Drei Wochen auf dem Bauernhof

Was ein Bauer ist, weiß jeder. Aber wie genau sieht der Alltag eines Landwirts aus? Davon haben heutzutage die wenigsten Jugendlichen eine konkrete Vorstellung. Das Programm „Landleben-live“ des Evangelischen Bauernwerks ermöglicht es ihnen, sich selbst ein Bild zu machen.

Das absolute Highlight für Ben Kirschbaum: Er hat die Geburt von Zwillingskälbern miterlebt. Fotos: U. Gruber

© Ute Gruber

Das absolute Highlight für Ben Kirschbaum: Er hat die Geburt von Zwillingskälbern miterlebt. Fotos: U. Gruber

Sulzbach an der Murr. Anne Sick (14) aus Bempflingen im Landkreis Esslingen und Ben Kirschbaum (14) aus Stuttgart haben in ihren Sommerferien nacheinander je drei Wochen auf dem Milchviehbetrieb der Familie Gruber in Sulzbach an der Murr mitgearbeitet. „Landleben-live“ heißt das Programm des Evangelischen Bauernwerks und ist nicht mit Urlaub auf dem Bauernhof zu verwechseln. Außer dem Sammeln von Lebenserfahrung dient es manchen Jugendlichen auch als Berufsorientierung. Im Folgenden berichten Anne Sick und Ben Kirschbaum, wie sie ihren Aufenthalt auf dem Land erlebt haben.

Anne Sick entdeckt jeden Tag etwas Neues auf dem Bauernhof

„Hügelige Landschaft, idyllische Blumenwiesen, große Waldflächen, viele kleine Dörfer: Das ist mein erster Eindruck, je näher ich dem Bushof in der Nähe von Sulzbach an der Murr komme, der für die kommenden Wochen mein Zuhause sein wird. Von meiner ‚Familie auf Zeit‘ werde ich am ersten Tag herzlich auf ihrem Hof begrüßt.

Nachdem ich meinen Zimmermitbewohner – ein Kaninchen – kennengelernt habe, geht es am nächsten Tag um 7 Uhr in den Stall zum Melken der Kühe. Durch den technischen Fortschritt ist das Melken zum Glück immer einfacher geworden und fordert früh am Morgen nicht so viel Kraft. Nach dem Melken werden die Kälbchen mit der frischen Milch gefüttert. Das ist immer sehr schön, da die kleinen Kälbchen sehr zutraulich sind und sich teilweise auch streicheln lassen.

Anne Sick hilft auch beim Imkern mit.

© Ute Gruber

Anne Sick hilft auch beim Imkern mit.

Anschließend geht es zurück ins Haus für ein ausgiebiges Frühstück mit frischer Kuhmilch, um danach gestärkt die anfallenden Arbeiten auf dem Hof zu erledigen. Meine Aufgaben sind immer sehr abwechslungsreich, da viele verschiedene Dinge erledigt werden müssen. Wie zum Beispiel das Silo mit Teerfarbe streichen, was eine sehr langwierige und in der Sonne anstrengende Arbeit ist. Oder auch das frische Gras im Silo mit dem Schlepper festwalzen, um es als Futtervorrat konservieren zu können. Durch das Radio im Schlepper hat diese Arbeit echt noch mehr Spaß gemacht.

Um die Bienen darf ich mich auch kümmern – natürlich mit genügend Schutz, einem Imkerhut und unter Anleitung der Hofbesitzerin Ute Gruber. Zum Mittagessen sitzen wir bei schönem Wetter meist auf der Terrasse im Garten – das ist ein bisschen wie Urlaub. Danach geht es dann beispielsweise mit dem Einstreuen der Liegeboxen oder mit dem Saubermachen des Stalls weiter – natürlich immer in Begleitung von Hofhund Robbie.

Abends werden die Kühe erneut gemolken und gefüttert, bevor wir dann selbst die frische Wurst, den Käse und das selbst angebaute Gemüse vespern.

