Cocktails
Die Renaissance des Vermouths
Die jüngere Generation entdeckt den aromatisierten Wein neu: Pur, in klassischen Cocktails wie dem Negroni und dem Manhattan – oder in ganz neuen Mischungen.
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Beliebtester Cocktail weltweit: der Negroni
Von Gerhard Bläske
Für populäre Drinks wie den Negroni, Americano, Manhattan oder Martini ist Vermouth ein unerlässlicher Bestandteil. Doch auch in neuen Cocktails oder pur gewinnt der meist bitter-süße Aperitivo gerade bei jüngeren Verbraucher deutlich an Boden. Um durchschnittlich 25 Prozent pro Jahr sind die Verkaufszahlen der im Konsortium „Vermouth di Torino“ vertretenen 49 Marken aus Turin und Umgebung in den letzten Jahren gestiegen. Der Umsatz der Turiner Vermouth-Produzenten hat sich seit 2018 auf 172 Millionen Euro fast versechsfacht.
Die Turiner Hersteller setzen auf Qualität. Ausschließlich italienische Weine dürfen verwendet werden. Bei den höheren Qualitäten muss die Hälfte davon aus Piemont kommen. Der Mindestzuckergehalt, der je nach Sorte unterschiedlich ist, aber auch der Mindestalkoholgehalt von 15,5 Prozent, sind festgeschrieben.
Meist liegt der Alkoholgehalt bei 17 oder 18 Prozent. Durchschnittlich 25 Euro kostet eine Flasche des aromatisierten Weins aus Turin, der fast immer aus den Weißweinsorten Muskat, Trebbiano und Malvasia hergestellt wird. Vermouth-Sorten aus anderen Regionen bekommt man oft schon für die Hälfte oder weniger.
Beliebtestes Exportland sind die USA – noch
Zentraler Bestandteil des Vermouths ist das Wermutkraut. Dazu kommen Zucker, Wein und etwa 30 Kräuter und Gewürze, darunter Anis, Majoran, Salbei, Kamille, Vanille und vieles mehr. Der Exportanteil ist hoch. 85 Prozent der Produktion werden ausgeführt, vor allem in die USA. Aber noch spüren die Produzenten aus Turin nichts von den US-Strafzöllen, sagt Roberto Bava, langjähriger Präsident des Konsortiums.
Je nach Zuckergehalt und Farbe gibt es den Turiner Vermouth in den Versionen Extra Dry, Dry und Dolce sowie in weiß, rosé oder rot. Auch die roten Vermouth-Sorten werden in den allermeisten Fällen aus Weißweinen produziert. Die dunklere Farbe entsteht in der Regel durch den Zusatz von karamellisiertem Zucker.
Die Heimat des Vermouth ist Turin
Vermouth hat eine lange Geschichte. Schon im antiken Griechenland, in Ägypten, in China und im alten Rom gab es aromatisierte Weine. Hippokrates empfahl sie gegen Gelbsucht und Tetanus. Auch zur Stärkung des Immunsystems, gegen Schwermut und Erschöpfung wurden die Weine eingesetzt. In Deutschland sind aromatisierte Wermut-Weine bereits vor dem Jahr 1500 dokumentiert.
Der Vermouth moderner Prägung stammt jedoch aus Turin. Es war Antonio Benedetto Carpano, der 1786 einen nach ihm benannten Vermouth herstellte, der schnell Erfolg hatte und auch im Königshaus goutiert wurde. Vermouth-Fabriken schossen in der Folge zunächst vor allem rund um Turin regelrecht aus dem Boden. Den Höhepunkt hatte die Vermouth-Produktion vor dem Ersten Weltkrieg.
Danach folgte ein langer Niedergang. In Frankreich war Absinth zeitweise sogar verboten. Und in Deutschland gab es den Begriff der alkoholisierten „Wermut-Brüder“.
In Madrid läuft Vermouth aus dem Zapfhahn
Doch seit 2010 gibt es einen neuen Boom. Zahlreiche neue Marken entstanden, auch in Deutschland. Vor allem die Berliner Marke Belsazar, die zur Herstellung Weine aus Südbaden sowie Obstbrände aus dem Schwarzwald zur Verfeinerung verwendet, hat sich einen sehr guten Namen gemacht. Ein weiterer Hersteller aus Berlin die deutsch-italienische Znaida, die hauptsächlich Weine aus Piemont und insgesamt 36 Kräuter zur Herstellung einsetzt.
Einen guten Namen haben traditionell auch französische Produzenten wie Noilly Prat. Während italienischer Vermouth meist eher süßlich und kräftig ist, sind französische Vermouth in der Regel trocken. Auch in Spanien ist Vermouth sehr beliebt. In Madrid und anderen Städten gibt es einfache Qualitäten in vielen Bars sogar vom Zapfhahn.
Was wird die Zukunft bringen?
In der Branche hat es in den letzten Jahren auch Veränderungen gegeben. Bis vor wenigen Monaten gehörte die bekannte Marke Cinzano noch zur börsennotierten Campari-Gruppe, die sie dann an die Gruppo Caffo verkaufte. Carpano und Punt e Mes sind seit vielen Jahren Teil der Fratelli Branca Distillery, deren bekanntestes Produkt der Magenbitter Fernet Branca ist.
Das Konsortium Vermouth di Torino, hält die Fahne des qualitativ hochwertigen Aromaweins aus Turin hoch und will sich auch mit der Herkunftsbezeichnung von anderen Produzenten absetzen. In der Vermouth-Hauptstadt ist man zuversichtlich, dass die Beliebtheit des Vermouths in den kommenden Jahren weiter zunimmt. Denn der frühabendliche Aperitivo auf den Terrassen der Bars von Turin, Mailand oder Rom ist nach wie vor ein beliebtestes Ritual in Italien. Und da gehört Vermouth einfach dazu – ob pur oder in einem Cocktail.
Oder lieber einen Longdrink?
Soda In moderneren Varianten wird Vermouth heute gern als Longdrink mit Soda oder Tonic gemischt. Doch auch pur, aufgespritzt mit Wasser oder mit Eis oder gemixt mit Wodka, Gin oder Whiskey wird Vermouth heute in vielen Bars getrunken.
Negroni Ein Klassiker ist der weltweit beliebteste Cocktail, der Negroni. Er besteht zu gleichen Teilen aus Gin, rotem Vermouth und Campari. Dazu kommen Eis und eine Orangenscheibe oder –schale.
