Die Tante-Emma-Läden sind noch nicht tot

Leben auf dem Land Für die Nahversorgung weit ab von der Stadt gibt es die unterschiedlichsten Konzepte. Neben Dorf- und Bürgerläden, Supermärkten und Direktvermarktern mit Hofläden gibt es Selbstbedienungsläden und Verkaufsmobile sowie Bürgerbusse und Automaten.

Danica Müller (Mitte) war zuversichtlich und mutig genug, ihr eigenes Dorflädle in der Ortsmitte von Althütte aufzumachen. Archivfoto: A. Becher

© Alexander Becher

Danica Müller (Mitte) war zuversichtlich und mutig genug, ihr eigenes Dorflädle in der Ortsmitte von Althütte aufzumachen. Archivfoto: A. Becher

Von Florian Muhl

Rems-Murr. Immer mehr Menschen zieht es aus den unterschiedlichsten Gründen aufs Land. Dort aber schließt ein Laden nach dem anderen. Wie steht es da mit der Nahversorgung rund um Backnang? Es gibt die unterschiedlichsten Konzepte. Neben den konventionellen Einkaufsmöglichkeiten gibt es viele kreative Lösungen. Eine Bürgerin aus einem Sulzbacher Wohnhof sagt: „Das war das Erste, was ich hier gelernt habe: Man muss vorausschauend einkaufen! Dann reicht das einmal in ein oder sogar zwei Wochen.“

Der Dorfladen

Dass es trotz vieler Hürden gelingen kann, einen Dorfladen zu gründen und erfolgreich zu betreiben, zeigt das Beispiel in Althütte. Das Aus des Nah-und-gut-Markts vor zwei Jahren hinterließ dort eine Lücke in der Versorgung. „Ich war regelmäßig bei den Raimunds drin, fast täglich“, sagt Danica Müller. Ihr Vater brachte die gelernte Bäckereifachverkäuferin und Managementassistentin dann auf die Idee, einen eigenen Laden aufzumachen. Die heute 27-Jährige war begeistert, legte der Bank einen professionellen Businessplan vor und eröffnete vor knapp anderthalb Jahren „Danica’s Dorflädle“. Die Bedingungen waren ideal: „Die zentrale Lage mitten im Ort, die Größe der Räumlichkeit, die Helligkeit und die Vermieterin“, sagt Müller. Ihr stehen insgesamt 210 Quadratmeter zur Verfügung, 180 davon als Verkaufsfläche. Das Konzept der Existenzgründerin, so viele regionale und frische Produkte wie möglich anzubieten, kommt bei den Bürgern gut an. Die Jungunternehmerin beschäftigt mittlerweile vier Mitarbeiter. Ihre Öffnungszeiten hat sie auch erweitert; „Danica’s Dorflädle“ ist jetzt an fünf Werktagen vor- und nachmittags geöffnet sowie am Samstagvormittag.

Bestens läuft’s auch in Spiegelberg. „Bei uns geht man zum Rathgeber, das ist ein Gemischtwarenladen mit Bäckerei und Poststelle mitten im Ort schräg gegenüber vom Rathaus“, sagt Bürgermeister Uwe Bossert. Wie lange Ferdinand Rathgeber sein Geschäft dort schon hat? Der Spiegelberger Rathauschef muss überlegen: „Den hat schon sein Vater betrieben, bestimmt schon seit den 60er-Jahren.“

Dass ein Dorfladen aber kein Selbstläufer ist, zeigt das Beispiel in Sechselberg. Dort hat das Geschäft im Bürgerhaus trotz mehrerer Anläufe und umfangreicher bürgerlicher Beteiligung letztlich doch für immer schließen müssen. In den Räumlichkeiten betreiben Jessica Kliegl und ihre Mutter Bettina Kliegl inzwischen ihr Seelenlädle, ein Künstlercafé mit viel Liebe zum Detail.

Der Hofladen

Als Hofladen wird ein Geschäft bezeichnet, das direkt an einen landwirtschaftlichen Betrieb angeschlossen ist und in dem Produkte vom Hof verkauft werden. Häufig bieten die Direktvermarkter auch zugekaufte Waren an. Es gibt Hofläden, die nur ein begrenztes Warenangebot anbieten, und andere, die viele Produkte verkaufen, je nach Konzept. Die typischen Hofläden gibt es seit über 30 Jahren und mittlerweile in jeder Gemeinde des Rems-Murr-Kreises.

Der Supermarkt

Nachdem die Bäckerei und der Getränkehandel in Burgstall geschlossen hatten, war dort die Lebensmittelversorgung quasi nicht existent. Über viele Jahre hat sich Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz um die Ansiedlung eines Lebensmittelmarkts bemüht. Schließlich ist es ihr im vergangenen Jahr gelungen, einen Investor an Land zu ziehen, der einen Rewe-Markt mit einer Verkaufsfläche von 1175 Quadratmetern auf der grünen Wiese baut. Seit der Eröffnung im Mai bietet der Vollsortimenter eine Produktpalette von rund 16000 unterschiedlichen Artikeln an.

Supermärkte und Discounter gibt es beispielsweise – zum Teil seit vielen Jahren – in Unterweissach und Lippoldsweiler (Edeka), in Oppenweiler (Rewe), in Kirchberg an der Murr (Norma) und in Großaspach (Nahkauf und E-Aktiv-Markt).

