Drogen im „Willkommenskuchen“

Ehemaliger Gefangener aus Burgstetten tritt vor dem Amtsgericht Ludwigsburg als Zeuge auf.

Dieser versunkene Apfelkuchen ist ein Symbolbild. Er hat mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Methadon enthalten. Foto: PapadoXX / Adobe Stock

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Dieser versunkene Apfelkuchen ist ein Symbolbild. Er hat mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Methadon enthalten. Foto: PapadoXX / Adobe Stock

Von Heike Rommel

BURGSTETTEN/LUDWIGSBURG. Wegen Abgabe von Betäubungsmitteln und gefährlicher Körperverletzung an sieben Mitgefangenen musste sich ein 36-jähriger Häftling des Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg vor dem Ludwigsburger Amtsgericht verantworten. Der Mann wurde freigesprochen, weil nicht klar war, dass er es war, der den Methadonkuchen in der frei zugänglichen Küche gebacken hat. Auch gegen einen ehemaligen Gefangenen aus Burgstetten bestand kein hinreichender Tatverdacht. Sein Verfahren wurde eingestellt.

Der Mann aus Burgstetten entlastete den mittlerweile in Heimsheim inhaftierten Angeklagten, welchen er während einer Drogentherapie auf dem Hohenasperg kennengelernt hatte. Es war ein Willkommenskuchen, wie es ihn für jeden gab, der neu auf die Station kam. Auch am 22. Februar vergangenen Jahres gab es den Apfelkuchen zum Kaffee. Weil die verordnungspflichtige Ersatzdroge für Heroinentzug, Methadon, im Kuchen war, litten die Gefangenen der Anklage zufolge nach dem Kaffeeklatsch an Unwohlsein, Juckreiz, Schlaflosigkeit und Benommenheit.

Der Zeuge aus Burgstetten sagte aus, den „leckeren Apfelkuchen hat jeder gemocht“. Er habe die Äpfel geschält und der Angeklagte habe den Teig gemacht. Auf Nachfrage der Richterin Ann-Cathrin Koblinger führte der Zeuge weiter aus, der fertige Kuchen habe offen in der Küche gestanden, wo jeder ein- und ausgehe. Er habe die Kuchenteller in die Zellen bringen dürfen, aber sei keinesfalls derjenige, der das Methadon in den Kuchen getan hat. Abends sei es ihm richtig schlecht geworden und er habe sich erbrechen müssen.

Ein 35-jähriger Mitgefangener berichtete im Zeugenstand, sein Stück Apfelkuchen habe bitter geschmeckt. Deshalb habe er den ersten Bissen wieder ausgespuckt und den Rest in den Mülleimer geworfen. Die allgemeine Situation auf der Station schilderte dieser Mann vor dem Amtsgericht Ludwigsburg so: „Anfangs war es witzig und später beängstigend.“ Alle hätten Angst vor Konsequenzen für die Therapie gehabt.

Ein 30-Jähriger, der inzwischen in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg sitzt, machte, außer dass zur Tatzeit zwölf Personen auf dieser Station gewesen wären, keine Angaben, um sich nicht selbst zu belasten. Auch der 44-jährige Neuzugang auf dem Hohenasperg, für den der Willkommenskuchen gebacken wurde, war als gelernter Koch und Bäcker in Verdacht geraten, Mitgefangenen Drogen untergeschoben zu haben.

Nach dem Genuss des Methadonkuchens wurden alle negativ auf Methadon getestet. Die Frage, wer den Kuchen mit der Droge versetzt hat, ließ sich am Ende nicht klären. Der Beschuldigte wurde nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ freigesprochen, denn, so begründete Richterin Ann-Cathrin Koblinger das Urteil, es hätte jeder andere sein können, der Mitgefangenen den Methadonkuchen untergejubelt hat.

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Erstellt:
6. Mai 2021, 16:00 Uhr

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