Drogengeschäfte aus der Wohnung abgewickelt

Im Drogenprozess vor dem Landgericht machen die beiden Murrhardter Angeklagten umfangreiche Aussagen zu ihrer Biografie.

Erster Verhandlungstag vor dem Landgericht.

© BilderBox - Erwin Wodicka

Erster Verhandlungstag vor dem Landgericht.

Von Hans-Christoph Werner

MURRHARDT/STUTTGART. Vor dem Landgericht haben sich ein 36-jähriger Industriemechaniker sowie ein 30-jähriger Maler und Medientechnologe wegen umtriebiger Drogengeschäfte zu verantworten. Am ersten von mehreren Verhandlungstagen machen die beiden Angeklagten Angaben zu ihrer Person.

Selten, dass eine Verhandlung vor dem Landgericht pünktlich beginnt. Auch diesmal sind alle Verfahrensbeteiligten schon anwesend und harren der Dinge, die da kommen. Die Zuhörerplätze sind wegen Corona begrenzt und ausnahmslos belegt. Angehörige der beiden Angeklagten wollen die Verhandlung mitverfolgen.

Als die Richterriege versammelt ist, trägt die Staatsanwältin die Anklageschrift vor. Aus ihrer gemeinsamen Wohnung in Murrhardt heraus haben die beiden Angeklagten Drogengeschäfte im großen Stil getätigt. Marihuana, Amphetamine und Kokain versuchten sie unter ihre Abnehmer zu bringen. Dabei haben sich beide aus ihren Drogenvorräten zur Stillung der eigenen Sucht bedient.

Der Industriemechaniker hat bereits im Alter von 13 Jahren erste Erfahrungen mit Marihuana gemacht. Zwei Jahre nach Abschluss seiner Ausbildung hatte der 36-Jährige einen schweren Autounfall. Noch heute laboriert er an den Folgen herum. Zwölf Jahre später ereilt ihn erneut das Krankheitsschicksal. Ein Gehirntumor wird diagnostiziert. Seit Sommer 2018 ist der 36-Jährige auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle.

Mit seiner Lebensgefährtin hat der Industriemechaniker seit 2011 eine Tochter. Der vorsitzende Richter ist erstaunt. Aus der gemeinsamen Wohnung mit Lebensgefährtin und Tochter heraus sind also die Drogengeschäfte abgewickelt worden? In der Tat. Was denn so seine Pläne für die Zukunft seien, will der Richter wissen. Der Industriemechaniker trägt sich mit Heiratsplänen, weiß dann aber auf Nachfrage des Richters nichts Konkretes zu erzählen, was zu der Ernsthaftigkeit dieser Pläne beitragen würde. Natürlich will er so schnell wie möglich wieder bei Frau und Tochter sein. Der Richter äußert Zweifel und auch seine Bedenken. Der Industriemechaniker bekräftigt, dass er selbstverständlich auch von den Drogen wegkommen will. Zuletzt benötigte er fünf Gramm Cannabis täglich, zehn Gramm Amphetamine als auch Kokain in der Woche. Am liebsten wäre dem 36-Jährigen eine ambulante Therapie. Der Richter ist skeptisch. Angesichts der Drogenmengen, die der Angeklagte zuletzt konsumierte, müsse er schon „tiefer schürfen“. „Wenn Sie das nicht selber wollen,“ so sagt er, „wird es nicht funktionieren.“

Aber der Industriemechaniker ist zuversichtlich. Seit seiner Inhaftierung im März habe er keine Drogen mehr genommen. Anlass für den Richter, eine grundsätzliche Bemerkung einzuschieben: Das Interesse der Strafkammer sei es nicht, die beiden Angeklagten für unzählige Jahre ins Gefängnis zu schicken, sondern dass die beiden Angeklagten in Zukunft ein drogenfreies Leben führen.

Auch der 30-Jährige hat schon mit 16 Jahren erste Bekanntschaft mit Marihuana gemacht. Nach anfänglich konstanter Berufstätigkeit war er zuletzt nur noch zeitweise beschäftigt, zuletzt krankgeschrieben. Aus der Bahn geworfen habe ihn vor zwei Jahren dann der Tod des Vaters und der Umstand, dass sich seine Lebensgefährtin mit den zwei gemeinsamen Kindern von ihm trennte. Somit griff auch der 30-Jährige verstärkt zu Drogen. Sechs Gramm Amphetamin und zehn Joints waren sein täglicher Trost. Einer der Laienrichter fragt ausdrücklich nach. Aber der Medientechnologe dachte, er habe alles unter Kontrolle.

Als einzige Zeugin des ersten Verhandlungstags wird die Lebensgefährtin des Industriemechanikers hereingebeten. Sie beruft sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, muss allerdings Angaben zur Person machen. Und darunter fällt die Sache mit dem Heiratsantrag. Aber leider kann auch sie nichts dazu beitragen, dass die Ernsthaftigkeit eines solchen Antrags stützen könnte.

Der Medientechnologe ist bereit, sich zu den gegen ihn erhobenen Tatvorwürfen zu äußern. Der Industriemechaniker schwankt noch in seiner Bereitschaft. Der Richter rät, dies doch dringend zu überlegen. Am nächsten Verhandlungstag soll die Möglichkeit einer Verständigung erörtert werden.

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Erstellt:
2. September 2020, 06:00 Uhr

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