ich bin der Meinung, dass wir Deutschen nicht immer überakkurat sein müssen bei der Umsetzung von EU-Recht. Es gibt ja in keinem anderen europäischen Land ein Dieselfahrverbot. Der Standort an der Eugen-Adolff-Straße ist von einer Landesbehörde ohne jedwede Abstimmung mit der Stadtverwaltung festgelegt worden. Und ich halte es für fragwürdig, eine Messstelle an einem Standort aufzustellen, wo wirklich alle negativen Faktoren zusammenkommen: In einer Häuserschlucht, direkt gegenüber von einer Felswand, wo die Luft überhaupt nicht abziehen kann. Und dann so zu tun, als ob diese Messung repräsentativ für das gesamte Stadtgebiet oder wenigstens für die Innenstadt wäre. Tatsächlich ist die Luft in Backnang viel besser, als es durch diese Messung scheint.

Trotzdem drohen Fahrverbote, wenn der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter bis Ende 2019 nicht eingehalten wird. Wie wollen Sie das schaffen?

Die Werte sinken ja schon. Wir hatten 56 Mikrogramm im Jahr 2016, 53 im Jahr 2017, und 2018 werden es, so wie es jetzt aussieht, 50 Mikrogramm sein. Dies dürfte schon allein durch den Austausch von Altfahrzeugen durch schadstoffärmere Neufahrzeuge geschehen sein. Und wir ergreifen verschiedene Maßnahmen: Ab Januar werden in diesem Abschnitt ausschließlich Euro-6-Diesel-Linienbusse verkehren. Wir wollen für weite Teile der Innenstadt eine digitale Verkehrslenkung einführen. Im betroffenen Streckenabschnitt kommt möglicherweise eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 Kilometer pro Stunde und vielleicht auch ein Lkw-Durchfahrtsverbot. Ich halte Pkw-Fahrverbote vor diesem Hintergrund für unverhältnismäßig. Und wir werden alles daransetzen, dies den Backnangern und auch denjenigen, die aus dem Umland zu uns kommen, zu ersparen.

Auch ein neues Radinfrastrukturkonzept wurde in diesem Jahr vorgelegt. Um alle vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen, müsste die Stadt neun Millionen Euro investieren. Das erscheint unrealistisch. Können Sie den Radfahrern trotzdem spürbare Verbesserungen in Aussicht stellen?

Wir planen nächstes Jahr ein Sofortprogramm, das rund 60000 Euro kosten wird. Wir wollen vor allem an die Themen ran, bei denen wir eine enorme Nachfrage und auch einen Nachholbedarf feststellen – insbesondere bei Fahrradboxen, bei Fahrradstellplätzen und bei der Beschilderung von Radwegen. Wir werden in den nächsten Jahren auch in anderen Bereichen aufholen – vor allem auch bei der Durchgängigkeit von Radwegen.

Der vierspurige B-14-Abschnitt zwischen Nellmersbach und Waldrems ist im November in Betrieb gegangen, allerdings hat der Bau nicht eineinhalb, sondern zweieinhalb Jahre gedauert. Glauben Sie angesichts solcher Verzögerungen bei einem eigentlich unkomplizierten Abschnitt immer noch daran, dass der Verkehr Mitte der 20er-Jahre vierspurig bis zur Krähenbachkreuzung fließt?

Optimismus und Zuversicht sind gute Berater für jeden Kommunalpolitiker, gerade auch für einen Oberbürgermeister. Deswegen glaube ich nach wie vor an das große Ziel 2026, auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass dies ein ambitioniertes und sportliches Ziel ist.

Die Bewohner von Heiningen und Waldrems sehen den Ausbau mit größter Sorge. Sie befürchten, dass künftig noch mehr Verkehr vor ihren Haustüren vorbeirollt. Wie wollen Sie das verhindern?

Das kann man vor allem über eine gute und kreuzungsfreie Anbindung des Weissacher Tals an die B14 über die Heinrich-Hertz-Straße verhindern. Wir versuchen alles und wirken auf das Regierungspräsidium ein mit dem Ziel, dass eine solche Anbindung gelingt und die südlichen Stadtteile vom Durchgangsverkehr entlastet werden.

