Edelerde hilft dem Boden und dem Klima

Der Juxer Sommerberghof ist beim Klimaschutzwettbewerb des Kreises Dritter geworden. Familie Löffelhardt demonstriert mit Kompostierung, Spezialerde und Humusaufbau, wie die sorgsame Bewirtschaftung des Bodens zur Energiewende vor Ort beiträgt.

Unter dem grünen Vlies der Kompostmiete lässt Frank Löffelhardt innerhalb von ein paar Wochen aus Mist wertvollen Kompost heranreifen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Unter dem grünen Vlies der Kompostmiete lässt Frank Löffelhardt innerhalb von ein paar Wochen aus Mist wertvollen Kompost heranreifen. Foto: A. Becher

Von Nicola Scharpf

SPIEGELBERG. Mit einem Pilz auf einem Acker hat alles angefangen. Familie Löffelhardt, die den Sommerberghof in Jux bewirtschaftet, hat eine Ackerfläche bekommen, die der Vorgänger wegen der vermeintlich schlechten Bodenqualität aufgegeben hatte. Frank und Katja Löffelhardt versuchen es mit Kleegras – das nicht kommen will. Sie bringen Kompost auf dem Acker aus und schwenken auf Waldstaudenroggen um. Im Folgejahr wächst nicht nur der Roggen, sondern auch das Kleegras und sogar zwei Pilze zeigen sich. „Das war ein Schlüsselerlebnis: Pilze auf einem Acker. Es hat uns sehr nachdenklich gemacht und das war der Hauptimpuls, dass etwas vorwärtsging auf den Böden“, sagt Frank Löffelhardt über diesen Aha-Effekt aus dem Jahr 2011.

Inzwischen ist Frank Löffelhardt einer von wenigen in Deutschland, die sich in Sachen Kompostierung richtig auskennen. Der Vordenker hält Vorträge darüber, wie sich Boden mit Humus wieder gut und fit für die Zukunft machen lässt. Jüngst ist der Juxer Betrieb, der seit 2012 auf ökologischen Landbau umgestellt ist und seit 2018 das Bioland-Zertifikat trägt, Drittplatzierter beim Klimaschutz-Ideenwettbewerb des Landkreises geworden. Gesucht wurden erstmals Ideen, wie die Energiewende vor Ort geschafft und das Klima geschützt werden kann. 43 Privatleute, 20 Schulen, sechs Firmen und sechs Vereine haben ihre Vorschläge eingereicht. Zielsetzung dieses Projekts ist es, eine aktive Beteiligung und Einbindung von möglichst vielen Bürgern im Landkreis am Klimaschutz zu erreichen und für das Thema zu sensibilisieren.

Nicht ganz freiwillig ist Landwirt Löffelhardt bei den Themen Kompostierung und Kompostaufbereitung gelandet. Denn zu den Betriebszweigen des Sommerberghofs gehören neben der Bauernhofpädagogik, dem Kartoffelanbau und der Direktvermarktung auch die extensive Mutterkuhhaltung und die Haltung von Legehennen im Mobilstall. Sprich: Es entstehen große Mistmengen. Als der gelernte Werkzeugmacher im Jahr 2007 den damals noch konventionell wirtschaftenden Betrieb von seinen Eltern übernimmt, bringt er Mist in Form von Gülle auf den Feldern aus. „Aus heutiger Sicht sage ich: Der Mist wurde auf der Fläche entsorgt.“ Sein erster Gedanke sei gewesen, die Mistmenge der Rinder hinsichtlich Volumen und Gewicht zu reduzieren. „So bin ich schnell bei der Kompostierung gelandet.“ Im Selbststudium und bei Lübke-Hildebrandt in Österreich, die weltweit in Sachen Humusmanagement und aerobe gelenkte Kompostierung tätig sind, lässt er sich weiterbilden. 2013 beginnen die Löffelhardts, ihren Kompost mit Pflanzenkohle anzureichern. Ihr „Premiumprodukt“, wie Löffelhardt sagt, verkaufen sie ab Hof unter dem Namen Juxer Schwarzerde – und machen sich damit einen Namen bei Privatpersonen, Landschaftsgärtnern und für die Sanierung belasteter Böden. Prominenter Kunde ist der Stuttgarter Zoo Wilhelma, wo man sich vom Einsatz der Spezialerde verspricht, Unkraut und Gießwasserverbrauch zu reduzieren. Auch die Löffelhardt’schen Hühner fahren auf die Schwarzerde ab. Als der Landwirt ihnen einen gefüllten Eimer ins Gehege leert, scharren und picken die Hennen wie wild in der Erde. Und: Die klügsten Bauern haben die unbelastetsten Kartoffeln. „Es ist das erste Jahr, in dem wir gar nicht gespritzt haben. Und wir hatten einen minimalen Kartoffelkäferbefall“, sagt der Landwirt über die Entwicklung auf seinem Kartoffelacker, seit den Reihen Mulch und Kompost zugeführt werden. Die Erdäpfel vom Sommerberghof werden jährlich in Österreich im Labor untersucht – mit dem Ergebnis, dass sie unter anderem verschwindend wenig Nitrat, dafür umso mehr Vitamine enthalten.

