„Du musst den Deutschen helfen“

Julius Ekwueme aus Nigeria wird am Sonntag offiziell Pfarrer der katholischen Seelsorgeeinheit Oppenweiler/Kirchberg an der Murr

Seinen Wirkungsbereich kennt er schon ein paar Jahre, die Belange der angehörigen Gemeinden sind ihm bestens vertraut, die seelsorgerische Tätigkeit als solche ist ebenfalls nichts Neues für ihn. Der offizielle Akt der Ernennung ist dennoch keine bloße Formalität für den Priester aus Afrika.

Julius Ekwueme kennt die Belange der Seelsorgeeinheit Oppenweiler/Kirchberg an der Murr bereits seit Jahren. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Julius Ekwueme kennt die Belange der Seelsorgeeinheit Oppenweiler/Kirchberg an der Murr bereits seit Jahren. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

OPPENWEILER. An Elan und Energie mangelt es ihm nicht. So viel steht nach wenigen Augenblicken fest, wenn man Julius Ekwueme das erste Mal begegnet. Auch seine ansteckende Fröhlichkeit dürfte eine Rolle dabei gespielt haben, ihn für das verantwortungsvolle Amt auszuwählen, in das er Mitte dieses Monats offiziell eingeführt wird. Denn nach einer langen Zeit der sogenannten Administratur wird die katholische Seelsorgeeinheit Oppenweiler/Kirchberg an der Murr dann wieder einen leitenden Pfarrer haben.

Die bevorstehenden Aufgaben in dieser Position bereiten dem 44-Jährigen aus Nigeria keine Bauchschmerzen. Hat er doch bereits eine Gemeinde in seiner Heimat in Amanaogu im Bezirk Orlu geleitet. Dort war er auch als Gastdozent im Priesterseminar in Ariam-Umuahia sowie als kirchlicher Direktor für Migration in der Diözese Orlu tätig. Der Ruf nach Deutschland kam indessen sehr überraschend für ihn, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung verriet.

Zum Priester geweiht worden war er bereits 2006. Nach seiner Zeit als Pfarrvikar wurde er dann leitender Pfarrer seiner nigerianischen Heimatgemeinde – bis eines Tages der Anruf seines Bischofs kam.

Aus der Diözese Rottenburg/Stuttgart war die Anfrage gekommen, ob man nicht einen Priester in seinen Reihen habe, der in Deutschland Dienst tun kann. Voraussetzung sei, dass derjenige die deutsche Sprache gut beherrscht. Julius Ekwueme sprach damals kein Wort Deutsch, dennoch sah sein Bischof ihn als den Richtigen an. „Du hast den Kopf dazu. Du kannst das schaffen. In sechs Monaten geht’s los“, zitiert Ekwueme seinen Vorgesetzten. Er fühlte sich erst einmal ziemlich vor den Kopf gestoßen, denn er hatte Freude an seiner Tätigkeit in Amanaogu. Dennoch sagte er zu – wenn auch erst nur halbherzig: „Einem Bischof widerspricht man nicht so einfach.“ So groß sein „Vertrauen in Gott und den Heiligen Geist“ auch war, fragte er doch erst einmal seinen Vater um Rat, der ihm immer vertrauensvoll nahestand. Dessen Worte waren eindeutig, und er wird sie nie vergessen.

Dazu muss man wissen, dass die Ekwuemes der Volksgruppe der Igbo angehören, die sich 1967 die Republik Biafra ausriefen und sich von Nigeria unabhängig erklärten. Die nigerianische Regierung wiederum reagierte im Zuge des darauffolgenden Biafra-Kriegs unter anderem mit einer Blockade über das Biafra-Gebiet, in deren Folge Hunderttausende Menschen, vornehmlich Kinder, an Hunger starben. Das Bild des Biafra-Kindes als Symbol für Unterernährung prägt seither vielfach die Wahrnehmung Afrikas. Der Völkermord rief in Deutschland eine breite Unterstützerfront ins Leben, die sich etwa mit Hilfslieferungen an die Igbo engagierte. „Die Deutschen sind gute Menschen. Wären sie nicht gewesen, würdest du heute nicht leben. Jetzt bittet Deutschland uns um Hilfe. Du solltest ihnen helfen“, schrieb Vater Ekwueme seinem Sohn Julius denn auch ins Stammbuch. Somit stand für den Filius fest, dass er Nigeria in Richtung Stuttgart verlassen würde. Im August 2010 kam Julius Ekwueme dann in Stuttgart an, wo er in St. Maria, der ältesten der drei Gemeinden in der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, bereits erwartet wurde. „Das war wirklich schwierig, denn ich konnte immer noch kaum ein Wort Deutsch und musste alles zu jeder Gelegenheit nachschlagen. Ich habe mein Wörterbuch dann quasi auswendig gelernt“, berichtet Ekwueme, der mittlerweile nicht nur hervorragend Deutsch mit einem beachtlichen Wortschatz spricht, sondern auch wie selbstverständlich viele schwäbische Begriffe und Redewendungen verwendet.

