Lost Place Schwarzwald

Die Straße der verlassenen Herbergen

Zwischen Freudenstadt und Baden-Baden sind reihenweise aufgegebene Hotels zu finden. An der Schwarzwaldhochstraße zeigt sich neben Verfall aber auch Kreativität. Bestes Beispiel: das Hotel Waldlust.

Wiederbelebt: das Hotel Waldlust in Freudenstadt.

© sto/Stolterfoht

Wiederbelebt: das Hotel Waldlust in Freudenstadt.

Von Peter Stolterfoht

Der Kühlschrank-Effekt kann auch das Gegenteil bewirken. Statt längerer Haltbarkeit kommt es dadurch mancherorts zum beschleunigten Verfall. Zu beobachten ist das im Schwarzwald – dort, wo sich der Winter immer noch von seiner rauen Seite zeigen kann. Gerade den leer stehenden Gebäuden in Baden-Württembergs höchster Gegend setzt die Jahreszeit besonders zu. Was nicht geheizt wird, verkommt. Die Feuchtigkeit kann gerade jetzt wieder ungebremst in Balken und Wände schleichen und sie von innen zersetzen.

Eindrucksvolle Bilder dazu liefert eine Fahrt auf der B28, die am Kniebis in die B500 übergeht, die als Schwarzwaldhochstraße bekannt ist. Auf der Panoramastrecke zwischen Freudenstadt und Baden-Baden sind es vor allem die verlassenen Hotels und Gasthäuser, die für einen Niedergang stehen.

Zum Beispiel das Waldhorn, in der Kurve am Ortseingang von Kniebis. Ein Tisch und drei Stühle stehen einsam auf der Terrasse. Hier saßen schon lange keine Gäste mehr. Wie auch im Speisesaal. Gähnende Leere, wie der Blick durch schmutzige Scheiben erkennen lässt. Nebenan erinnern verwitterte Stützpfeiler daran, dass dort einst ein Schlepplift Kinder den Anfängerhang hochgezogen hat. Stärken konnten die sich danach im Waldhorn. Das alles war einmal.

Nicht weit entfernt, auf einer Höhe von knapp 1000 Metern, bietet das Hotel Alexanderschanze ein besonders tristes Bild, das der dichte Nebel im Winter oft noch verstärkt. Nachdem die Besitzerin den Betrieb aufgegeben hatte, wurde das Gebäude 2015 vom Land gekauft. Bevor es ganz zerfällt, soll es umgebaut und zu einer Ranger-Station umfunktioniert werden.

Der Glanz bröckelt wie der Stuck an der Decke

Dass sich die öffentliche Hand schützend über einen Lost Place legt, ist aber eher die Ausnahme. Nachdem eine solche Hilfe von Stadt und Land abgelehnt worden war, schien es unvermeidlich, dass ein anderes verlassenes Schwarzwaldhotel auf absehbare Zeit in sich zusammenfallen würde: die einstige Luxusherberge Waldlust in Freudenstadt. Im Jahr 1900 erbaut, erlebte die mondäne 140-Zimmer-Unterkunft in den 20er-Jahren ihre Blütezeit. König Gustav von Schweden gehörte damals zu Gästen, ebenso Hollywoodstars wie Douglas Fairbanks und seine Frau Mary Pickford.

Doch dieser Glanz bröckelte im Lauf der Zeit wie der Stuck an den hohen Decken. Etliche Pächterwechsel und immer weiter zurückgehende Besucherzahlen bedeuteten 2005 das Ende des aufwendigen Hotelbetriebs. Besitzer der Immobilie ist derzeit Wolfgang Thust, der Bruder des ehemaligen Boxpromoters Ebby Thust, dessen Hotelpläne in Freudenstadt nicht aufgingen.

Dennoch konnte danach die Verwahrlosung des Kulturdenkmals gestoppt werden. Dies ist einer Bürgerinitiative zu verdanken, die sich den Erhalt dieses ganz besonderen Ortes bereits 2006 zum Ziel gesetzt hat und seit 2020 als Verein „Denkmalfreunde Waldlust“ mit immer neuen Ideen Einnahmequellen erschließen. Was dazu führte, dass das Hotel Waldlust mittlerweile wohl der berühmteste Lost Place Deutschlands ist.

Der Verein bietet Führungen durch die ehemals luxuriösen Zimmer, die heute eine morbide Ästhetik versprühen. Eine renovierte Suite steht Gästen auch als Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung. Für Anziehungskraft sorgt auch der Gruselfaktor. Was mit einer nicht verifizierten Erzählung zu tun hat, nach der eine Besitzerin des Hotels einst in ihrem Zimmer ermordet worden sein soll. Und dass ihr Geist noch immer durch das Haus spukt, passt einfach wunderbar zum Ambiente. Gerade Fotografen sind von dieser aus der Zeit gefallenen Szenerie begeistert.