Würden Sie dafür auch eine Verzögerung des Ausbaus in Kauf nehmen?

Qualität geht immer vor Geschwindigkeit.

Keinen erkennbaren Fortschritt gab es im vergangenen Jahr auf dem Kaelble-Areal. Stattdessen kam es zu einem offenen Streit mit Investor Hermann Püttmer, der der Stadt Untätigkeit vorwirft. Wie wollen Sie dieses für die Stadt ja nicht ganz unwichtige Projekt wieder in konstruktive Bahnen lenken?

Mit Gelassenheit, Zielstrebigkeit und Entschlossenheit. Wir sind und bleiben im Gespräch mit Hermann Püttmer, mit Markus Püttmer und anderen Vertretern der Riva.

Aber wie soll es im nächsten Jahr konkret weitergehen? Wie sieht Ihre Idee für das Kaelble-Areal aus?

Jetzt muss Riva erst mal die Vorarbeiten machen, die da sind: Altlastenuntersuchung und Hochwasserschutz. Das bedeutet erst mal Schwarzbrot und noch kein Rinderfilet. Erst dann kommt die Frage, was dort alles entstehen kann. Ich habe aber den Eindruck, dass Hermann Püttmer mittlerweile realisiert hat, dass es so, wie er es ursprünglich vorhatte, nicht kommen kann. Deswegen wollen wir gemeinsam eine neue Konzeption entwickeln.

Die SPD hat vorgeschlagen, die Stadt solle ein eigenes Konzept für das Kaelble-Areal entwickeln, sozusagen als Gegenentwurf zu den Plänen des Investors. Was halten Sie von dieser Idee?

Wir brauchen keinen Gegenentwurf, sondern einen gemeinschaftlichen Entwurf. Wir können als Stadtverwaltung nicht das Konzept für einen Bauherrn entwickeln. Das würde auch unsere Kapazitäten völlig überschreiten. Wir wollen das Projekt gerne einbinden in die Internationale Bauausstellung 2027. Da werden dann alle ihre Vorstellungen einbringen können: die Planer und Architekten der IBA, der Bauherr, die Stadt. Aber für ein so gigantisches Projekt, das Architekt Jahn auf knapp 500 Millionen US-Dollar taxiert, braucht man viele Jahre und einen langen Atem.

Zu Püttmers Plänen gehört auch der Bau eines Hochhauses. Mittlerweile denken viele Kommunen in der Region über höhere Gebäude nach: So könnte man neue Wohnungen schaffen, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln. Können Sie sich, losgelöst von diesem konkreten Projekt, neue Hochhäuser in Backnang vorstellen?

Höheres Bauen ist grundsätzlich natürlich eine Überlegung wert in einer Zeit, in der Wohnraum fehlt. Aber ein Hochhaus muss auch ins Umfeld und ins gesamtstädtische Gefüge passen. Und wir müssen uns auch fragen, wer dort wohnen soll: Das Hochhaus, das Hermann Püttmer plant, ist extrem hochpreisig. Vergleichbare Wohnungen, die er in Frankfurt plant, kosten bis zu 7,5 Millionen Euro. Dieses Hochhaus wäre – entgegen den Aussagen einzelner Stadträte – deshalb sicher kein Beitrag für bezahlbaren Wohnraum, sondern eher ein Beitrag für unbezahlbaren Wohnraum.

Eines Ihrer Lieblingsprojekte, für das Sie sich auch persönlich sehr engagiert haben, war das Brauhaus im ehemaligen Löwen. Wie enttäuscht waren Sie, als sie gehört haben, dass die Pläne, zumindest so wie ursprünglich geplant, nicht umgesetzt werden?

