Dürre, Sturm, Käfer: Wie das Klima dem Wald zusetzt

Wie 2018 könnte auch 2019 extrem stressig für Bäume werden

Wenig Regen, trockene Böden, gestresste Bäume: Experten warnen vor einer Dürre, die 2018 noch übertreffen könnte. Im Waldland Baden-Württemberg ist man alarmiert.

Frage: Droht uns der nächste Dürresommer ?

Antwort: Bei anhaltender Trockenheit könnte Deutschland nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auf einen weiteren Dürresommer zusteuern. „Sollte die trockene Witterung in den kommenden Monaten anhalten, könnte sich die Dürre des Jahres 2018 wiederholen oder sogar übertroffen werden“, sagt der Leiter der DWD-Agrarmeteorologie, Udo Busch. „Die Startbedingungen für die Vegetation sind 2019 in vielen Gebieten Deutschlands deutlich schlechter als im Vorjahr.“

Frage: Wie ist die Lage in Baden-Württemberg?

Antwort: Nach Aussage von Jerg Hilt, Geschäftsführer der Forstkammer Baden-Württemberg, hat der Dürresommer 2018 erhebliche Schäden an allen Baumarten verursacht. „Wir haben deutliche Probleme an Fichten, Tannen, Kiefern und Buchen. Drei Millionen Festmeter Schadholz sind 2018 angefallen – ein Drittel des durchschnittlichen Gesamteinschlags von neun Millionen Festmetern.“

Frage: Werden Dürren immer mehr zum Problem?

Antwort: Nach den Berechnungen von Klimaforschern gibt es künftig häufiger extreme Dürren wie 2018. Die Schäden solcher Jahre zeigen sich schon jetzt: Viele neu gepflanzte Bäume haben nicht mal den Winter überlebt, sie sind vertrocknet, wie die Sprecherin der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Sabine Krömer-Butz, berichtet.

Frage: Welche Baumarten sind besonders betroffen?

Antwort: „Es gibt, glaube ich, ganz wenige unserer Hauptbaumarten, die nicht irgendein Problem mit der Trockenheit und mit der Widerstandsfähigkeit gegen Schaderreger haben“, betont Andreas Bolte. Gemessen an der Schadmenge von über 30 Millionen Festmetern im vergangenen Jahr – etwa der Hälfte des jährlichen Einschlags – sei die Fichte das „Riesenproblem“.

Frage: Können die Wälder an die klimatischen Veränderungen besser angepasst werden?

Antwort: Aus Sicht des Waldexperten Pierre Ibisc muss der Wald der Zukunft vielfältig sein, um Waldbrände vermeiden zu können. Strukturreiche Laubwälder mit verschiedenen Baumarten brennen nicht so schnell und trocknen nicht so stark aus wie Nadelwälder, erklärt der Naturwissenschaftler von der Eberswalder Hochschule für nachhaltige Entwicklung. „Die großflächigen Monokulturen werden mittelfristig scheitern.“

Frage: Wie ist die Stimmung bei Waldbesitzern?

Antwort: Bei der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW), die die Interessen von zwei Millionen Waldeigentümern vertritt, ist man „absolut beunruhigt“. „Die Waldeigentümer schlagen Alarm, weil sie sehen, dass viele Waldflächen von der Dürre 2018 vertrocknet sind“, sagt Sprecherin Larissa Schulz-Trieglaff. Viele Jungpflanzen würden absterben, große Flächen vertrockneten. „Wir befürchten eine Schädlingsexplosion durch den Borkenkäfer, weil sich die Larven nach dem milden Winter hervorragend entwickeln können.“

Frage: Wie groß sind die Dürreschäden?

Antwort: Nach Berechnungen der AGDW belaufen sich die wirtschaftlichen Schäden durch die Dürre und die Stürme im Zweijahreszeitraum 2018/19 auf rund 5,4 Milliarden Euro. „Die Bilanz des ersten Quartals 2019 zeigt, dass alles noch schlimmer wird“, so Larissa Schulz-Trieglaff. Angesichts des Klimawandels versuchen Waldbesitzer wegzukommen von reinen Nadelwäldern, die besonders anfällig sind. „Alle Baumarten sind betroffen, weshalb wir eine breite Palette an Mischwäldern und resistenten Bäumen wie die Küstentanne oder die Roteiche haben. Da sind die Waldbesitzer schon seit Jahrzehnten dran“, erklärt die AGDW-Sprecherin.

Frage: Kann man von einem Waldsterben sprechen?

Antwort: Eindeutig: ja: Forscher der Berliner Humboldt-Universität und der Universität für Bodenkultur in Wien haben die Baummortalität in Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien, der Slowakei und der Schweiz untersucht. In ihrer Studie zeigen die Wissenschaftler, dass sich die Sterberate in den Wäldern in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt hat. War zu Beginn der 80er Jahre im Durchschnitt ein halbes Prozent der Waldfläche pro Jahr vom Baumsterben betroffen, war es 2015 schon ein Prozent. Das sind jährlich rund 3000 Quadratkilometern, was der Fläche des Saarlands entspricht.

Frage: Was droht Deutschlands Wäldern in Zukunft?

Antwort: Das aktuelle Baumsterben übersteigt die Entwicklung vor 40 Jahren deutlich. Vor allem das von klimatischen Extremen geprägte Wetter setzt den Experten zufolge den Wäldern stark zu. „Winterstürme und Borkenkäfer verursachen großflächige Baummortalität“, betont Cornelius Senf vom Geographischen Institut der Humboldt-Universität. Ein Ansteigen des Baumsterbens hält er für wahrscheinlich.

Frage: Welche Rolle spielt der Borkenkäfer?

Antwort: In Regionen mit großen Fichtenwäldern wird eine extreme Borkenkäferplage erwartet. „In der Forstwirtschaft gibt es ganz große Befürchtungen, dass 2019 ein Borkenkäfer-Schadjahr sein kann, das wir so noch nicht gesehen haben“, sagt der Leiter des bundesweit zuständigen Thünen-Instituts für Waldökosysteme, Andreas Bolte.

Frage: Wie ist das Fazit der Forstexperten?

Antwort: „Wenn das in diesem Jahr so weitergeht und die Schäden noch zunehmen, ist das sehr kritisch. Es gibt keine Waldfläche, die nicht unter dem Hitzestress leidet“, betont Jerg Hilt. Diese Schäden gebe es nicht nur in Baden-Württemberg und in Deutschland, sondern in ganz Europa. „Wenn es so weitergeht, stellt sich die Frage, wie wir unsere Wälder noch erhalten können. Auf anhaltende Dürren sind unsere Baumarten und Wälder nicht eingestellt.“

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Erstellt:
25. April 2019, 03:14 Uhr

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