„Die Schüler-Geno ist kein Sandkastenspiel“

Von Florian Muhl

BACKNANG. Jürgen Beerkircher ist stolz darauf, den Genossenschaftstag, der immer am ersten Samstag im Juli begangen wird, heuer zum 13. Mal in Baden-Württemberg, nach Backnang geholt zu haben. „Dieser Tag findet dieses Jahr erstmals auch im Rems-Murr-Kreis statt“, betont der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Backnang. Auch Frank Nopper ist begeistert: „Backnang ist geradezu der geborene Schauplatz für den Genossenschaftstag des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands, weil Backnang als Stadt der Badischen Markgrafen im Herzen Württembergs die badische und württembergische Stadt schlechthin ist.“

Sieben Stunden lang wird an diesem Tag auf der Marktplatzbühne einerseits ein vielseitiges, buntes Programm mit kulturellen und sportlichen Höhepunkten geboten, andererseits präsentieren sich knapp zehn Genossenschaften und Verbände, die an mehreren Ständen über ihre Arbeit und Ziele informieren (siehe Infokasten). Wenn sie das Wort Genossenschaft hörten, würden die meisten Menschen an Volks- und Raiffeisenbanken denken, oder vielleicht noch an die Baugenossenschaft, die Landwirte oder die Weingärtner; aber es gebe noch viele andere, sagte gestern Roman Glaser bei der Vorstellung des Genossenschaftstags. „Noch nie gab es so viele unterschiedliche Genossenschaften im Südwesten wie heute. Die aktuell nahezu 800 Genossenschaften verteilen sich mittlerweile auf rund 50 Branchen“, so der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) weiter.

„Drei gute Mitarbeiter genügen, um eine Genossenschaft zu gründen“

Die Vielfalt an genossenschaftlichen Unternehmen reiche von den Handelsriesen Intersport und Euronics über die bis zum Gasthof, Dorfladen oder zur Schwimmbad-Genossenschaft. Bisher entstanden beziehungsweise entstehen neue Genossenschaften in den Bereichen Handel, Gastronomie, Handwerk, Landwirtschaft, Marketing, Beratung, Mobilität, Energie, Gesundheit, Soziales sowie Forschung und Entwicklung.

Besonderes freue er sich, so Glaser, dass bei den teilnehmenden Genossenschaften auch die Jugend mit im Boot sei. Die Juniorgenossenschaft Activa der Eduard-Breuninger-Schule Backnang sei eine von 14 Schülergenossenschaften, die es im ganzen Land bereits gebe. Dort werde unter realen Bedingungen gearbeitet. „Die Schüler-Genossenschaft ist kein Sandkastenspiel“, betonte der Verbandspräsident. Dort würde man den jungen Menschen Themen wie Verantwortung tragen und Gremienarbeit leisten beibringen.

Das bestätigte gestern auch der betreuende Lehrer Peter Geiger von der kaufmännischen Schule auf Nachfrage. Er ist gleichzeitig auch Vorstandsvorsitzender der Activa eG: „Wir sind eine ganz eigenständige Genossenschaft, die von Schülern betrieben wird, im Rahmen des normalen Lehrplans.“ An der Schule gebe es drei fiktive Übungsfirmen, die auf Fantasiebasis arbeiten würden, und die Activa. „Wir machen das ganz real“, sagt Geiger. Im Verkaufsladen an der Schule, der montags, mittwochs und freitags in der großen Pause geöffnet hat, verkaufen die Schüler ihre Produkte, die sie zuvor eingekauft haben: Prüfungsbücher, Schreibwaren und Geschenkartikel. „Unsere größte Einnahmequelle ist immer der Weihnachtsmarkt in Backnang, wo wir auch einen Stand haben.“ Die Schüler im Alter von 17 bis 21 Jahren, die das zweijährige Berufskolleg mit dem Ziel Fachhochschulreife besuchten, würden sich um den Einkauf, die Preiskalkulation und den Jahresabschluss kümmern. Beim Genossenschaftstag sind die Activa-Schüler am Stand Bürger-Energiegenossenschaft Murr mit vertreten.

Aber genossenschaftliche Lösungen würden sich auch besonders gut für Herausforderungen in kleinen und mittleren Unternehmen eignen – etwa beim drängenden Thema der Betriebsnachfolge. Darauf wies der Verbandspräsident hin. „Bereits drei gute Mitarbeiter genügen, um eine Genossenschaft zu gründen und so den Betrieb gemeinsam fortzuführen“, sagte Glaser. Der bisherige Inhaber könne seinen Betrieb so in vertraute Hände geben und benötige keinen einzelnen Käufer, der alles alleine übernehmen würde. Und was ist, wenn es am Veranstaltungstag regnet? „Wir haben keinen Plan B“, gesteht Glaser. Aber er ist zuversichtlich und schmunzelt: „Der Oberbürgermeister ist verantwortlich fürs Wetter.“ Nopper ergänzte: „Wir hoffen, dass der Wettergott auch ein Genosse ist.“