Die Stadtgeschichte lässt ihn nicht los

Eigentlich ist Heiner Kirschmer durch Zufall im Alter von 50 Jahren zum Hobbyarchäologen in Backnang und Umgebung geworden. Heute feiert er seinen 80. Geburtstag.

Heiner Kirschmer hat sich in seinen 80 Lebensjahren um die Heimatgeschichte der Stadt Backnang verdient gemacht. Nicht zuletzt war er auch Mitinitiator zur Restaurierung des gotischen Chors der ehemaligen St.-Michaels-Kirche. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Heiner Kirschmer hat sich in seinen 80 Lebensjahren um die Heimatgeschichte der Stadt Backnang verdient gemacht. Nicht zuletzt war er auch Mitinitiator zur Restaurierung des gotischen Chors der ehemaligen St.-Michaels-Kirche. Foto: A. Becher

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Obwohl Heiner Kirschmers Arbeitsstellen immer in anderen Städten waren, wollte er nie aus Backnang wegziehen. Mit seiner Geburtsstadt war er schon immer fest verwurzelt. Der am 17. Juni 1941 geborene Backnanger blickt zurück, als er im Schwimmverein sehr aktiv war in Zeiten, als man im Winter noch im kleinen Hallenbad im Schlachthofgebäude trainiert hat. Später war er mehrfach Vereins- und Kreismeister. Ab 1977 war Kirschmer auch leidenschaftlicher Fahrradfahrer und veröffentlichte 1980 einen Radwanderführer für die Backnanger Bucht.

Nach seinem Abitur am Max-Born-Gymnasium studierte Kirschmer an der Universität Stuttgart Bauingenieurwesen mit der Vertiefungsrichtung Verkehr. Später war er im Tiefbauamt der Stadt Göppingen als Leiter der Verkehrsplanung tätig. Dort wurde er vom Stadtarchivar gefragt, ob er nach Alt- und Römerstraßen forschen würde. Heiner Kirschmers Interesse war geweckt, und er fragte sich: Warum nicht auch in der Umgebung seiner Heimatstadt auf Römerstraßenforschung gehen? „Mit 50 Jahren habe ich die Leidenschaft für Archäologie als Hobby entdeckt“, sagt Heiner Kirschmer.

Im Backnanger Heimat- und Kunstverein übernahm er 1991 die Leitung der Heimatabteilung und bekleidete das Ehrenamt bis 2018. Im Jahr 1992 gründete er den Archäologischen Arbeitskreis. Die Mitglieder trafen sich regelmäßig und begaben sich zunächst zu bereits bekannten Fundstätten römischer Gutshöfe wie etwa im Heidenhof oder in Einöd. Literatur und Karten wurden studiert und vor allem die Äcker nach Lesefunden abgesucht. Ziegelreste und Gefäßscherben waren die Ausbeute der Hobbyarchäologen. Zahlreiche Vorträge beim Altstadtstammtisch des Heimat- und Kunstvereins und Ausstellungen im Helferhaus folgten.

Zehn steinzeitliche Fundstellen im Raum Backnang entdeckt.

Der Ansporn im Archäologischen Arbeitskreis stieg, selbst eine Ausgrabung durchzuführen. Im Raum Backnang ist eine römische Militärstraße bekannt, die von Benningen am Neckar nach Murrhardt führt. Groß war die Freude, als das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg 1996 die Genehmigung erteilte, ein Stück der Römerstraße im Wald Erlenhau bei Großaspach ausgraben zu dürfen. Ein Team von sieben Mitgliedern des Arbeitskreises machte sich an die Arbeit. Von einem Mitarbeiter des Landesdenkmalamts, der in Kirchberg an der Murr wohnte, wurden sie mit dessen Erfahrung unterstützt. Ein Bericht von Armin Beerwart und Heiner Kirschmer über die Ausgrabungen wurde 1998 im Backnanger Jahrbuch Band 6 veröffentlicht.

Eines Tages wurde der Arbeitskreis von einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Landesdenkmalamts angesprochen, ob sie auch nach steinzeitlichen Fundstücken suchen würden. Das Team besuchte zunächst bereits bekannte Fundstellen wie etwa ein Feld bei Erdmannhausen. Dort stießen sie auf Fundstücke wie Pfeilspitzen, Steinbeile oder Keramikreste. „Der Ehrgeiz stieg, selbst neue Fundstellen zu entdecken“, blickt Heiner Kirschmer auf jene Zeit zurück. In den folgenden Jahren hat der Archäologische Arbeitskreis rund zehn neue steinzeitliche Fundstellen im Raum Backnang entdeckt, etwa in den Backnanger Lerchenäckern oder auch in Backnang-Steinbach. Einzelfunde wurden vom Landesdenkmalamt überprüft. Die gesamte steinzeitliche Sammlung ließ Heiner Kirschmer später von der Universität Tübingen begutachten. Im Jahr 2012 übergab er die Sammlung der Stadt Backnang als Schenkung.

Auch die historischen Bauwerke in Backnang liegen ihm am Herzen. So war Kirschmer Mitinitiator zur Restaurierung des gotischen Chors der ehemaligen St.-Michaels-Kirche (heute Stadtturm). Im Jahr 1996 gründete er im Heimat- und Kunstverein den Arbeitskreis „Gotischer Chor“. Ein Förderverein wurde 1998 ins Leben gerufen, über ihn wurden über 100000 Euro an Spendengeldern gesammelt. Der restaurierte Chor, der heute Teil der Städtischen Galerie ist, konnte 2004 eingeweiht werden.

2011 folgt die Auszeichnung mit dem Backnanger Teller.

Von 2005 bis 2019 war Heiner Kirschmer Stadtchronist für das Backnanger Jahrbuch und wurde 2011 mit dem Backnanger Teller ausgezeichnet. Im Alter von 70 Jahren entdeckte er seine Passion für das Schreiben von Geschichten über seine Heimatstadt, Backnanger Persönlichkeiten und Anekdoten. Sein erstes Büchlein „Backnanger Gschichdla“ veröffentlichte er 2014. Inzwischen sind hiervon vier Ausgaben erschienen. Persönliche Erlebnisse auch außerhalb der Stadt sind eingeflochten wie etwa eine Reise zu seinem Lieblingsurlaubsziel Venedig, das er schon viele Male bereist hat.

Aber auch das Forschen über Backnangs Geschichte lässt ihn nicht los. Zusammen mit seinem jüngeren Mitstreiter Daniel Waack recherchiert er für ein Backnanger Häuserlexikon mit Informationen zur Bau- und Besitzgeschichte der Gebäude in der Innenstadt. Eine Homepage ist derzeit in Arbeit, auf der die Ergebnisse für Interessierte zugänglich gemacht werden, die etwas über die Geschichte eines bestimmten Hauses in Backnang erfahren möchten. „Backnang ist meine Traumstadt“, sagt Heiner Kirschmer und fügt schmunzelnd hinzu: „Und vielleicht noch Venedig.“

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Erstellt:
17. Juni 2021, 11:30 Uhr

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