Pflegeheime werden deutlich teurer

Düstere Zeiten für die Heimbewohner

Durch eine neue gesetzliche Regelung im Herbst droht den Bewohnern von Pflegeheimen eine drastische Erhöhung ihrer Kosten. Die Sozialverbände laufen dagegen Sturm.

Schlechte Nachrichten für die Bewohner von Pflegeheimen.

© Imago//Ute Grabowsky

Schlechte Nachrichten für die Bewohner von Pflegeheimen.

Von Christoph Link

Auf die Bewohner von Pflegeheimen sowie im ambulanten Pflegedienst könnten mit Inkrafttreten des Tariftreuegesetzes zum 1. September enorme Steigerungen der Eigenanteile zukommen. Es sieht vor, dass Heime oder Pflegedienste nur mit Pflegekassen abrechnen können, wenn sie sich bei der Entlohnung an einen Tarifvertrag anlehnen.

„Gut gemeint, aber schlecht gemacht“, sagt Bernhard Schneider, Geschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, ein Branchenkenner, über das von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gemachte Gesetz: Die Heimstiftung sei zwar nicht betroffen, sie wende bereits einen „sehr guten Tarif“ an, viele andere aber schon: „Mit dem Tariftreuegrundsatz werden Pflegesätze und damit die Eigenanteile der Heimbewohner explodieren.“ Man brauche genügend Zeit, um die Tarifverträge zu übernehmen – die sei aber gar nicht da.

Preissteigerungen von 1000 Euro für Heimbewohner

Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) regt eine Verschiebung um ein bis zwei Jahre an. „Ja, die Kosten werden steigen“, sagt auch Olaf Bentlage vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste. Angesichts ebenso steigender Betriebskosten könne die Preissteigerung „schnell im mittleren zweistelligen Prozentbereich liegen“. „Es gibt Schätzungen einzelner Träger, die gehen von Preissteigerungen von bis zu 1000 Euro für Heimbewohner aus.“ Laut Bentlage sind in Baden-Württemberg nur 1124 von 3115 Einrichtungen an Tarifverträge oder kirchliches Arbeitsrecht gebunden. Die Tariflosen müssten 20 Tarifverträge studieren, um die richtige Entscheidung zu treffen, oder sie orientieren sich an einem „regional üblichen Tarif“ – doch über den lägen oft gar keine Daten vor.

Auch Ursel Wolfgramm, Chefin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Baden-Württemberg, erwartet düstere Zeiten: „Die aktuellen Pflegesatzverhandlungen zeigen, dass aus dem Vorhaben erhebliche Erhöhungen der Eigenanteile bis zu 100 Prozent resultieren können.“ Das Gesetz habe die gute Absicht, angemessene Gehälter zu zahlen, aber es bringe keine Verbesserung, sondern Rechtsunsicherheit und Bürokratie.

Verbände sehen das Land in der Pflicht

Laut Roland Bühler vom Sozialverband VdK zahlen Heimbewohner im Südwesten heute bereits den zweithöchsten Eigenanteil bundesweit: „Bei Trägern, die Tarif zahlen, beträgt der Eigenanteil in der Region Stuttgart schon über 3000 Euro im Monat.“ Jeder dritte sei auf „Hilfe für die Pflege“ vom Sozialamt angewiesen. Das werde im Alter als entwürdigend empfunden. Der VdK fordert, dass das Land seiner Pflicht nachkommt und die Investitionskosten von Heimen, die die Bewohner auch zahlen, übernimmt. In der Kampagne „Arm durch Pflege“ hat der VdK 100 000 Unterschriften gesammelt.

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Erstellt:
24. Juni 2022, 13:48 Uhr
Aktualisiert:
24. Juni 2022, 20:17 Uhr

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