Man wird sehen, wie enttäuscht ich bin. Wenn eine kleine Lösung kommt mit einer guten gastronomischen Nutzung und einer überzeugenden Lösung in Sachen Einzelhandel, dann bin ich trotz allem glücklich und zufrieden. Wenn die nicht käme, wäre ich schon sehr enttäuscht. Aber ich bleibe auch in dieser Frage Optimist und gehe davon aus, dass es dem Bauherrn gelingt, eine kleine, aber gute Lösung zu realisieren.

Um ein anderes Thema ist es im vergangenen Jahr deutlich ruhiger geworden, nämlich die Flüchtlingsunterbringung. Anfang des Jahres war noch von einer möglichen Containerlösung unterhalb des Viadukts die Rede. Sind diese Pläne noch aktuell?

Wir gehen davon aus, dass wir keine Containerlösung im Stadtgebiet brauchen, dort nicht und an anderer Stelle auch nicht. Abschließende Sicherheit haben Sie bei diesem Thema, das ständig im Fluss ist, aber nicht.

Backnang hat in den kommenden Jahren viel vor. In den nächsten vier Jahren will die Stadt mehr als 80 Millionen Euro investieren. Finanzieren ließe sich das nach heutiger Planung nur mit einer Vervierfachung der Schulden auf 17,6 Millionen Euro. Wie passt eine solche Finanzplanung zu einem OB, der gerne Sparsamkeit predigt?

Das passt nur deswegen, weil ich erwarte, dass wir eine Verschuldung in dieser Dimension letztlich dann doch nicht brauchen. Ich gehe davon aus, dass die Rechnungsergebnisse besser sein werden als die heutigen Planungen. Allerdings gilt: Wenn man das Risiko einer Neuverschuldung eingeht, dann zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wo die Finanzierungskosten sehr niedrig sind. Andererseits stehen den niedrigen Finanzierungskosten mittlerweile auch hohe Baukosten gegenüber. Wenn die Baukosten aus dem Ruder laufen, muss man gegensteuern.

Das heißt, das Investitionsprogramm wird möglicherweise noch abgespeckt?

Ich bin kein Prophet und kann keine abschließende Aussage über die fiskalische und konjunkturelle Entwicklung der nächsten Jahre machen. Aber wenn es so gut weiterläuft wie gegenwärtig, ist davon auszugehen, dass wir die Investitionen wie geplant durchziehen.

Inklusive einer neuen Karl-Euerle-Halle?

Ja, inklusive Karl-Euerle-Halle.

Gut gelaunt in die dritte Amtszeit: Oberbürgermeister Frank Nopper im Gespräch mit BKZ-Redaktionsleiter Kornelius Fritz.

© Pressefotografie Alexander Beche

Gut gelaunt in die dritte Amtszeit: Oberbürgermeister Frank Nopper im Gespräch mit BKZ-Redaktionsleiter Kornelius Fritz.

Zum Artikel

Erstellt:
29. Dezember 2018, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Gesellinnen und Gesellen im Rems-Murr-Kreis werden ausgezeichnet

In dieser Woche hat die Lossprechungsfeier der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr stattgefunden. In der Barbara-Künkelin-Halle in Schorndorf sind bei dieser Gelegenheit auch die Auszeichnungen an die besten Junghandwerkerinnen und Junghandwerker verliehen worden.

Stadt & Kreis

Das Bildhafte der Kinderkreuzwege spricht Kinder im Herzen an

Viele Kirchengemeinden im Raum Backnang organisieren Kinderkreuzwege und versuchen so, die Leidensgeschichte Jesu auf kindgerechte Art und Weise zu vermitteln. Der Schwerpunkt der Verkündigung liegt dabei nicht auf der grausamen Passion, sondern auf der frohen Osterbotschaft.

Maria Török ist eine von über 100 Pflegekräften im Staigacker. Sie kümmert sich liebevoll und gern um die Bewohner. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Personalnotstand setzt Pflegeheimen im Raum Backnang zu

Weil offene Stellen nur schwer besetzt werden können oder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausfallen, kommt es in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Personalengpässen. Trotzdem muss die Versorgung weiterlaufen. Heime greifen deshalb auf Zeitarbeitsfirmen oder Springer zurück.