Es gibt keine schlechten Böden. Es kommt auf den Bewirtschafter an.

„Das mit dem Boden, das muss man begreifen“, sagt Frank Löffelhardt und lässt eine Handvoll Schwarzerde durch die Finger rieseln. „Das war vor acht Wochen noch Mist.“ Verständnis für das Speichermedium Boden sei vonnöten. Die Ausgangssituation bei Betriebsübernahme 2007 sei zum Verzweifeln gewesen. Im trockenen Zustand sei der Sandboden hart wie Beton gewesen und bei Nässe sei man eingesunken. Die Felder hätten Wüsten geglichen. Heute ist Löffelhardt überzeugt: Es gibt keine schlechten Böden, nur fähige oder unfähige Bewirtschafter. „Je mehr du dich mit Kompostierung beschäftigst, desto mehr Potenzial erkennst du.“ Dabei gärt es ständig in ihm. Aktuell betreibt er Experimente, dem Kompost Holzspäne, die in der Werkstatt eines befreundeten Schreiners anfallen, beizumischen. Mit Kalkmehl und Kompost aus der Anlage in Backnang-Neuschöntal hat es schon einen Versuch gegeben. Und bei einem Tastversuch im Nürnberger Knoblauchsland, bei dem es darum ging, das Insektizid Dieldrin in Gurken zu reduzieren, hat er den ersten und dritten Platz belegt. „Was ist mit dem Dieldrin passiert?“, fragt sich Löffelhardt und kritisiert, dass es für Fragestellungen wie diese kaum Forschungsgelder gebe. Der visionäre Praktiker glaubt, dass der Ackerbau in der heutigen Form nicht überlebensfähig ist und es in der Landwirtschaft mehr Richtung kleinflächigem Gemüseanbau und solidarischer Bewirtschaftung gehen wird – in Kombination mit Kompostierung. Über 4000 Jahre alt ist das Wissen um die Terra Preta, den biologisch hochaktiven Kompost. Löffelhardt zeigt, dass dieses Wissen heute noch – oder wieder – hochaktuell ist.

Edelerde hilft dem Boden und dem Klima

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Die Hühner scharen sich um die Spezialerde, scharren und picken wie wild darin. Foto: A. Becher

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Die Hühner scharen sich um die Spezialerde, scharren und picken wie wild darin. Foto: A. Becher

Klimafreundlicher Kompost

Ausgangsmaterial für die Juxer Schwarzerde ist: Rindermist, frisches Gras (wegen des Eiweißgehalts), Strukturmaterial, fertiger Kompost (zum Animpfen), tonhaltige Erde, Pflanzenkohle, Gesteinsmehl. Schwarzerde hat ein hohes Potenzial zur effizienten Ressourcennutzung.

Pflanzenkohle wird auf dem Sommerberghof aus eigenem Obstbaumschnitt nahezu emissionsfrei hergestellt. Dadurch entfallen auch die Transporte des Baumschnittguts zum nächsten Häckselplatz. Die so gewonnene Pflanzenkohle kann vielfältig eingesetzt werden.

Vorteile der Pflanzenkohle: Zum einen macht sie die Kompostierung noch klimafreundlicher. Zum anderen hilft sie, Ammoniakausgasung aus Hühnermist und Kuhdung zu reduzieren. Sie hilft auch beim Humusaufbau im Boden.

Humus, der auf dem Sommerberghof durch gelenkte aerobe Kompostierung entsteht, ist ein CO2-Speicher und erhöht die Speicherfähigkeit für Wasser. Auch die Bodenbearbeitung wird erleichtert, was sich zum Beispiel in einem geringeren Dieselverbrauch des Traktors widerspiegelt. Über die Schwarzerde gelangen natürliche Antibiotika ins Tierfutter.

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Erstellt:
15. August 2020, 06:00 Uhr

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