Ein fröhlich-trauriger Abschied

Wendrsonn-Schlagzeuger Heiko Peter verlässt die Band – Stimmungsvolles Konzert in der Festhalle letztmals in alter Besetzung

Heiko Peter, der Drummer der Schwabenrockband Wendrsonn, saß am Samstag zum letzten Mal hinter dem Schlagzeug auf der Bühne. Viele Fans nutzten die Gelegenheit, die Kultband aus dem Murrtal bei dem Konzert in der Murrhardter Festhalle letztmals in alter Besetzung erleben zu können und genossen die stimmungsvolle Darbietung.

Die Fans werden ihn vermissen: Heiko Peter gab zum letzten Mal den Takt vor.Foto: J.Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Fans werden ihn vermissen: Heiko Peter gab zum letzten Mal den Takt vor.Foto: J.Fiedler

Von Marina Heidrich

MURRHARDT. Endlich wird Biggi Binders leidenschaftliches Flehen erhört. Die Frontfrau von Wendrsonn, eine Mischung aus bezaubernder Elfe und sexy Blondine, hat gerade voller Inbrunst und augenzwinkernd ihren Wunsch nach Süßigkeiten in den Saal gerockt, da steht er vor der Bühne. Der „Babba“, von dem sie sich „An Schlotzer aus Schogglad“ wünscht. Und reicht seiner Tochter breit lächelnd einen Schokoriegel hinauf. Das bestens gelaunte Publikum in der ausverkauften Murrhardter Festhalle hat die zur Melodie von Janis Joplins „Mercedes Benz“ vorgetragene Bitte aus voller Kehle unterstützt und amüsiert sich prächtig. Wieder haben die Schwabenrocker von Wendrsonn mit ihren witzig-frechen oder poetisch-melancholischen Songtexten und einer gelungenen musikalischen Mischung aus fröhlichen, einprägsamen aber auch atmosphärisch hochkomplexen Kompositionen mitten ins Schwarze getroffen. Beziehungsweise ins Rote, denn Wendrsonn berühren die Herzen der Zuhörer. An diesem Samstagabend gleich doppelt, denn es ist ein ganz besonderes Konzert, die Stimmung liegt mehr denn je zwischen Lachen und Weinen. Heiko Peter verlässt die Band, zum letzten Mal steht er offiziell als Wendrsonn-Drummer auf der Bühne. Natürlich nicht, ohne zuvor noch eine ultimative Darbietung seines virtuosen Blecheimer-Bühnenboden-Mikroständer-Solos zu präsentieren. Peter bedankt sich am Ende des Konzerts mit sehr persönlichen Worten bei jedem einzelnen der Bandkollegen, dem Publikum aber auch bei seiner Frau Maren, die ihm durch langjährige Unterstützung den Rücken frei hielt und seine musikalische Karriere dadurch überhaupt ermöglichte. Ende November wird ein kleiner Heiko das Licht der Welt erblicken und der dann zweifache Papa braucht mehr Zeit für seine Familie. Ganz wird sich der Schlagzeuger mit der Sunnyboy-Ausstrahlung allerdings nicht von der Musik zurückziehen, mehrere Projekte laufen noch, und wenn Not am Mann sein sollte, springt er gerne auch bei den langjährigen Kollegen von Wendrsonn ein. Zum Abschied hagelt es dann noch Geschenke der treuen Fans.

Doch zuvor zeigen sich Wendrsonn spielfreudig wie immer und bringen eine Auswahl ihrer besten Lieder. Quer durch alle Stilrichtungen und doch homogen – der typische Wendrsonn-Sound. Lieder wie „Hochdeutsch“, „Dorfdisco“, „Reigschmeckter“ und „Hocketse“ laden zum Mitsingen ein. Auch rein instrumentale Songs stehen auf dem Programm. Teufelsgeiger Klaus Marquardt stellt sein virtuoses Können zwar mehr als einmal unter Beweis, brilliert bei „Tritt sich fest“ jedoch ganz besonders. Die offensichtliche Reinkarnation von Paganini ist auch für die gekonnten Arrangements zuständig. Gitarrist Micha Schad lässt „Eisbloama“ in der Fantasie der Zuhörer erblühen und schmelzen, allein durch seine sensiblen Gitarrenklänge. Ein instrumentales Highlight ist das in Vollbesetzung einschließlich Verstärkung durch Streicher gespielte „Nebelgoischdr“. Eine wundervoll episch-sphärische Komposition, die Pink Floyd nicht besser hinbekommen hätten.

Hochkarätige Unterstützung haben Wendrsonn sich wieder geholt: Das professionelle Streichquartett besteht aus den beiden Violinistinnen Monika Beck (La Finesse Show Quartett) und Ariane Volm (Heidelberger Sinfoniker, Musical Anastasia), Alex Brutsch an der Viola (Bayerische Kammerphilharmonie Augsburg) und der Cellistin Christiane Alber (Musicalproduktionen Anastasia und Aladdin). Die klassischen Musiker haben sichtlich Spaß und sind in dieser Besetzung bereits auf der Live-CD „Onderwägs“ zu hören, die vom erst kürzlich verstorbenen Edo Zanki produziert wurde. Das Quartett fügt sich nahtlos in die Wendrsonn-Besetzung ein.

Wendrsonn bestehen aus sechs Musikern, jeder unterschiedlich, eine wilde, bunte Charaktermischung – und doch ergänzt sich die Band zu einem ganz außergewöhnlichen Ganzen. Dazu gehört auch Basser Ove Bosch, der Mann mit dem Zylinder. Er ist der stoische Fels in der Brandung, verstärkt die Band aber auch stimmlich. Über Wendrsonn-Erfinder und Mastermind Markus Stricker muss man nicht mehr viel sagen – man muss ihn sehen. Wie er bei „Schwobaliesl“ wild wie ein Derwisch über die Bühne tanzt oder mit geschlossenen Augen total in den wehmütigen Text von „Wendrsonn“ versinkt. Und dann diese unbewusste, aus seinem tiefsten Inneren kommende typische „Stricker-Geste“: Die rechte Hand flattert über seinem Herzen, als ob er es festhalten muss, weil es sonst aus der Brust springt. Der hochemotionale Stricker, die wundervolle quirlige Biggi Binder, Micha Schad, der Sensible, Stille, Klaus Marquardt mit seiner hervorstechenden Bühnenpräsenz, Ove Bosch, der Souveräne und natürlich der Gute-Laune-Faktor Heiko Peter – alle sind sie auch Multiinstrumentalisten. Gemeinsam bilden sie dieses unnachahmliche Gesamtpaket. Die Zuhörer und Fans werden Heiko vermissen. Ein Lied am Samstag heißt „Geile Zeit“ – und das waren die vergangenen Jahre in dieser Besetzung für Wendrsonn. Das abschließende Wort hat an diesem Abend Heiko Peter. Die letzte Zeile der letzten Zugabe singt der Scheidende: „Aber s’Leba isch au no net vorbei“.

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Erstellt:
30. September 2019, 06:00 Uhr

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