Für mich ist die Zeit auf dem Hof sehr lehrreich und interessant, da es jeden Tag etwas Neues zu entdecken gibt. Fernsehen und Handy vermisst man hier überhaupt nicht: Die Tiere zu beobachten ist viel spannender. Die Tage sind wie im Flug vergangen und schlussendlich kann ich sagen: Hier auf dem Bushof ist es nicht nur gut Tier, sondern auch gut Mensch sein. Ich würde sehr gerne wiederkommen.“

Ben Kirschbaum gefällt die Auszeit vom Stress des Schülerlebens

„7 Uhr morgens – es klopft an der Tür, das ist mein morgendlicher Wecker. Es bedeutet: Zügig anziehen und auf geht’s zum Melken. Am Melkstand angekommen, werden die Kühe in Gruppen reingetrieben, die Euter abgeputzt und angemolken. Danach wird das Melkzeug drangemacht und es wird gemolken. Nach jeder Gruppe wird alles desinfiziert: das Melkzeug und jede Zitze jedes Euters.

Immer 13 Kühe können gleichzeitig gemolken werden, dann kommt die nächste Gruppe dran. Bei den 65 zu melkenden Kühen dauert das gut eine Stunde. Schließlich muss der ganze Melkstand gereinigt, der Filter gewechselt und die Milchkammer geputzt werden. Schon nach einer Woche beherrsche ich den Ablauf und kann in weiten Teilen ohne die Bäuerin melken – dafür werde ich sehr gelobt!

Sie füttert derweil die Kälbchen mit Milch, Heu und Kälbermüsli, die wie jedes Mal riesigen Hunger haben. Danach muss man noch die Liegeboxen kalken und das Futter muss den Kühen hingeschoben werden. Schließlich geht’s zum Frühstück. Während dem Frühstück wird die Tagesplanung besprochen: Wer macht heute was? Einer streut die Boxen, der andere geht in den Wald (zum Arbeiten!), eine Kuh muss trockengestellt werden und eine andere in die Abkalbebox. Wer hilft dabei? Das mache ich doch gerne!

Es ist immer viel zu tun. Einmal muss ein Silo gereinigt werden, ein anderes Mal müssen zwei Kühe von der einen Weide auf eine andere getrieben werden. Nach einem anstrengenden Vormittag geht es um zirka 13 Uhr zum Mittagessen. Anschließend gibt es eine kurze Pause und dann geht es auch schon weiter mit der Arbeit: von Boxenstreuen und Ausmisten über Siloaufdecken und Stühleabschleifen bis hin zu kranke Bäume fällen, dazwischen immer wieder kurz das Futter anschieben. Wir gucken, wie es den neugeborenen Kälbchen geht, machen Silage – und schon ist es auch schon später Nachmittag. Um 17.30 Uhr beginnt das Melken wieder von vorne. Wir müssen die Kühe reintreiben, die Euter abputzen und so weiter.

Danach geht es zum Abendessen – der Hunger ist groß! Der Tag ist rum und der nächste wird mindestens genauso anstrengend wie der davor. Jetzt fragt man sich: ‚Und warum macht man das?! Was hat man davon?!‘ Zum Beispiel darf man miterleben, wie kleine Babykühe auf die Welt kommen, ihre ersten tollpatschigen Schritte machen, schmatzend den ersten Schluck Milch trinken und wie die Mutterkuh die ganze Nacht schreit, weil die Babys im ganzen Stall herumspazieren. Man lernt neue Leute kennen, schließt Freundschaften, hat einfach eine gute Zeit. Eine Auszeit vom Stress des Alltags, vom Stress des Schülerlebens.“

Landleben-live

Programm „Landleben-live“ verbindet Stadt und Land. Ob als Aktivferienaufenthalt oder zur Berufsorientierung – „Landleben-live“ ist ein attraktives Angebot für Jugendliche und Landwirtsfamilien. Das Evangelische Bauernwerk vermittelt jährlich rund 70 interessierte Jugendliche auf Höfe.

Teilnahmebedingungen Die Jugendlichen müssen mindestens 14 Jahre alt sein. Jugendliche ab 16 Jahren können auf Wunsch auch in andere Bundesländer sowie in die Schweiz vermittelt werden.

Kontakt Interessierte Jugendliche wie Landwirtsfamilien wenden sich an Veronika Grossenbacher, Landleben-live, Evangelisches Bauernwerk, 74638 Waldenburg-Hohebuch, Telefon 07942/10712, E-Mail V.Grossenbacher@hohebuch.de, mehr Infos unter www.landleben-live.de.

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Erstellt:
30. September 2021, 11:30 Uhr

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