Die Stuttgarter Mittelfeld-Frage
Enzo Millot wird bei RB Leipzig für den verletzten Angelo Stiller in die VfB-Startelf rücken. Wie diese eine Woche später im Pokalfinale aussieht, ist aber noch völlig offen.

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Atakan Karazor (links) und Enzo Millot bilden am Samstag beim VfB das Duo im defensiven Mittelfeld.
Von David Scheu
Stuttgart - Auf dem Platz stand er in dieser Woche keine Minute, die Schlagzeilen bestimmt Angelo Stiller rund um den VfB Stuttgart aber praktisch pausenlos. Was macht der Fuß? Wie gravierend ist die Bänderverletzung? Reicht es für einen Einsatz im Pokalfinale gegen Arminia Bielefeld am 24. Mai? Die Fragen begleiten den Verein täglich – und fest steht dabei bislang nur: Für das letzte Bundesliga-Spiel der Saison am Samstag (15.30 Uhr) bei RB Leipzig wird es nicht reichen. „Er hat seine Krücken abgelegt, ist im Heilungsverlauf und macht seine Schritte“, berichtet Trainer Sebastian Hoeneß über den Status quo bei Stiller.
Für eine Prognose in Richtung DFB-Pokal sei es aber noch entschieden zu früh, betont der Trainer: „Wenn es eine Chance gibt, werden wir die ergreifen. Daran arbeiten wir.“ Dass der VfB alles Menschenmögliche versucht, überrascht natürlich nicht im Ansatz. Kaum ein Spieler hat für das Gesamtgebilde eine vergleichbare Bedeutung, Stiller bestimmt den Rhythmus und das Tempo in der Stuttgarter Schaltzentrale, er lenkt und dirigiert.
Und das praktisch immer. In gerade einmal vier von 47 Pflichtspielen in dieser Saison startete der VfB ohne Stiller im zentralen Mittelfeld – nie waren es Leistungsgründe: Beim SC Freiburg wurde er als Innenverteidiger gebraucht, im DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern erhielt er unter der Woche eine Verschnaufpause, in den beiden Liga-Spielen gegen den VfL Bochum musste Hoeneß seine Anfangsformation wegen muskulärer Probleme und einer Gelbsperre Stillers jeweils umbauen.
Vor dieser Aufgabe stand der Trainer nun wieder – er entschied sich für Enzo Millot (22), der für das Spiel in Leipzig an der Seite von Kapitän Atakan Karazor (28) eine Startelf-Garantie erhielt. Auf der einen Seite ist das natürlich nicht ganz die angestammte Position des Kreativspielers, der in der Regel weiter vorne aufläuft. Auf der anderen Seite stellt die Aufgabe für Millot auch kein völliges Neuland dar, in der Vergangenheit hatte ihn Hoeneß im Bedarfsfall immer mal wieder zurückgezogen.
Es ist fraglos eine angriffslustige Variante. Millots Stärken liegen im Offensivspiel, wo er an guten Tagen auch in engen Räumen Lösungen findet – wie zuletzt nach seiner Einwechslung gegen den FC Augsburg (4:0), die er mit einem Tor abrundete. „Enzo ist für uns ein wichtiger Spieler mit enormen Qualitäten“, betont Hoeneß. Die Startelf-Garantie für das letzte Saisonspiel aber, das gehört an dieser Stelle zur Gesamtbetrachtung, hängt auch mit der Personallage zusammen.
Denn: Neben Stiller fällt noch ein zweiter zentraler Mittelfeldspieler aus, für Yannik Keitel (25) wird es nach seinem Bluterguss im Oberschenkel aus der Vorwoche noch nicht reichen. Lange Zeit war Keitel in dieser Saison wenig zum Einsatz gekommen, zuletzt aber hatte er sich an die erste Elf herangearbeitet. Ein Fingerzeig: Als Stiller gegen die Augsburger früh vom Feld musste, entschied sich Hoeneß zunächst für Keitel – und erst danach für Millot, der allerdings auch gerade erst von einer Verletzung zurückgekehrt war. Nun bietet sich für Millot in Leipzig die große Chance, Pluspunkte für einen Startelf-Platz im Pokalfinale zu sammeln.
Festlegen aber will sich Hoeneß für das große Spiel in Berlin noch nicht, auch Keitel ist hier weiter auf dem Zettel. Man hoffe, so der Cheftrainer, dass dieser die nächste Trainingswoche in großen Teilen mitmachen könne. Im Vergleich zu Millot wäre der Ex-Freiburger Keitel fraglos die physischere Variante, was gegen die zu erwartende hohe Körperlichkeit der Bielefelder ja auch ein Faktor sein kann. Inzwischen steht sogar noch ein weiterer robuster Mittelfeldspieler wieder zur Verfügung: Nikolas Nartey ist nach seiner langen Verletzungspause wieder fit und hat sich zuletzt in der Stuttgarter U 21 die nötige Spielpraxis und Wettkampfhärte geholt. Er sei „in einer guten Verfassung“, so Hoeneß. „Natürlich ist er auch eine Alternative.“
Es gibt also noch Optionen für das Pokalfinale – zu denen auch Angelo Stiller weiterhin zählt. „Ich erlebe ihn kämpferisch und mental in einer guten Verfassung“, sagt Hoeneß, „er will sich die Chance erarbeiten, dieses einmalige Spiel zu spielen.“ Klar ist aber auch: Die Zeit tickt – und die Gedankenspiele für ein mögliches Mittelfeld ohne Taktgeber Stiller in Berlin laufen längst.