„Die Partei sollte nach vorn schauen“

Auch wenn die hiesige Parteiprominenz überwiegend einen anderen Kandidaten als den gewählten Armin Laschet als Bundesvorsitzenden der CDU favorisiert hatte, nämlich Friedrich Merz, ist man sich über das gute Gelingen der digitalen Premiere beim Online-Parteitag einig, zeigt eine Telefonumfrage.

Er war der Favorit der Rems-Murr-Christdemokraten: Friedrich Merz (rechts), der auf Einladung des CDU-Stadtverbands Murrhardt Ende September vergangenen Jahres nach Murrhardt gekommen war. Auf dem Podium, hier zusammen mit Landtagskandidat Georg Devrikis, erläuterte er seine Positionen. Archivfoto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Er war der Favorit der Rems-Murr-Christdemokraten: Friedrich Merz (rechts), der auf Einladung des CDU-Stadtverbands Murrhardt Ende September vergangenen Jahres nach Murrhardt gekommen war. Auf dem Podium, hier zusammen mit Landtagskandidat Georg Devrikis, erläuterte er seine Positionen. Archivfoto: J. Fiedler

Von Carmen Warstat

CDU-Landtagsabgeordneter Wilfried Klenk ist froh, dass endlich eine Entscheidung gefällt wurde und es jetzt Klarheit gibt. Man könne sich nun auf das Superwahljahr konzentrieren. Er hielt alle drei Kandidaten für den Parteivorsitz für kompetent, politisch erfahren und wählbar. Möglicherweise hätte das sozial-marktwirtschaftliche Profil der Partei unter Friedrich Merz geschärft werden können, meint Klenk und lobt Armin Laschet dennoch als Mann der Mitte, der lösungsorientiert arbeite und in Nordrhein-Westfalen „einen guten Job“ mache. Unter anderem Norbert Röttgens Platz im Präsidium schaffe gute Voraussetzungen für eine Überwindung der Differenzen innerhalb der Partei.

Georg Devrikis, Landtagskandidat und Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Murrhardt, schätzt alle drei Kandidaten und räumt ein, dass ihm die Wahl schwergefallen wäre. Aus wirtschaftlicher Sicht habe er Friedrich Merz „leicht favorisiert“, könne aber gut mit Armin Laschet leben. Als „Mannschaftskapitän“ nach innen und „mit klarer Kante“ nach außen müsse dieser nun wirksam werden, und dies bezeichnete Devrikis als große Herausforderung, die Laschet gemeinsam mit den Mitgliedern der Partei meistern werde. Die Kandidatur für das Kanzleramt müsse ebenfalls mit allen CDU-Mitgliedern sowie der CSU geregelt werden. Auch wenn er das Delegiertenprinzip für Parteitage grundsätzlich begrüßt, glaubt Devrikis, dass für die Besetzung wichtiger Positionen in der Zukunft Mitgliederentscheide vorteilhaft wären.

Selbst „deutlich aus der Wirtschaftsecke“ kommend, hätte die ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Rosely Schweizer Friedrich Merz bevorzugt. Zwar bewundert sie Angela Merkel sehr, hält aber „ein weiter so“ in ihrem Stil nicht für den richtigen Weg. Man hätte einen neuen Aufbruch gebraucht, findet sie. Nichtsdestotrotz wünscht sie Armin Laschet für die „Herkulesaufgabe“, die Partei wieder zu einen und „unter einem Dach zusammenzubringen“, alles Gute. Alle Seiten müssten aufeinander zugehen, denn es habe Parteien immer geschadet, wenn sie dies nicht vermochten. Ihre Sicht auf die Kanzlerfrage ließ Schweizer offen: Es gelte, zunächst zu schauen, wie die potenziellen Bewerber sich präsentieren werden.

