Streit zwischen EU und Israel
Ein Dialog im Kampf gegen die Polarisierung
Der Ton in den Diskussionen zwischen Israel und der EU über Gaza wird von extremen Gruppen geprägt. Doch es gibt Versuche, die Mauer der Vorwürfe zu überwinden.
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Ein Junge aus dem Zelt einer Hilfsorganisationen im Gazastreifen.
Von Knut Krohn
Das Verhältnis zwischen Israel und der EU als schlecht zu beschreiben, wäre eine Untertreibung. Beim Krieg in Gaza wurde nicht nur der Küstenstreifen in Schutt und Asche gelegt, auch der diplomatische Flurschaden erscheint unermesslich. Auf der einen Seite droht Brüssel mit Sanktionen, auf der anderen erklärt Premierminister Benjamin Netanjahu, die Europäische Union sei „irrelevant“ geworden.
Der diplomatische Flurschaden ist riesig
Doch die Sprachlosigkeit ist nicht absolut, im Hintergrund gibt es Initiativen, die starren Fronten aufzubrechen. So organisierte die Europe Israel Press Association (EIPA), ein Netzwerk für Journalisten und Meinungsmacher, in diesen Tagen eine Veranstaltung in Brüssel zum Stand der Beziehungen zwischen Israel und Europa. Wenig erstaunlich war die pro-Israel-lastige Besetzung der Diskussionsrunden, dennoch wurde deutlich, dass moderate Stimmen existieren und eine Verständigung möglich wäre.
Der Diskurs werde von den extremen Rändern gekapert, beklagte Matthijs Schüssler, Chef der pro-israelischen Nichtregierungsorganisation Elnet. Was das heißt, musste er am eigenen Leib erfahren. Weil seine NGO sich für den Dialog der EU mit Israel einsetzt, wurde sein Foto bei Anti-Israel-Protesten in Belgien postergroß in den Straßen plakatiert. Darauf wurde er als Befürworter eines Völkermordes verunglimpft.
Der Diskurs über Gaza wird von Extremen bestimmt
Die Vorstellung, dass die EU mit einer Stimme sprechen könnte, hat Schüssler aufgegeben, zu unterschiedlich seien die Einstellungen der 27 Mitgliedsländer. Auch das Europaparlament sei polarisiert, konstatiert er. Es sei schwierig, mit Abgeordneten einen Dialog zu führen, die demonstrativ mit palästinensischer Kufiya ins Parlament kämen. „Wir versuchen auch immer wieder, mit linken Gruppen ins Gespräch zu kommen“, sagt Matthijs Schüssler, der Erfolg sei aber bei null. Was ihn beunruhigt ist, dass „da eine Entwicklung stattfindet, die von Anti-Zionismus in Richtung Antisemitismus geht“.
Scharfe Kritik am Vorgehen der EU übte Hildegard Bentele, Vorsitzende der Delegation des europäischen Parlaments für die Beziehungen zu Israel. In ihren Augen formuliert die Union völlig unrealistische Ziele, wie etwas eine Zwei-Staaten-Lösung. Es klaffe eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit, betont die CDU-Europaabgeordnete. Die EU müsse sich eher darauf konzentrieren, was konkret in Gaza umgesetzt werden könne. Erst wenn der Wiederaufbau gelungen sei, könne weitergedacht werden.
Die Israeli leben in ständiger Bedrohung
Bentele ist überzeugt, dass bei der Bewertung der Situation vor Ort die schwierige militärische, politische und geografische Lage Israels kaum berücksichtigt werde und erhält bei dieser Einschätzung Unterstützung von Schüssler. „Der Nahe Osten ist nicht Europa“, sagt er. „Israel hat nicht Österreich und die Schweiz als Nachbar.“ Die Menschen in dem kleinen Land lebten in einer ständigen existenziellen Bedrohung etwa durch die Hamas, aus dem Libanon oder auch Syrien, betonten Bentele und Schüssler.
Der Vorwurf, dass die Situation Israels nicht genügend berücksichtigt worden sei, stand immer wieder im Raum. Konkret formuliert wurde er auch gegenüber den Vereinten Nationen, auf deren Berichte sich die EU bei ihren Einschätzungen verlässt. Sie sind auch eine Basis für die Entscheidung in Brüssel, Israel angesichts dessen massiven militärischen Vorgehens im Gazastreifen mit Sanktionen zu drohen. Dies waren die Momente, in denen die Einschätzung eines Vertreters der Vereinten Nationen oder eines Befürworters von EU-Strafmaßnahmen aus dem Europaparlament die Diskussion wesentlich vorangebracht hätte. Oder wie Matthijs Schüssler es formuliert: Um weiterzukommen, müsse man alle Seiten an Bord holen.
