Bundesregierung

Die vielen Baustellen im Sozialstaat für Schwarz-Rot

Erstaunlich, aber wahr: Das Bürgergeld ist für die schwarz-rote Koalition noch das unkomplizierteste Thema. Gerade bei den Krankenkassen wird es noch schwieriger.

Vor harten Entscheidungen: Kanzler Friedrich Merz.

© AFP/Adam Berry

Vor harten Entscheidungen: Kanzler Friedrich Merz.

Von Tobias Peter

„Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.“ So hat es Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gesagt. Die SPD wiederum hat deutlich gemacht: Sie sieht in den Worten des Kanzlers vor allem erst einmal eine Parteitagsrede. Gleichzeitig ist klar: In der Sozialpolitik hat die schwarz-rote Bundesregierung es mit einer ganzen Reihe von Baustellen zu tun. Vollkommen unkompliziert schaut es auf keiner von ihnen aus. Ein Überblick.

Sozialstaatskommission: In Deutschland gibt es zahlreiche Sozialleistungen, die von vielen unterschiedlichen Stellen vergeben werden. Teils wissen Menschen gar nicht, was ihnen zusteht. Teils kann eine Gehaltserhöhung dazu führen, dass das verfügbare Haushaltseinkommen sinkt – eben, weil Sozialleistungen wegfallen. Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat jetzt eine Sozialstaatskommission eingerichtet, die Reformvorschläge vorlegen soll, wie der Sozialstaat bürgerfreundlicher, effizienter und weniger bürokratisch werden kann. Schon in wenigen Monaten sollen die Vorschläge vorliegen. Ein wichtiges Vorhaben, das die Akzeptanz des Sozialstaats bei allen erhöhen könnte. Gescheitert sind an dem Thema vorher aber schon viele andere.

Das Bürgergeld: Erstaunlicherweise ist das Thema Bürgergeld, über das in den vergangenen Jahren so erbittert gestritten wurde, noch das Unkomplizierteste für Schwarz-Rot. Denn in diesem Fall gibt es einigermaßen klare Leitplanken im Koalitionsvertrag – auch wenn über die genaue Umsetzung sicher noch einmal gestritten werden wird. Klar ist: Union und SPD sind übereingekommen, die Regeln für diejenigen, die sich der Arbeit verweigern, noch einmal zu verschärfen. Das ist der Union besonders wichtig. Die SPD hat verstanden, dass auch sie Wähler verliert, wenn viele Menschen hier eine Gerechtigkeitslücke sehen. Beachtet werden müssen aber die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Umgang mit dem Existenzminimum. Es gibt bei den Sanktionen rechtliche Grenzen – insbesondere, wenn Familien betroffen sind.

Gesundheit: Früher war es einmal politischer Konsens, dass die Sozialbeiträge für Rente, Gesundheit und Pflege insgesamt nicht über 40 Prozent liegen sollten. Mittlerweile sind es 42 Prozent – Tendenz steigend. Für die unmittelbare Zukunft ist ein entscheidender Punkt, ob der Aufwärtstrend bei den Kassenbeiträgen gestoppt oder zumindest abgemildert werden kann. Dazu muss das System effizienter werden. Hier steht Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) vor riesigen Aufgaben – zumal ihr viele schon vorwerfen, durch Änderungen an der Krankenhausreform zusätzliche Kosten zu verursachen. Leistungsminderungen bei den gesetzlichen Kassen sind für die SPD bislang eine rote Linie. Eine Bürgerversicherung, die auch Beamte und alle Besserverdiener einbezieht, wird mit der Union nicht machbar sein.

Pflege: Dass die Pflegekosten angesichts der Alterung der Gesellschaft weiter steigen, dürfte unvermeidlich sein. Hier wird die Frage unter anderem sein, wie groß die Rolle sein wird, die private Vorsorge spielen muss. Ein mehr als heikles Thema für die Koalition.

Rente: Schwarz-Rot macht bei der Rente erst einmal weiter wie die bisherigen Regierungen. Es wird also weiter kräftig Geld ausgegeben. Mit dem Rentenpaket wird auf Druck der SPD das Rentenniveau bis 2031 abgesichert. Die Renten bleiben bis dahin also im Gleichklang mit der Entwicklung bei den Löhnen – auch wenn dies zusätzliche Steuermittel erfordert. Die CSU hat eine Ausweitung der Mütterrente durchgesetzt, die bald mit etwa fünf Milliarden Euro im Jahr im Haushalt zu Buche schlagen wird. Über die grundsätzlichen Fragen, wie es in der Rente weitergeht, soll eine Kommission beraten. In der Vergangenheit hat sich dies stets als politischer Trick herausgestellt, mit dem sich eine Regierung über die Zeit retten will. Es wäre erstaunlich, wenn es am Ende diesmal anders käme. Zumal auch die Union Einsparungen zulasten der Rentner fürchtet. Es handelt sich bekanntlich um eine riesige Wählergruppe.

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Erstellt:
25. August 2025, 16:50 Uhr
Aktualisiert:
25. August 2025, 20:13 Uhr

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