Diebstahl ist dem Angeklagten nicht nachzuweisen

Kaufmann wird vorgeworfen, zwei E-Bikes gestohlen zu haben – Verfahren vor dem Backnanger Amtsgericht wird eingestellt

Zwei E-Bikes sind gestohlen worden. Dem Angeklagten kann die Tat nicht nachgewiesen werden. Symbolfoto: Bilderbox/E. Wodicka

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Zwei E-Bikes sind gestohlen worden. Dem Angeklagten kann die Tat nicht nachgewiesen werden. Symbolfoto: Bilderbox/E. Wodicka

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Verhandlung wegen Diebstahls im besonders schweren Fall vor dem Backnanger Amtsgericht. Zwei E-Bikes sind gestohlen worden. Und das ist auch schon alles. Freilich wurden die Kabelschlösser der beiden Fahrräder geknackt. Das wird juristisch so gewertet, als wenn der Dieb eine Tür aufgehebelt hätte. Der 28-jährige Kaufmann ist bereit, zur Sache auszusagen und bestreitet den Diebstahl.

Ein Freund, dessen Identität er nicht preisgeben will, bat ihn um einen Gefallen. Obwohl der Unbekannte schwer beschäftigt ist, wie der Angeklagte angibt, nahm sich jener die Zeit, dem Kaufmann das Anliegen eingehend auseinanderzusetzen. In einem Café traf man sich. Ob er für ihn, so fragte der andere, ein Fahrrad verkaufen könne? Er könne sich nicht darum kümmern. Als Bonbon der Aktion seien auch 50 bis 70 Euro als Entgelt für sein Bemühen drin. Des Geldverdienens wegen, so gibt der Kaufmann vor Gericht an, habe er sich auf die Sache nicht einlassen müssen. Er habe damals gut verdient. Aber mehr Geld in der Tasche, so die Antwort auf die ausdrückliche Nachfrage der Richterin, schade doch nie. Wie und wo der Angeklagte das Fahrrad entgegengenommen hat, bleibt im Unklaren.

In einer Oktobernacht des vergangenen Jahres waren die Fahrräder aus einer Backnanger Tiefgarage verschwunden. Der Besitzer der Räder, als Zeuge geladen, erzählt selbst, wie er’s entdeckte. Ordnungsgemäß verschlossen seien die Räder gewesen, wenngleich nicht irgendwo angekettet. Neben seinem Privat-Pkw standen sie. Als er an jenem Oktobertag abends von der Arbeit zurückkehrt war, waren die E-Bikes verschwunden. Er erkundigt sich. Ein Mitbewohner des Hauses hat beobachtet, dass sie schon morgens nicht mehr dastanden.

Der Besitzer hatte das an jenem Tag nicht bemerkt, da er ein Firmenfahrzeug benutzt hatte, das außerhalb der Tiefgarage geparkt war. Bei der Polizei zeigt er den Diebstahl an. Fahrraddiebstahl – die Polizei macht dem Geschädigten nicht viel Hoffnung. Das geschieht täglich hundertfach in Deutschland. Die wenigsten Fälle werden aufgeklärt. Das heißt, eines könne der Eigentümer der Räder tun: Er möge doch mal die Fahrradangebote bei der Verkaufsplattform eBay im Internet beobachten. Der 53-Jährige tut es. Sofort. Und siehe da, noch am Abend desselben Tages wird ein E-Bike des verschwundenen Typs zum Kauf angeboten. Und ausgerechnet aus Backnang kommt das Angebot. Ein Foto ist dabei. Der 53-Jährige schaut genauer hin. Aufgrund besonderer Merkmale seines Rads kann er das angebotene Rad zweifelsfrei als sein Bike identifizieren, wenngleich Hundekorb, Schloss und Handyhalterung fehlen. Umgehend reagiert der Bestohlene auf die Kleinanzeige und meldet sich als Kaufinteressent. Der unbekannte Verkäufer gibt im Text seiner Verkaufsanzeige an, das E-Bike stamme von seiner Oma. Diese könne das schöne Rad nicht mehr fahren. Ein Besichtigungstermin wird ausgemacht. Doch zu diesem rückt nicht nur der Bestohlene an, sondern auch die Polizei. Als Letztere in Sicht kommt, nimmt ein junger Mann Reißaus. Zu Fuß und per Auto setzen die Beamten hinterher. Der Angeklagte wird vorläufig festgenommen.

Gegenüber den Beamten will er gar nichts sagen, gibt dann aber doch an, das Fahrrad bei einem Container der Berufsschule gefunden und mitgenommen zu haben. Durch eine Hausdurchsuchung bei dem Verdächtigen will die Polizei sicher gehen. Allerdings findet sich in der Wohnung des Festgenommenen nichts von der vermissten Fahrradausrüstung. Das heißt: nur eine Befestigungsschraube für den Hundekorb. Diese wird genauestens untersucht. Doch weder Fingerabdrücke noch DNA-Spuren des vermeintlichen Diebs lassen sich an der Befestigungsschraube nachweisen. Wer das Fahrrad bei der Verkaufsplattform eBay ins Netz gestellt, kann die Polizei nicht ermitteln. Das bedeutet: Der Diebstahl der E-Bikes ist dem Angeklagten nicht nachzuweisen. Bleibt der Vorwurf der Hehlerei. Allerdings kam es erst gar nicht zum Verkauf des E-Bikes. So unterhalten sich Staatsanwältin und Richterin über die Einstellung des Verfahrens. Und so kommt es denn auch. Gegen eine Zahlung von 1000 Euro zugunsten der Staatskasse wird das Verfahren beendet.

Der Bestohlene hat nach seiner Zeugenaussage den Fortgang des Verfahrens als Zuhörer verfolgt. Ein Fahrrad hat er wieder. Aber es waren doch zwei Fahrräder, die ihm abhandengekommen sind. Zufällig ist noch einer der Polizisten da, der mit dem Fall befasst war. An ihn wendet sich der Geschädigte. Der Beamte macht ihm wenig Hoffnung. Wenn das zweite Fahrrad nicht auch irgendwo zum Kauf angeboten wird, wird es der Geschädigte wohl abschreiben müssen.

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Erstellt:
23. September 2019, 11:30 Uhr

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