Stephan Weil

Ein beliebter Genosse geht von Bord

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (66) scheidet nach 30 Jahren aus der Politik. Die Bürger und VW hatte er immer im Blick.

Die Leute nennen ihn den „Oberbürgermeister von Niedersachsen“: Stephan Weil kehrt dem politischen Betrieb den Rücken.

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Die Leute nennen ihn den „Oberbürgermeister von Niedersachsen“: Stephan Weil kehrt dem politischen Betrieb den Rücken.

Von Christoph Link

Am Ende seiner Laufbahn haben ihn auch die TV-Talkrunden für sich entdeckt. Er besitzt zwar einen etwas spröden Charme, spricht aber stets direkt, freundlich und hart in der Sache – und langweilt nie mit Worthülsen: Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, wird am Dienstag seinen Platz für den bisherigen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) räumen. Die gesundheitliche Belastung des Amtes in seinem Alter („Ich leide unter Schlafstörungen“) hatte Weil als Grund für den Rückzug genannt, taktisches Denken könnte auch eine Rolle gespielt haben: Zweieinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl verschafft Weil seinem Nachfolger genug Zeit, sich einen Amtsbonus zu erarbeiten.

Der in Hamburg geborene Weil war vor der Politik zunächst Staatsanwalt und Richter. Damit ist er ein Beweis dafür, dass Vertreter dieser Berufe ein hohes Maß an Bürgernähe mitbringen können. „Ich bin nur ein einfacher, Bier trinkender Jurist“, hat Weil einmal gesagt. Normalität ist sein Markenzeichen. Nach Stationen als Kämmerer und Oberbürgermeister von Hannover schaffte er es als SPD-Spitzenkandidat 2013, den populären CDU-Ministerpräsidenten David McAllister aus dem Amt zu jagen. Er bildete zunächst eine Koalition mit den Grünen, dann mit der CDU und nach der Landtagswahl 2022 erneut mit den Grünen.

Bürger schreiben ihre Sorgen auf einen Bierdeckel

Weil hat sein Land zwölf Jahre in einem pragmatischen Stil regiert. Ihm fehlten „Visionen“, wurde ihm vorgeworfen. Die Bürger haben ihm das freilich nicht angekreidet. Als Kümmerer kam er bei den Leuten an. Man glaubt ihm, dass er „Spaß“ an Wahlkämpfen hatte. Früh führte er Bürgergespräche („Auf ein Wort“) ein, bei dem die Menschen ihre Sorgen auf einen Bierdeckel schrieben. Zuhören und Lösungen erörtern, das war sein Ding. Noch im elften Amtsjahr haben ihm 59 Prozent in einer Umfrage attestiert, sie seien „sehr zufrieden“ mit seiner Arbeit – ein hoher Popularitätswert. Bei den beiden jüngsten Landtagswahlen hat er es geschafft, die einst mächtige Landes-CDU auf den zweiten Platz zu drängen und den Abstand zu ihr noch zu vergrößern.

Corona, Ukraine-Krieg und der Wandel in der Autoindustrie haben auch Weils Amtszeit belastet. „Das schönste Amt war der Oberbürgermeister“, hat er im Rückblick gesagt. Vor allem die VW-Krise ist für die Landesregierung eine Herausforderung. Jeder zehnte Job in Niedersachsen hängt mit Volkswagen zusammen. Das Land hält 20 Prozent der VW-Anteile, der Ministerpräsident sitzt im Aufsichtsrat. Sein Stimmrecht setzte Weil mal geschmeidig, mal mit Härte ein. Beim Diesel-Skandal von 2015 drängte er auf Aufklärung und personelle Konsequenzen, was auch Folgen hatte. Andererseits erntete er Kritik, weil er eine Regierungserklärung zum Abgasskandal vorab zur juristischen Überprüfung an VW schickte. Auch das jüngst von VW angekündigte Kürzungsprogramm rief Weil sofort auf den Plan: Stellenabbau ja, aber Werkschließungen müssten ausgeschlossen sein.

Radfahrerin im VW-Aufsichtsrat platziert

Die Büroleiter-Affäre im vorigen Jahr machte Weil zu schaffen. Die Regierung hatte eine neue Nachwuchsförderung eingeführt, von der vor allem eine junge Büroleiterin Weils mit einem dicken Gehaltsplus profitierte. Die CDU setzte einen Untersuchungsausschuss durch, die Staatsanwaltschaft prüfte, stellte aber die Ermittlungen ein. Auf der Haben-Seite von Weils Bilanz steht die Entlastung bei Kita-Gebühren, der rasche Bau eines Flüssiggas-Terminals und die Produktion von grünem Stahl in Salzgitter. Er selbst ist stolz auf ein Integrationsprogramm für Flüchtlinge. 2019 war Weil im Gespräch für den SPD-Vorsitz – und winkte ab. So wird er als „Oberbürgermeister von Niedersachsen“ in Erinnerung bleiben.

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Erstellt:
18. Mai 2025, 12:58 Uhr

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