Ein Abend mit der Königin der Instrumente

Am Freitagabend erklangen in der gesamten Backnanger Innenstadt fast zeitgleich die verschiedensten Orgeln.

Reiner Schulte spielt in der Orgelnacht in der katholischen Kirche St. Johannes. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Reiner Schulte spielt in der Orgelnacht in der katholischen Kirche St. Johannes. Foto: A. Becher

Von Ute Rohrmann

Backnang. Seit Jahrhunderten gilt sie aufgrund ihrer Größe, ihrer prachtvollen Ausstattung und ihres gewaltigen Klangs als Königin der Instrumente. 2021 wurde vom Deutschen Musikrat zum Jahr der Orgel erklärt. Rund 150 Orgelbaubetriebe gibt es in Deutschland. Keines dieser Instrumente ist wie das andere. Wer sie bespielt, beherrscht eine hohe Kunst. Neun Pfeifenorgeln im öffentlichen Raum des Stadtgebiets spiegeln hier den Reichtum der Orgellandschaft. Sie alle erklangen in der dritten Backnanger Orgelnacht zeitgleich am Freitagabend zwischen 19 und 22.30 Uhr zu jeder vollen Stunde. Zehn Organisten bespielten in einem etwa 30-minütigen Kurzkonzert mehrere Tausend Orgelpfeifen in den katholischen Kirchen Christkönig und St. Johannes, dem Totenkirchle, der evangelischen Stiftskirche, der Markus- und der Matthäusgemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der methodistischen Zionskirche sowie der Friedhofkapelle auf dem Stadtfriedhof.

Viele verschiedene Orgeln erklangen – von ganz jungen bis hin zu historischen

„Eine schöne ökumenische Kooperation“, freut sich der katholische Regionalkantor Reiner Schulte, der die Backnanger Orgelnacht bereits zum dritten Mal gemeinsam mit seinem evangelischen Kollegen Hans-Joachim Renz initiiert hat, in Zusammenarbeit mit allen Backnanger Kirchengemeinden und der Friedhofsverwaltung.

Für manchen war die Orgelnacht der perfekte Anlass, erstmals die sanierte Stiftskirche von innen zu sehen. Dort ließ Bezirkskantor Hans-Joachim Renz klassische Choralwerke erklingen. Aber auch ein zeitgenössisches Stück, „Faith and Hope“, fehlte nicht. Was viele Besucher in die Matthäuskirche zog, war wohl, dass dort mit den Musikerinnen Annedore Greiner und Mahela Reichstatt ein doppelter Ohrenschmauß wartete: Orgel und Trompete. Die Altersspanne der Backnanger Orgeln ist groß. Während die Orgel in der evangelischen Markuskirche erst 2001 geboren wurde, kann ihre Kollegin schon bald auf ein 100-jähriges ruhiges Leben in der Kapelle des Stadtfriedhofs zurückblicken. Julia Klöpfer spielte an der historischen Link-Orgel von 1928, die in der Zwischenzeit kaum verändert wurde. Anders als moderne Orgeln funktioniert diese elektropneumatisch. Zwischen Drücken der Taste und Erklingen der Pfeife ergibt sich deswegen eine minimale Verzögerung. Auch das Pedal sei anders, erklärt Klöpfer, die souverän mit dem besonderen Instrument umzugehen weiß. Die junge Kirchenmusikerin aus Heiningen begann ihr Konzert mit dem Präludium in h-Moll von Bach, wobei sie die Vielseitigkeit dieses Werks hervorhob.

Den geografisch weitesten Weg hat dagegen die Straßburger Orgel, die in der St.-Johannes-Kirche steht, zurückgelegt. Typisch für das Instrument aus dem Elsass, das für große Räume gemacht ist, sind der Wechsel zwischen Rundtürmen und geraden Teilen in der Gestaltung des Prospekts (der Fassade der Orgel) sowie das Rückpositiv, das erweiterte Klangmöglichkeiten bietet. Neben der Fanfare seines Stuttgarter Orgelprofessors, John Laukvik, wählte Regionalkantor Reiner Schulte passend ein französisches barockes Orgelstück, das Gloria von Francois Couperin, und die Toccata in b-Moll von Louis Vierne. „Die Orgel ist seit März 2020 nicht verstummt, sie hat weiter spielen können trotz Corona“, ist Schulte dankbar. Der lange Abend mit der Königin der Instrumente hat sich in vielfacher Weise gelohnt. Ein musikalischer Genuss mit hohem künstlerischen Niveau zu einem für alle erschwinglichen Preis quer durch die Innenstadt, der den Horizont für die Vielfalt von Orgelmusik und die verschiedenen baulichen und klanglichen Möglichkeiten dieses Instruments weitete.

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Erstellt:
11. Oktober 2021, 11:00 Uhr

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