Der Selbstbedienungsladen

Nach Jahren ohne Ladengeschäft gibt es wieder einen Nahversorger in Großerlach. Mit regionalen Produkten, dem Nötigsten für den Alltag und langen Öffnungszeiten – sieben Tage die Woche von 5 bis 23 Uhr – punktet der Tante-M-Laden. Vor fünf Monaten eröffnete der Selbstbedienungsladen, in dem es selten Personal gibt, in der Ortsmitte an der B14. Der Laden funktioniert über eine Kasse, an der die Kunden ihre Ware selbst einscannen und dann per Bankkarte, Kundenkarte oder auch bar bezahlen. Durchschnittlich kaufen täglich etwa 70 Menschen ein. Angestellte sind in der Filiale nur zu sehr eingeschränkten Zeiten vor Ort. „Der Laden ist gut angelaufen und er läuft stabil“, freut sich Christian Maresch, der Unternehmer aus Pliezhausen, der mittlerweile fast 20 Läden im Ländle betreibt.

Mitte September eröffnete der zweite Tante-M-Laden im Rems-Murr-Kreis, und zwar in der Neckarstraße in Backnang-Waldrems. Auch dort stammen Backwaren, Fleisch, Wurst und Gemüse aus der Region.

Selbstbedienung ist auch im „Nahturladen“ in Burgstall angesagt. Dort kann man rund um die Uhr an allen Tagen in der Woche einkaufen, allerdings nur Mitglieder des Vereins. Davon gibt es weit über 120 und alle haben einen Chip, mit dem sie jederzeit die Ladentür öffnen können. Das Motto lautet: regional, saisonal, bio und unverpackt.

Das Verkaufsmobil

Wenn es keinen Laden im Ort gibt, rollt der Laden einfach ins Dorf. Verkaufsmobile kommen aber auch in Gemeinden, in denen es bereits einen Supermarkt gibt. Einer von den mobilen Geschäftsleuten ist Dieter Goerlich. In Burgstetten und Kirchberg an der Murr ist er bekannt als der Mann im Fischauto. Jeden Dienstagabend macht er an immer denselben Stationen halt. Seit 1975 ist der gelernte Einzelkaufmann aus Kirchheim am Neckar selbstständig und mobil. Wenn Goerlich vom Kirschenhardthof kommend gegen 18.30 Uhr beim Rathaus in Erbstetten ankommt, stehen die Kunden schon Schlange. Was sie schätzen, ist die Qualität und die Frische. Kein Wunder, denn der 67-Jährige kauft viermal die Woche Ware im Großmarkt in Stuttgart ein. „Alle 14 Tage bin ich auch in Völkleshofen. Da sind zwar nur fünf oder sechs Häuser, aber da kommen die Leute von Kleinaspach. Da verkaufe ich manchmal 30 oder 45 Minuten.“

Viele Bäckereien sind auch mit ihrem Verkaufswagen auf dem Land unterwegs. Und in Backnang-Maubach bilden drei mobile Läden jeden Dienstagvormittag vor der Schule einen kleinen Wochenmarkt.

Der Bürgerbus

Bürgerbusse, die in der Regel kostenlos sind, bieten Gemeindeverwaltungen dort an, wo es keine oder kaum Einkaufsmöglichkeiten gibt. Beispiel Murrhardt: Gab es in der ersten Zeit nach der Gemeindereform in Fornsbach und Kirchenkirnberg noch etliche Gaststätten sowie ausreichend Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs, mussten die meisten Dorfläden in den vergangenen Jahren mangels Nachfrage schließen. Dadurch ist vor allem für alleinstehende und in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Einwohner eine schwierige Situation entstanden. Die Nahverkehrsverbindungen waren sehr lückenhaft. So wurde der Bürgerbus eingeführt, um Bürger in die Kernstadt zu fahren.

Einen Bürgerbus gibt es beispielsweise auch in der Gemeinde Weissach im Tal. Der Betrieb des Busses in Althütte wurde wegen der Einkaufsmöglichkeiten in der Ortsmitte Althütte mittlerweile wieder eingestellt. Sobald möglich, soll es in Burgstetten einen selbst fahrenden Bus geben, der zwischen den Ortsteilen pendeln soll.

Der Verkaufsautomat

Frische Milch oder Eier, Käse- und Wurstwaren, Obst und Gemüse sowie Getränke aller Art – es gibt wohl kaum ein Lebensmittel, das mittlerweile nicht in einem Warenautomaten angeboten wird. Selbst frische Pizza kann man sich inzwischen in Unterweissach aus dem Backautomaten ziehen. Sogenannte Milchtankstellen sind beispielsweise während der letzten Milchpreiskrise zu Dutzenden aufgestellt worden. Mit dem mehrfachen Preis, den sie von der Molkerei für ihre Rohmilch bekommen würden, schöpfen Milchbauern die Handelsspanne selbst ab. Dasselbe gilt für Eierproduzenten.

Bei den vorgenannten Standorten besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Es sollen nur Beispiele für die Vielzahl der unterschiedlichsten Verkaufskonzepte sein.

Die Tante-Emma-Läden sind noch nicht tot

„Bei uns geht man zum Rathgeber.“

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Erstellt:
4. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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