Das von Lüster ausgeleuchtete einst prunkvolle Gebäude diente zuletzt auch immer wieder als Filmkulisse. Als sogenannte Event Location kann das Hotel Waldlust angemietet werden. Auch für Kulturveranstaltungen steht es offen. Die Einnahmen werden vom Verein für die Instandhaltung des 3200 Quadratmeter großen Prachtbaus in Rente verwendet, der auf diesem Weg etwas von seinem Stolz früherer Tage zurückbekommt.

Dieser Weg soll fortgesetzt werden, aber in eine etwas andere Richtung. „Wir wollen weg von diesem Lost-Place-Nimbus, das Projekt auch weiterentwickeln“, sagt Siegfried Schmidt vom Verein der Waldlust-Retter. Aus diesem Grund werde gerade ernsthaft in Erwägung gezogen, das Gebäude dem Besitzer abzukaufen. Danach stünde eine sich streng am ursprünglichen Charakter des Hauses und am bestehenden Denkmalschutz orientierende Sanierung auf dem Programm. „Neben dem Veranstaltungsbetrieb könnte dann auch wieder der Hotelbetrieb aufgenommen werden, sagt Siegfried Schmidt.

Unbewohnte Luxusunterkunft in kasachischer Hand

Einen Rettungsdienst in Eigeninitiative betreibt auch die Stiftung „Himmel auf Erden“ im schon lange verlassenen Kurhaus des Örtchens Sand. Und nur wenige Kilometer von dort, fast schon am Ortsrand von Baden-Baden, thront das Schlosshotel Bühlerhöhe – außen herrschaftlich, innen leblos. Seit 2010 schon steht einer der berühmtesten Unterkünfte Deutschland leer.

Im Jahr 1912 erbaut, war das Luxushotel zwischenzeitlich im Besitz der Unternehmer Max Grundig, später gehörte es zwischenzeitlich auch einmal Dietmar Hopp. Illuster auch die Gäste. Konrad Adenauer war einst Stammgast, Boris Becker buchte dort seine Hochzeitssuite. Und während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war das englische Team auf der Bühlerhöhe einquartiert. Lange her. Nach 2010 soll sich das Schlosshotel zunächst in ukrainischem Besitz befunden haben und mittlerweile einem kasachischen Konsortium gehören, das offenkundig kein Interesse an einer Wiedereröffnung zeigt.

Egal ob Luxusquartier oder Wanderpension, es ist zumeist die dieselbe Ursache, die aus der Schwarzwaldhochstraße eine Hotelgeisterstraße gemacht hat. Es kommen nicht mehr genug Gäste, um alle Unterkünfte profitabel zu machen. Früher führte der Automobiltourismus, ein Begriff aus grauer Vorzeit, den vielen Hotels an der malerischen Bundesstraße die Kundschaft in großen Mengen zu. Doch die Bedürfnisse und Ansprüche der Gäste haben sich im Lauf von vielen Jahren geändert. Und deshalb ist in einigen Unterkünften an der Schwarzwaldhochstraße die Zeit einfach stehen geblieben.

Seitenblick auf das Hotel Waldlust in Freudenstadt.

© sto/Stolterfoht

Seitenblick auf das Hotel Waldlust in Freudenstadt.

Der Festsaal im Waldlust.

© dpa/Uli Deck

Der Festsaal im Waldlust.

Der Massageraum hat schon bessere Tage gesehen.

© dpa/Uli Deck

Der Massageraum hat schon bessere Tage gesehen.

Siegfried Schmidt vom Verein Denkmalfreunde Waldlust

© kuball/kub

Siegfried Schmidt vom Verein Denkmalfreunde Waldlust

Das Hotel Waldlust in Freudenstadt in den 1920er-Jahren.

© Archiv

Das Hotel Waldlust in Freudenstadt in den 1920er-Jahren.

Der Speisesaal in der Blütezeit.

© Verein für Kulturdenkmale/ST

Der Speisesaal in der Blütezeit.

Illustre Waldlust-Gäste aus Amerika: Douglas Fairbanks (vorne 2. v.r.)   samt Anhang im Schwarzwald.

© ST

Illustre Waldlust-Gäste aus Amerika: Douglas Fairbanks (vorne 2. v.r.) samt Anhang im Schwarzwald.

Das Hotel Waldlust als Kulisse für den ARD-Krimi „Tatort“.

© SWR/Martin Furch

Das Hotel Waldlust als Kulisse für den ARD-Krimi „Tatort“.

Soll eine Ranger-Station werden: das Hotel Alexanderschanze.

© Stolterfoht/sto

Soll eine Ranger-Station werden: das Hotel Alexanderschanze.

Geschlossen: das Waldhorn in Kniebis.

© sto/Stolterfoh

Geschlossen: das Waldhorn in Kniebis.

Steht auch leer: das Schlosshotel Bühlerhöhe .

© AFP/Michael Latz

Steht auch leer: das Schlosshotel Bühlerhöhe .

Eine Initiative kümmert sich um das verlassene Kurhaus Sand.

© Rieger

Eine Initiative kümmert sich um das verlassene Kurhaus Sand.

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Erstellt:
6. Februar 2023, 09:00 Uhr

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