Syrien und USA
Durch die Hintertür zum Erfolg
Scharaas Besuch bei Trump besiegelt neues Bündnis zwischen Syrien und den USA.
© dpa/HOGP
„Privater“ Empfang: Donald Trump (links) und Ahmed al-Scharaa
Von Thomas Seibert
Syrien wird zu einem zentralen Partner der USA im Nahen Osten. Der Besuch von Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa bei Donald Trump hat das neue Bündnis besiegelt, auch wenn der Ex-Terrorist und frühere Al-Kaida-Kämpfer Scharaa nur durch eine Hintertür ins Weiße Haus gelassen wurde. Nun setzt sich Trump für einen Friedensvertrag zwischen Syrien und Israel ein. Verlierer sind die syrischen Kurden, die bisher die wichtigsten Verbündeten der USA in Syrien waren.
Scharaa besuchte am Montag als erster syrischer Präsident das Weiße Haus. Anders als andere Staatsgäste wurde er aber nicht von Trump an der Tür begrüßt, sondern musste den Amtssitz des US-Präsidenten durch einen Hintereingang betreten. Auch die sonst übliche Begegnung mit der Presse gab es nicht – Fotos von Scharaa und Trump im Oval Office wurden später vom syrischen Präsidialamt verbreitet.
Andere protokollarische Regeln als bei anderen Staatsbesuchen
Scharaas Visite sei von der US-Seite als „privat“ eingestuft worden, erklärte die syrische Botschaft in Washington dem saudischen Sender Al-Arabiya. Deshalb hätten andere protokollarische Regeln gegolten als bei Staatsbesuchen. Der wahre Grund dürfte gewesen sein, dass Trump eine allzu sichtbare Ehrung für einen ehemaligen Feind Amerikas vermeiden wollte.
Am Erfolg für Scharaa ändere das nichts, sagt der Syrien-Experte Joshua Landis von der Universität im US-Bundesstaat Oklahoma. Bald werde sich niemand mehr an die Hintertür erinnern, aber die Fotos von Scharaa im Oval Office würden in den Köpfen bleiben, sagte Landis unserer Zeitung.
Kurz vor Scharaas Besuch ließ Trump den syrischen Übergangspräsidenten von der US-Terrorliste streichen; ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar hatten die USA bereits nach dem Umsturz in Damaskus im vorigen Dezember aufgehoben. Nun sollen im Kongress alle noch bestehenden Sanktionen gegen Syrien aus der Zeit von Diktator Baschar al-Assad endgültig zurückgenommen werden. Damit will die US-Regierung mehr internationale Investitionen für den Wiederaufbau Syriens ermöglichen.
Scharaa kündigt Sicherheitsabkommen mit Israel an
Washington erwartet von seinem neuen Partner einen Friedensschluss mit Israel. Damit wolle Trump ein Abkommen zwischen Israel und der arabischen Führungsmacht Saudi-Arabien vorbereiten, meint Syrien-Experte Landis. Scharaa will als ersten Schritt ein Sicherheitsabkommen mit Israel schließen, um die israelischen Militärinterventionen in Syrien seit Assads Sturz zu beenden.
Scharaa habe sich seit Monaten um Nähe zu Trump und um eine Einladung ins Weiße Haus bemüht, sagt der Nahost-Experte Julien Barnes-Dacey von der europäischen Denkfabrik ECFR. Dass der syrische Übergangspräsident dieses Ziel nun erreicht habe, verleihe ihm zusätzliche Legitimität, sagte Barnes-Dacey unserer Zeitung.
Trump lobte Scharaa als Politiker, der Syrien zu einem erfolgreichen Land machen könne. Scharaa sagte dem US-Sender Fox News, er habe mit Trump nicht über seine Vergangenheit als anti-amerikanischer Milizionär gesprochen, sondern über die Zukunft. Zwischen Syrien und den USA beginne eine „neue Ära“.
Scharaas Sicherheitskräfte sollen Druck auf den IS zu verstärken
Erster Ausdruck davon ist die Aufnahme Syriens in die US-geführte internationale Allianz gegen den Islamischen Staat (IS). Allein im vergangenen Jahr töteten die Dschihadisten bei Anschlägen in Syrien schätzungsweise 700 Menschen; die Übergangsphase nach Assads Sturz verschafft dem IS neuen Bewegungsspielraum. Nun sollen Scharaas syrische Sicherheitskräfte helfen, den Druck auf den IS zu verstärken.
Beim Kampf gegen den IS in Syrien verließen sich die USA bisher auf die von Kurden beherrschten Syrisch-Demokratischen Streitkräfte (SDF) im Nordosten des Landes. Dort hatten die Kurden im Bürgerkrieg ein Autonomiegebiet aufgebaut, das von der benachbarten Türkei als Bedrohung empfunden wird.
Kurden befürchten Angriffe von anderen Milizen
Nun versucht Scharaa, die kurdischen Kämpfer in die syrische Armee zu integrieren. Gespräche darüber kommen aber trotz einer Grundsatzeinigung im März nicht von der Stelle. Die Kurden befürchten Angriffe von anderen Milizen, wenn sie sich in die neuen Streitkräfte einreihen und damit ihre militärische Handlungsfähigkeit aufgeben.
Unmittelbar nach Scharaas Abreise aus Washington sprach Trumps Syrien-Beauftragter Tom Barrack mit SDF-Chef Maslum Abdi. Er sei sich mit Barrack einig, dass die Eingliederung der SDF in die syrische Armee beschleunigt werden solle, schrieb Abdi anschließend auf der Plattform X. Scharaas Treffen mit Trump erhöhe den Druck auf die Kurden, sich mit der syrischen Regierung zu einigen, sagt Barnes-Dacey. Schließlich sei seit der Begegnung im Oval Office klar: „Washington setzt mehr auf Damaskus als auf die SDF.“
