Fahrgastanwalt Matthias Lieb

Dieser Mann hilft bei Ärger mit der Bahn im Land

Vor zwei Jahren hat der baden-württembergische Fahrgastanwalt für den Schienennahverkehr seinen Job angetreten. Was kann er für die Bahnkunden erreichen?

Ist der Zug pünktlich? Matthias Lieb, Fahrgastanwalt des Landes, am Hauptbahnhof Stuttgart.

© LICHTGUT/Max Kovalenko

Ist der Zug pünktlich? Matthias Lieb, Fahrgastanwalt des Landes, am Hauptbahnhof Stuttgart.

Von Andreas Geldner

Warum funktioniert in Crailsheim der letzte Anschluss des Tages nach Stuttgart nicht? Das ist eine typische Frage für Matthias Lieb. Seit zwei Jahren ist er der Qualitätsanwalt für Fahrgäste bei der landeseigenen Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW).

Nur zwei Minuten trennten im Fahrplan spät am Abend die Ankunft des Regionalzuges von Lauda von der Abfahrt des Anschlusses in Richtung Heilbronn und Stuttgart. In der elektronischen Fahrplanauskunft tauchte diese knappe Verbindung deshalb erst gar nicht auf.

Wundersame Zugnummern-Verwandlung

Des Rätsels Lösung: In den zwei Minuten verwandelte sich nur die Zugnummer. Es war das selbe Fahrzeug am selben Bahnsteig, das zum Tagesschluss lediglich die Linie wechselte. Der Umsteigevorgang bestand darin – im Zug sitzen zu bleiben. „Die Fahrplan-App der Bahn ging von unterschiedlichen Zügen aus“, sagt Lieb.

Die dank seiner Intervention nun auch in der Fahrplanauskunft sichtbare Spätverbindung nennt Lieb als ein Beispiel, wie er an vielen kleinen Stellschrauben das Leben der Bahnfahrgäste im Land zu verbessern versucht. Einen Fahrgastanwalt wie ihn gibt es sonst nirgendwo in Deutschland.

Zwei Jahrzehnte war er zuvor Landesvorsitzender des ökologisch ausgerichteten Mobilitätsverbandes VCD. Doch Lieb sieht sich in seiner aktuellen Rolle nicht als Lobbyist. Der studierte Wirtschaftsmathematiker gräbt sich lieber in die Details ein.

Toiletten als Herausforderung

Manche Themen stinken ihm auch noch nach zwei Jahren – im wahrsten Sinn des Wortes. Verlässlich saubere und funktionierende Toiletten bleiben ein Thema, bei dem Lieb sich in den zersplitterten Strukturen des Bahnbetriebs die Zähne ausbeißt. „In den Verkehrsverträgen des Landes mit den verschiedenen Bahnunternehmenn kann diese Verantwortung nicht auf die Deutsche Bahn übertragen werden“, sagt er.

Was früher bei der Deutschen Bundesbahn in einer Hand lag, beschäftigt seit der Bahnreform eine Vielzahl an Akteuren mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Interessen. Die Reinigungsanlagen gehören der DB-Netzsparte InfraGo, die als Dienstleister für die Bahnunternehmen auftritt. Dort findet man, dies werde nicht auskömmlich bezahlt – und investiert entsprechend wenig. „Man hätte es am liebsten, dass die Zugbetreiber ihre eigenen mobilen Anlagen betreiben“, sagt Lieb.

Dazu ist die Logistik, wie vieles im Eisenbahnverkehr, ziemlich kompliziert. Die Fahrten der Züge in die Entsorgungsanlagen müssen genau getaktet sein – häufige Verspätungen bringen aber auch hier den Betrieb durcheinander. „Wenn ein anderer Zug das Gleis blockiert, kommen sie nicht ran,“ sagt Lieb.

Echte Druckmittel fehlen

Mehr als auf Probleme hinweisen und appellieren kann er in der Regel nicht. Auch das von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verfolgte Konzept, die Bahnbetreiber für selbstverschuldete Probleme mit Strafzahlungen verstärkt zur Kasse zu bieten, habe Grenzen, sagt Lieb: „Das schafft erst einmal Dokumentationspflichten und muss rechtssicher sein.“ Die Deutsche Bahn etwa zeigt bei den laut EU-Verordnung vorgeschriebenen Zahlungen im Verspätungsfall, dass so etwas irgendwann eingepreist wird – ohne dass sich unbedingt etwas bessert.

Und so muss Lieb, den im Durchschnitt täglich eine Fahrgastbeschwerde erreicht, darauf hoffen, dass manchmal einzelne Bahn-Dramen die Verantwortlichen aufrütteln. Etwa die Geschichte des Rentners, bei dem auf einer Fahrradtour in Hohenlohe der Bus einfach nicht kam – und der dann bis zur absoluten Erschöpfung zum Ziel strampeln musste.

Zum Glück seien spektakuläre Pannen wie vor kurzem, als hundert Fahrgäste mitten in der Nacht auf einem zugigen Bahnsteig in Heilbronn strandeten, doch selten. „Da sind viele unglückliche Umstände zusammengekommen,“ sagt Lieb. Hier griff der Verkehrsminister durch und verdonnerte die beteiligten Bahnen, dass sie künftig unbürokratisch Taxifahrscheine ausstellen, auch wenn verschiedene Unternehmen verantwortlich sind.

Es fehlt nicht nur an Geld, sondern an Organisation

Liebs Lektion aus zwei Jahren: Oft sei es nicht das Geld, sondern das Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeiten, das zu Problemen führe: „Sie haben manchmal schlicht niemand, der eventuelle Probleme etwa mit den Toiletten im Zug, überhaupt in ein Erfassungssystem einträgt.“

Er setzt deshalb seine Hoffnung darauf, dass die neue Bahnchefin Evelyn Palla einige Abläufe verbessern kann. Diese Erfahrung habe er mit Palla als bisheriger Chefin von DB-Regio gemacht: „Nachdem wir das thematisiert haben, sind in Baden-Württemberg zum Beispiel die Zugausfälle weniger geworden.“

Liebs Vertrag läuft im kommenden Jahr aus. Landesverkehrsminister Winfried Hermann, der ihn berufen hat, wird sich dann aus der aktiven Politik verabschieden. Doch der Fahrgastanwalt kann sich gut vorstellen weiterzumachen – sollte der künftige Verkehrsminister oder die -ministerin seine Aufgabe weiter für wichtig halten.

Was macht ein Qualitätsanwalt?

BerufungIm Oktober 2023 hat Matthias Lieb seine Arbeit als „Qualitätsanwalt für Fahrgäste“ im Auftrag des baden-württembergischen Verkehrsministeriums begonnen. Davor war er 19 Jahre lang als Landesvorsitzender des ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD) bereits ein Interessenvertreter für den öffentlichen Nahverkehr gewesen.

ZuständigkeitLieb ist an die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft (NVBW) angedockt. Seine eigentliche Zuständigkeit konzentriert sich also auf den vom Land bestellten Schienennahverkehr. Busse sind nur bei Ersatzverkehren sein Gebiet. Dennoch versucht er den Nahverkehr als Ganzes im Blick zu haben. Sein Hebel ist die Tatsache, dass er das Land als Auftraggeber der Bahnunternehmen und den Landesverkehrsminister im Rücken hat. Fahrgäste können sich direkt an ihn wenden: qualitaet@nvbw.de age

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Erstellt:
30. September 2025, 07:16 Uhr
Aktualisiert:
30. September 2025, 08:36 Uhr

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