Die Magie des Zehnkampfs

Gelingt dem Titelverteidiger Niklas Kaul bei der EM in Rom erneut der goldene Wurf? Sein Vater und Trainer ist sehr zuversichtlich, dass er es schafft.

Stark im Speerwurf: Niklas Kaul Stark im Speerwurf: Niklas Kaul

© IMAGO/Leah Kohring

Stark im Speerwurf: Niklas Kaul Stark im Speerwurf: Niklas Kaul

Von Ewald Walker

Rom - Niklas Kaul hat klare Vorstellungen für die am Freitag beginnenden Leichtathletik-Europameisterschaften in Rom. „Eine der drei Medaillen möchte ich schon holen“, sagt der 26-jährige Mainzer Zehnkämpfer. Kaul ist Titelverteidiger und Hoffnungsträger des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) in der Ewigen Stadt. Sechs Zehnkämpfer außer ihm rechnen sich Medaillenchancen aus. „Das wird ein großer Zehnkampf in Rom“, sagt Kaul. Zwei ganz große Zehnkämpfe hat er in seiner Karriere bestritten: bei der WM 2019 in Doha/Katar und bei der EM 2022 in München.

Unmittelbar vor den Europameisterschaften in Rom ist Kauls erstes Buch („Die Magie des Zehnkampfs“) erschienen. Darin schildert er seine goldenen Speerwürfe auf dem Weg zum Welt- und Europameister – und damit zum König der Athleten. Aber es geht auch um die Tiefen in seiner Karriere.

Rückblende: Es war der 3. Oktober 2019. Nach einer grandiosen Aufholjagd von Platz 20 (über 100 Meter) gewinnt er in Doha mit einem überragenden 1500-Meter-Lauf den WM-Titel, wird der König von Katar, und mit 21 Jahren der jüngste Zehnkampf-Weltmeister aller Zeiten. „Wenn ich mich an den Speerwurf und die 1500 Meter erinnere, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut“, sagt Kaul. Er ist der Athlet des zweiten Tages. Mit 79,05 Meter erzielt er mit dem Speer einen Weltrekord im Zehnkampf. Keiner hat je so weit geworfen wie der Jungspund aus Mainz. Und am 16. August 2022 liefern Niklas Kaul und der Schweizer Simon Ehammer sich vor 50 000 Zuschauern im Münchner Olympiastadion ein großartiges Duell. Kaul krönt sich mit drei Bestleistungen und einem überragenden 1500-Meter-Lauf zum Europameister.

Als Welt- und Europameister steht Kaul in einer großen deutschen Zehnkampf-Tradition. Willi Holdorf (1964) und Christian Schenk (1988) wurden Olympiasieger, Kurt Bendlin, Guido Kratschmer und Jürgen Hingsen Weltrekordler, Thorsten Voss Weltmeister, Siggi Wentz Vizeweltmeister, Frank Busemann holte Olympiasilber, und Werner von Moltke, Pascal Behrenbruch sowie Arthur Abele als Europameister kamen auch auf eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz.

In Mainz passen für Niklas Kaul Leistungssport und Studium (im Lehramt Physik und Sport) bestens zusammen. Die Bachelorarbeit hat er hinter sich („Alltagsbezüge im Physik-Unterricht“). Er ist zufrieden, dass er sein Studium mit dem Sport finanzieren kann. „Doha war eine Überraschung, München harte Arbeit“, sagt er über seine sportlichen Höhenflüge.

Verletzungen bremsten Kaul dann sowohl bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 als auch bei der WM in Budapest im vergangenen Sommer aus. „Diese Enttäuschung möchte ich nicht noch einmal erleben“, sagt er.

Der Zehnkämpfer kommt aus einer Leichtathletik-begeisterten Familie. Vater Michael war deutscher Meister über 400 Meter Hürden, Mutter Stefanie österreichische Staatsmeisterin über 400 Meter Hürden und 400 Meter. Und Schwester Emma wandelt erfolgreich in den Mehrkampfspuren ihres Bruders. Sie war bereits deutsche Meisterin im U-16- und U-18-Siebenkampf.

Zwei Trainingslager in Stellenbosch (Südafrika) hat Niklas Kaul vor der EM in Rom absolviert. „Der Fuß hält“, sagt er – und seine jüngsten Leistungen mit dem Speer (75,42 Meter) und die Bestleistung über 110 Meter Hürden (14,17 Sekunden) geben Anlass zu Medaillenhoffnungen. „Niklas ist athletisch noch nie so gut gewesen wie derzeit“, sagt Trainer-Vater Michael Kaul.

Der größte nationale Konkurrent seines Sohnes startet nicht in Rom. Leo Neugebauer vom VfB Stuttgart, deutscher Rekordhalter im Zehnkampf, bestreitet an diesem Mittwoch und Donnerstag die US-Collegemeisterschaften in Eugene. Bei den Olympischen Spielen in Paris Anfang August werden mit Neugebauer und Kaul dann zwei große deutsche Hoffnungsträger antreten – und rund zehn Athleten kämpfen dort um die Medaillen. „Das wird der engste Zehnkampf der olympischen Geschichte werden“, sagt Niklas Kaul. Doch erst einmal geht es nach Rom.

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Erstellt:
4. Juni 2024, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
5. Juni 2024, 22:01 Uhr

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