Backnangs Oberbürgermeister und CDU-Kreisrat Frank Nopper, bald OB in der Landeshauptstadt Stuttgart, versteht sich als Kommunalpolitiker nicht in erster Linie als Parteimensch, nimmt aber dennoch gern Stellung zur Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden. Nach seinem Favoriten befragt, sagt der Oberbürgermeister: „Wer gewählt ist, genießt die volle Loyalität der Partei.“ Armin Laschets Aufgabe sei es jetzt, die Partei zu einen, und dazu gehöre es als eine der integrativen Maßnahmen, Friedrich Merz zumindest in einer zukünftigen Bundesregierung mit einer verantwortungsvollen Aufgabe zu betrauen. Die Stärke der Volkspartei CDU seit ihrer Gründung sei es, die drei Strömungen (konservativ, christlich-sozial und wirtschaftsliberal) in sich zu vereinen, und daran müsse auch jetzt alles gesetzt werden. Die Kanzlerfrage sei „noch sperrangelweit offen“, es sei hier auch von Bedeutung, ob der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Amt übernehmen will oder nicht.

„Ich persönlich hätte mir bei dieser Bewerberlage Friedrich Merz gewünscht“, sagt Manuel Häußer. Der Vorsitzende des CDU-Stadtverbands Backnang blickt voraus auf die Landtagswahl und ist der Meinung, dass Merz die Wähler besser würde mobilisieren können, da er über die größte Wirtschaftskompetenz verfüge. Armin Laschets Parteitagsrede lobt Häußer dennoch als sehr gut und emotional. „Es war der stärkste Auftritt der drei Bewerber.“ Nun sei es an Laschet, parteiintern auch die Merz-Unterstützer mitzunehmen. Eine weitere zentrale Aufgabe sei die Modernisierung der Parteiarbeit und des öffentlichen Erscheinungsbilds. „Querelen“ könne man im Superwahljahr nicht gebrauchen, die wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Pandemie stellten eine Herkulesaufgabe dar. Einen Automatismus vom CDU-Vorsitz zur Kanzlerkandidatur lehnt Häußer ab. Die Landtagswahlen im März müssten abgewartet und die Frage mit der CSU abgeglichen werden. „Der mit den besten Chancen soll es werden.“

Inge Gräßle, Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd, betont, dass die Wahl vorbei ist, und rät der Partei, geschlossen hinter dem Gewählten zu stehen. Sie warnt davor, „in der Wahlnachlese die Gräben zu vertiefen“. Es gäbe nun die Gelegenheit, „sich mit den wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen“. Armin Laschet kennt sie persönlich sehr gut und bezeichnet ihn als Freund. Jahrelang hat sie im Europaparlament mit ihm zusammengearbeitet: „Der verlässlichste und warmherzigste Mensch, den man sich vorstellen kann.“ Zudem könne er Druck aushalten und sei, wie jeder CDU-Vorsitzende bisher, ein geeigneter Kanzlerkandidat. Jetzt könne sie ihrer Partei nur empfehlen, nach vorn zu schauen.

CDU-Bundestagsabgeordneter Norbert Barthle, der nicht mehr für den Bundestag kandidieren wird, sagt: „Wir hatten drei wirklich hervorragende Kandidaten“. Er macht keinen Hehl daraus, dass er selbst sich die Wahl von Friedrich Merz gewünscht hätte. „Die Delegierten hätten etwas mutiger sein können, sie haben sich für das geringere Risiko entschieden.“ Armin Laschet müsse nun die große Leistung vollbringen, die Partei wieder zusammenzuführen, und „bei den Funktionsträgern“ werde das auch schnell gehen. Sie dürften sich in diesem wichtigen Wahljahr bald hinter Laschet versammeln, allein: Die Basis sei enttäuscht und müsse wieder für den Wahlkampf motiviert werden. Was die Kanzlerfrage betrifft, vermutet er, dass Markus Söder (CSU) am Samstag „die Korken knallen“ ließ. Man werde sehen, mit wem die Union die besten Wahlchancen hat, fügt Barthle hinzu.

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Erstellt:
18. Januar 2021, 06:00 Uhr

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