Die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlern ist ihm sehr wichtig

Dass er seinerzeit nach dem Schulenglisch auch Kenntnisse in Latein, Hebräisch und Altgriechisch erworben hat, scheint den Spracherwerb in seiner neuen Heimat noch begünstigt zu haben. Rund ein Jahr hat er gebraucht, um seine erste Predigt auf Deutsch zu halten.

Rund acht Jahre ist er nun schon in Oppenweiler, wo er seinen Vorgänger, Pfarrer Frank Schöpe, als Pfarrvikar unterstützte, bis dieser 2016 nach Ludwigsburg ging. In der Zwischenzeit absolvierte Ekwueme ein Bachelorstudium unter anderem in Religionswissenschaften und Psychologie und hat mittlerweile auch seinen Masterabschluss in Philosophie in der Tasche. Er kann sich gut vorstellen, seine Studien weiter zu betreiben.

Im Herbst 2017 drangen erste Anfragen von Bürgern an sein Ohr, ob er nicht der künftige Pfarrer des Seelsorgebereichs werden wolle. Offiziell gefragt wurde er dann später im Kirchengemeinderat. „Mir kamen fast die Tränen“, so erinnert er diesen Moment. Auch im Kirchengemeinderat Affalterbach wurde eine Woche später diese Frage an ihn gestellt. Er habe das Zeug dazu, zitiert Ekwueme die Ratsmitglieder: „Ich habe mich nicht beworben. Es wurde auch nicht von oben befohlen. Es ergab sich einfach aus dem guten Verhältnis, das ich zu den Menschen hier habe. Darum habe ich auch zugestimmt.“

Allein könne er die Aufgabe allerdings nicht stemmen. „Die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen ist mir äußerst wichtig.“ Bei der Arbeit in seinem Seelsorgebereich wird er zudem von der Gemeindereferentin Irmgard Schmitt und dem nebenberuflichen Diakon Werner Trefz unterstützt. Auch die früheren Pfarrer hätten zugesagt, gerne mit ihm zusammenschaffen und ihm helfen zu wollen. „Das Wort ,Solidarität‘ ist mir sehr wichtig“, gibt Ekwueme zu verstehen. Zum Ausgleich der verantwortungsvollen Aufgabe – Ekwueme engagiert sich auch ehrenamtlich in der Notfallseelsorge – beschäftigt sich der Oppenweiler gerne mit Gartenarbeit, kocht gerne für sich und für Gäste und – putzt seine Wohnung. „Das entspannt mich einfach“, so seine Erläuterung zu dieser eher seltenen Vorliebe, was die Freizeitgestaltung angeht.

Einiges an Zeit nimmt zudem der Förderverein Amanaogu Stuttgart in Anspruch, dem Ekwueme zusammen mit der Stuttgarterin Gudrun Rohde vorsteht und der sich um benachteiligte Kinder in dem nigerianischen Ort kümmert. Ein Motto für die Festlichkeit am Sonntag, 16. Februar (siehe Infokasten), hat Julius Ekwueme auch schon. Es ist das gleiche wie zu seiner Priesterweihe: „Gott erwählt nicht die Qualifizierten, sondern qualifiziert die Erwählten“. Er habe die Werkzeuge für die Aufgaben als Priester im Ländle von Gottes Gnaden erhalten, der ihn zuvor auserwählt hatte, so Ekwuemes Deutungssatz dazu.

Die Resonanz der Gläubigen im Seelsorgebereich sei durchweg positiv. Bislang habe er keine negativen Erfahrungen aufgrund seiner Herkunft oder gar seiner Hautfarbe gemacht. Im Gegenteil: Wegen seines fröhlichen Gemüts habe er schon mehrfach den Satz zu hören bekommen: „Julius, du hast uns die Sonne aus Afrika mitgebracht.“

Info
Einführungsfeier

Im Rahmen eines Festgottesdienstes am Sonntag, 16. Februar, wird um 16 Uhr in der katholischen Kirche St. Stephanus in Oppenweiler die offizielle Einführung und Ernennung von Julius Ekwueme als Pfarrer der Seelsorgeeinheit Oppenweiler/Kirchberg an der Murr gefeiert. Ekwueme wird künftig als verantwortlicher Priester neben der Kirchengemeinde St. Stephanus auch die Gemeinden St. Joseph in Aspach sowie die Kirchengemeinde St. Michael Kirchberg an der Murr mit St. Josef Burgstetten und St. Johannes Affalterbach betreuen. Nach dem Gottesdienst gibt es einen Ständerling im Gemeindehaus.

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Erstellt:
13. Februar 2020, 06:00 Uhr

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